Cannabistherapie Hanffeste Beweise

Autor: Dr. Daniela Erhard

Wenn sich die Schmerzen nicht mit anderen Medikamenten lindern lassen, dann eben mit Hanf. Wenn sich die Schmerzen nicht mit anderen Medikamenten lindern lassen, dann eben mit Hanf. © iStock/Creative-Family

Schmerzen sind der Hauptgrund, warum Ärzte ihren Patienten Cannabis verschreiben. Und denen scheinen die Präparate wirklich etwas zu bringen.

Schätzungsweise 150 Millionen Euro – in diesem Umfang wurden 2020 Cannabispräparate verordnet. Dabei sei aus den vorhandenen Daten der Kassen gar nicht ablesbar, inwiefern die Produkte unter Alltagsbedingungen tatsächlich wirksam, sicher und verträglich sind, schreiben Privatdozent Dr. Michael Überall vom privaten Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie (IFNAP) in Nürnberg und zwei seiner Kollegen aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS).

Dronabinol scheint schon in niedriger Dosierung eine Option für Patienten zu sein, die auf keines der zugelassenen und empfohlenen Erst- bis Drittlinien-Präparate ansprechen. Im Auftrag der DGS wurde daher retrospektiv analysiert, was Schmerzpatienten über ihre Add-on-Therapie mit Dronabinol berichteten. Dazu wertete man die Angaben im PraxisRegister Schmerz aus, die 1.145 Patienten während eines zwölfwöchigen Evaluierungszeitraumes zwischen März 2017 und Juni 2019 per App gemacht hatten.

Die Patienten hatten schon alles Mögliche ausprobiert

Mehrheitlich handelte es sich um Patienten mit starken chronischen Schmerzen, die schon etliche Ärzte aufgesucht und verschiedene medikamentöse Therapien erfolglos ausprobiert hatten; darunter Antidepressiva, NSAR, Opioid- und Nicht-Opioid-Analgetika sowie Antiepileptika.

Entsprechend nahmen die Probanden, als sie mit der Dronabinoltherapie begannen, ein Potpourri an Pharmaka. Es bestand im Mittel aus vier Schmerzpräparaten und zwei Medikamenten gegen vorhandene Begleiterkrankungen. Fast alle erhielten außerdem mehrere nicht-pharmakologische Behandlungen.

Innerhalb von zwölf Wochen nach Beginn der Dronabinoleinnahme konnte jeder zweite Teilnehmer eines oder mehrere der anderen Medikamente absetzen. Nahezu neun von zehn Patienten registrierten eine Schmerzabnahme. Im Mittel ging der 24-h-Schmerzindex (PIX) von ursprünglich 46 mm auf der visuellen Analogskala (VAS) um 19,5 mm zurück. Bei fast der Hälfte der Patienten besserten sich die Schmerzen um mindestens 50 %.

Auch in Bezug auf die anderen Endpunkte besserte sich die Situation zwar bei weniger Patienten, aber dennoch signifikant: Einschränkungen im Alltag reduzierten sich um 27 mm auf knapp 38 mm VAS, Schlafprobleme um 34 mm auf 42 mm VAS und die Lebensqualität stieg auf über 25 Punkte (+ 8 Punkte) auf der numerischen Ratingskala. Dass sich die Beschwerden in allen vier Bereichen um 50 % oder mehr besserten, kam jedoch nur bei 7 % der Teilnehmer vor. Ebenso viele sprachen in keinem Punkt an.

Die wirksamen Dosierungen seien mit ca. 15 mg/d, verteilt auf drei Einzeldosen, niedrig gewesen, bemerken Dr. Überall und Kollegen. Hinweise auf Überdosierungen oder Missbrauch fanden sie nicht und auch sonst habe sich die Behandlung als sicher erwiesen. Unerwünschte Medikamentenwirkungen waren zwar häufig (46,8 % der Patienten), aber harmlos und selbstlimitierend. Nur vor psychiatrischen Nebenwirkungen warnen die Experten. Sie traten bei jedem elften Patienten auf, sodass man Personen mit prädisponierenden Faktoren engmaschig kontrollieren und niedrig dosiert behandeln sollte.

Quelle: Überall MA et al. Schmerzmedizin 2021; 37: 37-47; DOI: 10.1007/s00940-021-3147-9