Die ersten DiGA – amtlich geprüfte Gesundheitsapps auf Kassenkosten verordnen
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Am 6. Oktober hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die beiden ersten Digitalen Gesundheits-Anwendungen (DiGA), die von Vertragsärzten und -psychotherapeuten auf GKV-Rezept verschrieben werden dürfen, publik gemacht. Fünf Programme waren es Mitte November. 14 Prüfanträge hatten Hersteller bis dahin wieder zurückgezogen, 21 Anträge befanden sich beim BfArM in Bearbeitung.
Was sind DiGA?
DiGA sind Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa (MDR). Ihre Hauptfunktion beruht auf digitaler Technologie, mit der wesentlich der medizinische Zweck erreicht wird. Sie werden vom Patienten allein oder von Leistungserbringer und Patient gemeinsam genutzt und dienen dem Erkennen, Überwachen, Behandeln oder Lindern von Krankheiten und Verletzungen bzw. der Kompensation von Behinderungen. Primärprävention gehört nicht dazu.
Die ersten DiGA im Verzeichnis des BfArM waren die App „Kalmeda” für Patienten mit chronischer Tinnitusbelastung (vorläufig auf der Liste) und die Webanwendung „velibra” für Patienten mit Angststörungen (dauerhaft aufgenommen). Es folgten die Apps „somnio” (dauerhaft) für nicht-organische Insomnie, „zanadio” (vorläufig) zur Gewichtsreduktion bei Adipositas sowie „Vivira” (vorläufig) zur Behandlung von Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen.
Grundsätzlicher Anspruch für alle GKV-Versicherte
Detailierte Informationen zu den gelisteten Anwendungen liefert das DiGA-Verzeichnis (siehe Link). Die dortigen „Informationen für Fachkreise“ enthalten Angaben zu Indikationen, Verordnungsdauer, Kosten, ärztlichen Leistungen, Studienlage etc. Das ganze Unterfangen, wie es mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz Ende 2019 auf den Weg gebracht wurde, „erscheint wie der Versuch, eine dynamische und innovative Welt wie die Start-up-Szene mit ,deutschem Perfektionismus‘ in eine Passform zu zwängen“, meint Dr. Malte Jacobsen, Assistenzarzt an der Uniklinik RWTH Aachen. „Und die Zeit wird zeigen, ob es hierbei zu einer Abstoßreaktion kommt.“ Er vermutet, dass die hohen regulatorischen Hürden und die damit verbundenen Aufwendungen etliche kleine Anbieter von Gesundheits-Apps abschrecken werden, den Vertriebsweg über das DiGA-Verzeichnis zu gehen – so verlockend der Zugang zu einem Markt mit potenziell 73 Mio. GKV-Versicherten, die für die Produkte nicht einmal etwas zuzahlen müssen, auch sein mag.Wird der Aufwand der Ärzte auch angemessen vergütet?
Die Hersteller, die mit ihren Apps und webbasierten Anwendungen auf die DiGA-Liste wollen, müssen einen positiven Versorgungseffekt (medizinischer Nutzen, patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen) nachweisen. Das kann auch noch mithilfe einer Studie während der vorläufigen Zulassung geschehen. Zudem sind Dutzende Anforderungen an Sicherheit und Funktionstauglichkeit, Datenschutz und Interoperabilität sowie Nutzerfreundlichkeit zu erfüllen. Doch gibt es auch genügend starke Anreize für Ärzte, die Nutzung von DiGA zu unterstützen? Eine wesentliche Hoffnung richtet sich auf ein besseres Monitoring von Symptomen oder der eingeleiteten Therapie. Allerdings wirken der Aufwand (Einarbeitung, IT-Infrastuktur, Bürokratie) und die Unsicherheit bei rechtlichen Aspekten (wer haftet bei Problemen?) bremsend. Auch die Unklarheit über die Vergütung digitaler Leistungen wurde von 80 % der im Rahmen des D.U.T-Reports 2020 befragten Diabetologen als besonders nachteiliger Aspekt genannt. Für die Krankenkassen muss sich ebenfalls erst noch zeigen, wie der positive Versorgungseffekt einer DiGA im Verhältnis zu ihren Kosten ausfällt. Es ist also ungewiss, so Dr. Jacobsen, ob eine relevante Anzahl von Patienten mit DiGA ausgestattet wird und ob sich ein langfristiger medizinischer Nutzen zeigt. Die „Weltneuheit“ (Minister Jens Spahn) kommt jedenfalls nur langsam ins Rollen. Dabei zeigte die D.U.T-Patientenbefragung, dass rund 83 % der Menschen mit Typ-1- oder Typ-2- Diabetes oder deren Eltern digitalen Lösungen gebenüber positiv eingestellt sind. Jeder Zweite schätzt bereits heute Diabetes-Apps als sehr oder eher bedeutsam ein, für die nächsten fünf Jahre tun dies drei von vier Befragten.Quelle: Diabetes Herbsttagung 2020