Kommunikation  Wie Kommunikation die Beziehung zwischen Behandelndem und Patient:in verbessern (oder verschlechtern) kann

DGHO 2022 Autor: Dr. Miriam Sonnet

Kommunikation ist für für Onkolog:innen sehr wichtig. In verschiedenen Gesprächssituationen soll gezeigt werden, wie sie auf Patient:innen wirken kann. Kommunikation ist für für Onkolog:innen sehr wichtig. In verschiedenen Gesprächssituationen soll gezeigt werden, wie sie auf Patient:innen wirken kann. © Jonas Glaubitz – stock.adobe.com

Die Zeit für ein Gespräch zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patient:in ist knapp bemessen. Umso wichtiger, dass die Kommunikation klar, einfühlsam, aber dennoch nicht verharmlosend ist. Anhand von Beispielen verdeutlichte Prof. Alexander­ Gaiger, medizinische Universität Wien, verschiedene Situationen und die Wirkung auf Betroffene.

Kommunikation ist evidenzbasiert, sie ist reproduzierbar, in dem, was sie auslöst, und sie ist sehr leicht vermittelbar“, sagte Prof. Dr. Alexander Gaiger von der medizinischen Universität Wien. Wie wichtig die Kommunikation für Onkolog:innen ist und wie sie auf Betroffene wirkt, verdeutlichte er anhand verschiedener Gesprächssituationen, die er mit einer „Patientin“ nachspielte. Er betonte: „Schlechte Nachrichten sind schlecht. Sie können sie nicht gut überbringen. Sie können sie aber rasch, präzise und klar vermitteln.“

Situation 1: Der Unterbrecher

Verhalten des Arztes: „Guten Tag Frau Meyer, bitte nehmen Sie Platz. Mir liegen die Ergebnisse von Ultraschall, Mammografie, Magnetresonanztomopgrafie und Blutbefunden vor. Sie haben einen 3 x 1,5 cm großen Knoten in der rechten Brust. Oh, entschuldigen Sie bitte …“ (geht ans Telefon). „Ja, hallo? 32.000 Leukozyten, Hb 7,5 und 15.000 Thrombozyten … ah, ok … Nein, können wir nicht wegschicken, nein. Bitte in den Transfusionsraum, Zugang legen, Blutbild machen und Typisierung, akut LDH und Fibrinogen. Nein, ich bin im Gespräch, kann nicht sofort kommen. Ja, ich beeile mich. Danke.“ (wendet sich wieder der Patientin zu.) „So, Frau Meyer, also wenn wir uns die Bilder anschauen, dann erkennt man diesen Knoten mit etwas, was man Mikrokalk nennt. Und in der Magnetresonanztomografie sehen wir auch Shifts, das ist die Hemmung der Brown‘schen Molekülbewegung. Verzeihung, jetzt geht die Gegensprechanlage los.“ (spricht in die Gegensprechanlage) „Leitstelle, ja? Aha. 28. Schwangerschaftswoche und ein Fibrinogen von 50. Nein, … nein. Verständigen Sie den Gyn-Konsil. Ich bin der einzige Oberarzt heute. Ich komm vor. Bitte nochmal Blutbild, Gerinnungswerte akut …, und die LDH natürlich … Ich kann jetzt nicht! Gut, ja, ich komm vor. Ich brauch noch ein paar Minuten.“ (wendet sich wieder der Patientin zu). „Ja, Frau Meyer, wo waren wir jetzt. Ah, ja bei Ihrer MR.“

Sicht der Patientin: Prof. Gaiger fragte seine Kollegin, die die Patientin spielte, wie sie sich in dieser Gesprächssituation fühlte. Sie sagte, dass sie sich definitiv eine zweite Meinung einholen würde und als Patientin noch nicht einmal wisse, worum es eigentlich gehe. Ihr ging es schlecht, sie fühlte sich nicht wahrgenommen und unwichtig. Sie sei auch gar nicht mehr richtig anwesend gewesen, weil ihre Gedanken nur um den Knoten kreisten und um die Frage, was dieser eigentlich bedeute. Das verärgerte sie sehr. Das könne sie aber nie zeigen, weil sie sich das in dieser Arzt-Patientin-Situation nicht trauen würde.

Fazit: Es sei essenziell, vor Gesprächen die Rahmenbedingungen zu erklären, so Prof. ­Gaiger. Die Lösung könnte hier folgender Ansatz sein: „Frau Meyer, ich bin heute der einzige Oberarzt im Haus, es kann sein, dass der Pager oder die Gegensprechanlage angehen. Ich entschuldige mich, wenn ich unser Gespräch unterbrechen muss, aber es ist leider so, dass ich aufgrund der Personalknappheit darauf reagieren muss. Ich werde mir wirklich die Zeit für Sie nehmen, aber es kann eben sein, dass es Unterbrechungen gibt.“

Die Wichtigkeit des Gesprächs mit der Patientin wird dadurch verdeutlicht und sie kann sich bereits auf Unterbrechungen einstellen.

Situation 2: Der Verharmloser

Verhalten des Arztes: „Frau Meyer, wir wollen heute über Ihre Befunde sprechen. Ich habe hier die Ergebnisse von Ultraschall, Mammografie und MRT. Es ist so wie vermutet, sie haben einen drei Zentimeter großen Knoten in der Brust. Ich glaube nicht, dass da irgendwas sein wird und ich möchte nicht, dass Sie sich Sorgen machen. Aber sicher ist sicher, sie sind ja noch jung. Wir stechen kurz in ihre Brust, machen also eine Biopsie. Ich habe bereits einen Termin für sie ausgemacht, da können sie jetzt gleich hin. In den nächsten zwei bis drei Wochen kommt dann das Ergebnis. Also: Keine Sorgen machen, Frau Meyer, es wird alles in Ordnung sein, aber wir wollen auf Nummer sicher gehen und nichts übersehen. Ich muss jetzt in den OP. Frau Meyer, keine Sorgen machen!“

Sicht der Patientin: Wie geht es der Betroffenen? Sie mache sich sehr viele Sorgen, denn immerhin werde in ihre Brust gestochen.

Fazit: Diese Verniedlichung bzw. Verharmlosung von bedrohlichen Befunden werde oftmals angewandt, um die Patientin oder den Patienten nicht zu beunruhigen. „Tatsächlich erreichen wir damit aber oftmals das Gegenteil“, so Prof. Gaiger­. „In einer bedrohlichen Situation wird diffuse, unklare Information immer auch bedrohlich wahrgenommen.“

Situation 3: Der Ressourcen-Aktivierende

Verhalten des Arztes: „Guten Tag Frau Meyer, wir hatten ausgemacht, dass wir offen und ehrlich über Ihre Befunde sprechen. Gilt das jetzt auch? (Patientin bejaht). Anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse kann ich nicht eindeutig sagen, ob der Knoten, den sie spüren, und der in letzter Zeit größer geworden ist, ein Bindegewebsknoten ist, oder ob sich dahinter eine Brustkrebserkrankung verbirgt. Sie haben mir gesagt, dass sie möglichst rasch abklären möchten, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ich habe vorbehaltlich Ihrer Zustimmung – sie können entscheiden, ob sie das annehmen möchten oder nicht – einen Termin für eine Gewebeentnahme ausgemacht. In unserem Zentrum gibt es Spezialisten, die täglich eine solche durchführen. Sie kommen dazu morgens zu uns und können mittags wieder nach Hause gehen. Der Termin, den ich bereits reserviert habe, wäre am Montag nächster Woche. Sind Sie damit einverstanden? (Patientin bejaht) Ich habe mit unserem Pathologen gesprochen. Wenn wir am Montag die Gewebeentnahme durchführen, hätte ich am Donnerstag das Ergebnis und wir könnten uns an diesem Tag um 13 Uhr zusammensetzen. Wäre das für Sie in Ordnung? (Patientin bejaht). Das ist ein wichtiges Gespräch am Donnerstag. Gibt es jemanden, den Sie mitbringen möchten? (Patientin bejaht und nennt ihren Partner). Gut. Das heißt, Montag ist die Gewebeentnahme und am Donnerstag um 13 Uhr kommen Sie mit Ihrem Partner in die Ambulanz. Gibt es sonst etwas, was Sie jetzt wissen müssen? (Patientin verneint) Ich gebe Ihnen meine Karte, ich bin heute bis 15 Uhr in der Ambulanz erreichbar. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich gerne an. Wie kommen Sie heute nach Hause? (Patientin gibt an, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren) Ja, das ist gut, wahrscheinlich sind Sie mit Ihren Gedanken auch jetzt ganz woanders. Alles Gute, auf Wiedersehen.“

Sicht der Patientin: Auf die Frage, wie es der Betroffenen gehe, antwortete sie: „Gut wäre das falsche Wort, weil es sich um einen unklaren Befund handelt. Aber ich weiß, was zu tun ist und was auf mich zukommen kann.“ Sie fühle sich bei ihrem Arzt sehr gut aufgehoben. Es sei bereits alles organisiert und der Arzt war im Gespräch bei ihr. Eine zweite Meinung bräuchte sie nicht.

Fazit: Das Gespräch dauerte unwesentlich länger als in den beiden anderen Situationen; das Vorgehen ändere aber die Beziehung mit zur Betroffenen. Das Gespräch habe sie entlastet und Ressourcen aktiviert: Die Patientin werde sehr wahrscheinlich mit ihrem Partner über die Situation reden und die beiden werden sich womöglich auf das weitere Gespräch vorbereiten.

Situation 4: Der Erklärer

Verhalten des Arztes: „Guten Tag, Frau Meyer. Wir haben vereinbart, dass wir offen über die Untersuchungsergebnisse sprechen, gilt das jetzt auch? (Patientin bejaht) Mir liegt das histologische Ergebnis des Lymphknotens, den wir letzte Woche entnommen haben, vor. Sie sind an einem Lymphdrüsenkrebs erkrankt, und zwar an einer ganz besonderen Form: dem Morbus Hodgkin vom nodulär sklerosierenden Subtyp mit einem besonderen Merkmal. An der Oberfläche dieser Hodgkin-Zellen befindet sich das CD20-Antigenmolekül. Dadurch können wir besonders gut behandeln und können durch eine Immunochemotherapie nach dem R-BEACOPP eskalierten Schema die meisten Patient:innen in dieser Situation heilen. Sie bekommen am ersten Tag eine Immuntherapie mit Rituximab in einer Dosierung von 375 mg/m2 Körperoberfläche, gefolgt von einer Chemotherapie mit drei Infusionen an drei aufeinanderfolgenden Tagen und dann noch mal eine am achten Tag. Sie erhalten von Tag eins bis sieben eine orale Chemotherapie und von Tag eins bis 14 bekommen Sie Dexamethason-Tabletten. Diese Behandlung wird zweimal wiederholt und wir werden dann eine Restaging-Untersuchung durchführen und daraufhin die Therapie anpassen. Diese Behandlung hat zahlreiche Nebenwirkungen. Die Chemotherapie wirkt auf alle rasch teilenden Gewebe und es wird zu einem Haarausfall kommen. Auch Augenbrauen und Augenlider sind davon betroffen. Die Behandlung beeinträchtigt die Schleimhäute, unter anderem im Bereich von Mund und Darm. Außerdem können Blutbildveränderungen auftreten. Dagegen können wir Sie schützen, indem wir Ihnen einen Wachstumsfaktor geben. Teilweise werden Sie auch Bluttransfusionen benötigen. Wir schauen dann auch genau auf Nebenwirkungen von Herz und Lunge. Falls sie einen Kinderwunsch haben, sollten Sie noch Eizellen einfrieren lassen, bevor wir mit der Chemotherapie beginnen.“

Sicht der Patientin: Was fühlt die Patientin? „Ich bin beim zweiten Satz ausgestiegen, als der Name Morbus Hodgkin fiel.“

Fazit: Eigentlich habe der Arzt während des Gesprächs gesagt, dass die Heilungschancen gut seien. Doch das kam bei der Patientin nicht an. „Worauf ich mit dieser etwas karikierten Gesprächssituation hinweisen will: Bei der Patientin oder dem Patienten tritt sehr schnell eine Überlastungssituation ein und wir können nicht wissen, zu welchem Zeitpunkt das passiert“, betonte Prof. ­Gaiger und zitierte Nobelpreisträger Daniel Kahneman: „What you see is all there is.“

Quellen:
Gaiger A. Jahrestagung 2022 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2022; Session: Arzt/Ärztin-/Patient:in-Kommunikation