Wie im Krimi: Durchsuchungen und Befragungen gefasst durchstehen
Zeugenbeistand für Ihre Praxismitarbeiter? Das klingt nach schwerem Krimi. Doch das Wissen, wann Sie diesen Beistand brauchen und woher Sie ihn bei Bedarf bekommen, könnte Ihnen eines Tages den Hals retten. Denn das Arztstrafrecht hat Hochkonjunktur.
Eine neue Hauptrolle in den Dramen, die in Anwaltskanzleien mittlerweile für erhöhtes Arbeitsaufkommen sorgen, spielt seit Einführung der §§ 299 a und b StGB das Thema Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Zu den klassischen Arztdelikten gehören dagegen fahrlässige Tötung und Körperverletzung, Sterbehilfe bzw. Tötung auf Verlangen, (Abrechnungs-)Betrug und Vertragsarzt-Untreue. „Als Arzt muss man sich auf Vorfälle mit strafrechtlichem Hintergrund einstellen – bleiben sie am Ende aus, können Sie sich darüber freuen“, so Rechtsanwalt Dr. Ralph Steinbrück, Fachanwalt für Medizinrecht der Münchner Kanzlei Ulsenheimer und Friederich.
Aus jedem Zwischenfall kann sich ein Drama entwickeln
Was der Arzt nicht verstreichen lassen darf, ist der erste Akt, der eigentliche Zwischenfall, um den sich einmal alles drehen könnte. Denn da sich das Drama oft erst zeitversetzt entwickelt, ist ein zeitnah angefertigtes Gedächtnisprotokoll mit dem genauen Ablauf sowie allen beteiligten Personen oft die Grundlage für das weitere Geschehen. Aber Achtung: Landet dieses Protokoll in der Patientenakte, ist es bei einer Beschlagnahme durch den Staatsanwalt erstmal weg – Zugriff darauf gibt es dann nur bei Akteneinsicht über den Verteidiger bzw. nach Abschluss der Ermittlungen, warnt der Anwalt.
Nachträge und Korrekturen in der Patientenakte selbst sind dagegen nur erlaubt, wenn sie als solche erkennbar sind. Wird die Patientenakte manipuliert oder gar vernichtet, so ist das kein Kavaliersdelikt, sondern gleich Urkundenfälschung bzw. Urkundenunterdrückung. Das ist nicht nur strafbar, sondern hat auch die Beweislastumkehr zur Folge – was dem Arzt das Leben an diesem Punkt doppelt schwer macht.
Doch vor dem Staatsanwalt kommt in der Regel erstmal der Patient selbst. Wie reagiert man auf die Anfrage nach einer Aussprache? Die Erfahrung zeigt, dass eine Verweigerung den Patienten erst recht zu einer Strafanzeige treibt – wer nicht gehört wird, verschafft sich Gehör.
Unvorbereitet sollten Sie jedoch nicht in ein solches Gespräch gehen. Holen Sie sich den genauen Hergang in Erinnerung und lassen Sie sich in Ihren Erklärungen nicht zu Verärgerung oder Arroganz hinreißen. Doch bei aller Empathie: Schuldanerkenntnisse können kontraproduktiv sein. Und damit Ihnen niemand die Worte im Mund umdrehen kann, sollten Sie einen Zeugen an Ihrer Seite haben und den Gesprächsinhalt dokumentieren.
Verweigerungshaltung führt oft erst zur befürchteten Strafanzeige
Unwirsch wird mancher Arzt, wenn der Patient dann noch Einsicht in seine Patientenakte verlangt. Aber der Ärger hilft Ihnen nicht, Sie sind verpflichtet, sämtliche Unterlagen zu kopieren und Vollständigkeit zu dokumentieren. Solange noch keine Strafanzeige erstattet wurde, rät Dr. Steinbrück auch an dieser Stelle zu einem kooperativen Umgang mit dem Patienten – auch hier führt eine Verweigerungshaltung eben häufig erst zur Strafanzeige. Leider sind nicht alle Konflikte mit einem Gespräch wieder einzufangen.
Unzufriedene Patienten und Angehörige gehören genauso wie Lebenspartner, Kollegen und (Ex-)Mitarbeiter zu den klassischen Kandidaten, die durch Hinweise oder Strafanzeigen einen Anfangsverdacht bei der Staatsanwaltschaft auslösen und damit ggf. auch eine Durchsuchung in den Praxis- und Privaträumen. Anstöße können aber auch über KVen, Krankenkassen und Finanzämter erfolgen. Die Hinweise müssen dabei nicht sonderlich fundiert sein – die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, wegen aller Straftaten einzuschreiten, sofern nur zureichende Anhaltspunkte vorliegen. Kommt es – natürlich unangekündigt – zu einer Durchsuchung durch die Kriminalpolizei, ist das Ziel die Sicherstellung von Beweisen wie der Patientenakte, der Korrespondenz und der persönlichen Aufzeichnungen.
Bewahren Sie in jedem Fall Ruhe und bleiben Sie höflich. Arroganz oder Aggression werden Ihnen sicher nicht weiterhelfen. Aber Sie müssen sich auch nicht gänzlich überfahren lassen: Empfangen Sie die Beamten nicht im Flur, sondern im Arztzimmer, und lassen Sie sich den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vorlegen. Einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen ist zweckmäßig, auch wenn dieser die Maßnahmen weder verhindern noch stoppen kann. Verlangen Sie, dass Sie sich Kopien von den beschlagnahmten Akten machen können und lassen Sie sich das Sicherstellungsprotokoll aushändigen.
Beim Auffinden der verlangten Unterlagen sollten Sie kooperieren. Denn dann spricht man von einer Sicherstellung und nicht von einer Beschlagnahme, was im Zweifel zu Ihren Gunsten ausgelegt wird. Außerdem vermeiden Sie so belastende „Zufallsfunde“, und verkürzen die Dauer der unschönen Geschichte, die so viel Aufregung in die Praxis hereinträgt. Dabei dürfen Sie aber nicht in „informatorische“ Gespräche mit den Beamten einsteigen.
Den Zeugenbeistand sollte ein anderer Anwalt übernehmen
Die Beamten können allerdings auf eine Zeugenvernehmung Ihrer Mitarbeiter vor Ort bestehen – z.B. wenn der Vorwurf Abrechnungsbetrug lautet. Dass eine Zeugenvernehmung überhaupt stante pede möglich ist, ist relativ neu und kann verständlicherweise auch Panik auslösen. Achten Sie unbedingt darauf, dass Ihnen aus Ihrem Verhalten nicht der Strick „Zeugenbeeinflussung“ gedreht werden kann, warnt Rechtsanwalt Dr. Steinbrück.
Und damit zurück zur Frage, wann Sie einen Zeugenbeistand für Ihre Mitarbeiter benötigen – die Antwort ist: jetzt. Zwar kann ein Anwalt den unangenehmen Vorgang nicht abbrechen, doch es ist von Vorteil zu erfahren, was bei diesem Gespräch gesagt wird. Kann diese Aufgabe der Rechtsanwalt übernehmen, den Sie zu Beginn der Durchsuchung gerufen haben? Nein: Der Zeugenbeistand sollte besser einer anderen Kanzlei angehören wie Ihr gerufener Anwalt, damit es nicht zu Interessenkollisionen kommt.