Nachhaltigkeit Kassensiegel und Kurse für klimabewusste Arztpraxen
Viele Ärzte wollen umweltbewusster handeln und dies auch ihren Patienten vermitteln. Branchenunabhängige Zertifikate eignen sich aufgrund des Preises und des geforderten aufwendigen Qualitätsmanagements allerdings nur beschränkt für Arztpraxen, schildert Dr. Susanne Balzer, hausärztlich tätige Internistin aus Köln und Mitglied der Initiative „KlimaDocs“. Die Techniker Krankenkasse und das aQua-Institut bieten nun mit dem Siegel „Nachhaltige Praxis – Klima. Umwelt. Mensch.“ eine auf Arztpraxen zugeschnittene Alternative. Sie kooperieren dabei mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit sowie drei Universitäten. Das Zertifikat selbst wird von der Stiftung Praxissiegel verliehen.
Im Preis von 949 Euro sind neben Audit und Zertifikat Lizenzen für vier E-Learning-Module samt Begleitmaterialien enthalten. Diese beschäftigen sich mit Themen wie Nachhaltigkeitskonzepten, umweltschonender Pharmakotherapie oder der klimasensiblen Beratung von Patienten. Jeweils ein ärztliches und nicht-ärztliches Praxismitglied sollen an den halbstündigen Fortbildungen teilnehmen und als Vermittler fungieren. Auch aus Sicht von Dr. Balzer ist es besonders wichtig, bei Veränderungsprozessen das gesamte Team einzubeziehen.
Siegel könnte Teil der HzV werden
Die Mitarbeiter erheben den Status quo, planen Maßnahmen und dokumentieren ihre Fortschritte in einem Portal. Im Audit, das in der Regel als Videokonferenz stattfindet, werden die Qualitätsanforderungen überprüft. Anschließend wird das Zertifikat ausgestellt. Das Siegel bleibt drei Jahre lang gültig. Praxen, die besonders gut abschneiden, können es in Exzellenzstufe erhalten. Derzeit verhandelt die TK mit dem Hausärzteverband, das Siegel bzw. die zugehörigen Anforderungen in die hausarztzentrierte Versorgung aufzunehmen. Sobald die noch ausstehenden Module fertig sind, soll eine Anerkennung als Fortbildung bei den Ärztekammern beantragt werden.
Anleitung, den Praxisalltag klimaschonender zu gestalten
Dr. Balzer ist „froh“ über das Angebot und meint, die mit Wissenschaftlern entwickelten Module zur Anleitung und Unterstützung seien wichtig „für eine Praxis, die sich auf den Weg macht, klimaschonend zu arbeiten.“ Durch die notwendigen Reevaluationen lasse sich auch eine längerfristige Verhaltensänderung erreichen. Die Einschätzung der Krankenkasse, für die Fortbildung und das Umsetzen der Maßnahmen müsse man acht Monate einplanen, kann nach Ansicht der Kölner Ärztin allerdings abschreckend wirken. Sie hält die Angabe für realistisch, betont aber, dass der Zeitbedarf vom Ist-Zustand abhänge. Dennoch könne im Praxisalltag z.B die Zeit fehlen, Nachhaltigkeitsaspekte als zusätzlichen Tagesordnungspunkt in die Teambesprechung aufzunehmen.
Im Allgemeinen gehe es bei Nachhaltigkeitszertifizierungen durchaus auch um einen Wettbewerbsvorteil. Für Dr. Balzer persönlich wäre klimaschonendes Arbeiten ein Kriterium für die Praxiswahl und „ich glaube, so geht es vielen Patientinnen und Patienten“.
Neben dem Angebot der TK gibt es eine kostenlose Alternative für Mediziner in Baden-Württemberg, die Nachhaltigkeitsbemühungen nachweisen wollen. Der Hausärzteverband Baden-Württemberg vergibt die Auszeichnung „Nachhaltige Hausarztpraxis“ gegen eine Selbstauskunft, die 28 Indikatoren erhebt. Die Checkliste kann man auf der Internetseite des Verbandes herunterladen und per Mail übermitteln. Je nachdem, welchen Prozentsatz der Kriterien die Einrichtung erfüllt, wird das Siegel in Bronze, Silber oder Gold vergeben. Es gilt für drei Jahre, dann muss die Praxis einen neuen Antrag einreichen. Im Mai 2023 wurde die Auszeichnung erstmalig verliehen.
Medical-Tribune-Bericht