Absenken der Blutalkoholgrenze senkt die Zahl der Verkehrstoten nicht
Besser hätte die Politik das wissenschaftliche Setting kaum vorbereiten können: Intervention, Versuchspersonen, Kontrollgruppe, Dr. Houra Haghpanahan und ihren Kollegen wurde all das frei Haus geliefert. Ein „natürliches Experiment“ nennen sie deshalb ihre Studie zu den Auswirkungen einer abgesenkten Blutalkoholkonzentration (BAK). Im Dezember 2014 senkte Schottland den maximal erlaubten Blutalkoholgehalt am Steuer von 0,8 auf 0,5 g/l und tat es damit den Deutschen gleich.
Das Team um die Wissenschaftlerin des Institute of Health and Wellbeing der Universität Glasgow fragte sich, wie sich die Gesetzesänderung auf die Zahl der Straßenverkehrsunfälle auswirken würde. Bislang waren die meisten Vorgängerstudien auf recht beachtliche Effekte gestoßen, teilweise bis zu minus 18 %. Zum Vergleich bot sich die Entwicklung in den benachbarten Wales und England an, die das-0,8g/l-Limit beibehielten.
Das Ergebnis bezeichnen auch die Autoren als überraschend. In den zwei Jahren nach der Gesetzesänderung war weder insgesamt ein Absinken der Unfälle im Straßenverkehr festzustellen noch eine positive Entwicklung bei den schweren oder tödlichen Unglücken. Dasselbe galt für die Zahl der nächtlichen Unfälle von Einzel-Fahrzeugen. Die Pro-Kopf-Menge an konsumiertem Alkohol in Schankbetrieben reduzierte sich zwar leicht, die Verkaufszahlen im Einzelhandel blieben dagegen gleich.
Offenbar wurden die Fahrer zu wenig kontrolliert
Die wahrscheinlichste Erklärung für diese Pleite sei, dass es an entsprechend verstärkten Verkehrskontrollen (inkl. Atem-Alkohol-Kontrolle) und der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit mangelte, vermuten Dr. Haghpanahan und Kollegen. Gerade dieses Gesamtpaket empfiehlt die Europäische Union nachdrücklich ihren Mitgliedsstaaten. Daten aus Australien deuten sogar an, dass vermehrtes „Blasen-Lassen“ als Einzelintervention der größte Erfolgsgarant sei. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass das Herabsetzen der Grenze auf 0,5 g/l nicht effektiv ist ohne die entsprechenden Begleitmaßnahmen“, so das Fazit der Autoren.
Quelle: Haghpanahan H et al. Lancet 2019; 393: 321-329