Autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation – effektivste Behandlung der MS?
Frei von Risiken ist keine der gegenwärtig verfügbaren Therapieansätze der MS. Auch aufgrund von Kontraindikationen gibt es noch immer Patienten, deren Krankheitsverlauf nicht oder kaum beeinflusst werden kann. Wissenschaftler wie das Team um Dr. Aaron Miller von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York untersuchen deshalb neuere, alternative Strategien, darunter die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (aHSCT). Fokus der aktuellen Arbeit lag auf der Frage, welche Patienten in welchen Settings am wahrscheinlichsten von dem Verfahren profitieren, um auf Basis der Ergebnissen konkrete Empfehlungen aussprechen zu können.
Komplikationsrate bereits deutlich gesenkt
In mehreren klinischen Studien und Metaanalysen konnte die aHSCT bereits überzeugen. Gegenüber herkömmlich, teils hoch aktiven Medikamenten wie Natalizumab oder Rituximab kam es in Zeiträumen von bis zu fünf Jahren nach der Transplantation wesentlich seltener zu neuen MS-Schüben. Dem gegenüber stehen die Risiken des Eingriffs, allen voran schwere Infektionen. Mit der zunehmenden Erfahrung jener Ärzte, die eine aHSCT an MS-Patienten durchführen, konnte die Komplikationsrate allerdings schon deutlich gesenkt werden.
Die meisten Wissenschaftler sehen den Benefit der Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten mit weitestgehend erhaltener Selbstständigkeit und aktiver Erkrankung. Trotz dieser scheinbaren Einigkeit sind aber einige konkrete Frage offen:
- Wie jung ist jung genug?
- Wie lange sollte die Erkrankung bestehen? Und rechnet man vom Zeitpunkt der ersten Symptome oder vom Zeitpunkt der Diagnose an? Denn gerade bei der MS können diese um Jahre auseinanderliegen.
- Wie ausgeprägt sollte die Krankheitsaktivität sein, beurteilt etwa anhand MS-spezifischer Fragebögen? Und berücksichtigt man ausschließlich klinische Beschwerden oder auch asymptomatische Herde, die lediglich in der MRT auffallen?
- Wie viele Zyklen mit hochaktiven Medikamenten müssen erfolgen, bevor eine Stammzelltransplantation angedacht ist?
Bislang kann man über die Antworten nur spekulieren. Die Forscher sehen jedoch einige Anhaltspunkte in den Ein- und Ausschlusskriterien einer vor Kurzem begonnenen randomisierten klinischen Studie.
Follow-up-Untersuchungen im Zuge der Transplantation
- neurologisch: zwei Wochen nach Entlassung, dann alle 2-4 Monate
- kognitiv-neuropsychologisch: vor der Therapie und ein Jahr danach
- internistisch: unmittelbar nach dem Eingriff, dann alle 2–3 Monate für zwei Jahre (Infektionen und deren Behandlung, Impfungen)
- radiologisch: MRT von Gehirn und Rückenmark innerhalb von sechs Monaten nach der aHSCT, in der Folge mindestens einmal pro Jahr (Prüfung auf neue MS-Herde)
- Laborwerte: nach Entlassung und dann alle vier Wochen für ein Jahr, neben den Basics Differenzialblutbild mit den verschiedenen Lymphozyten-Subpopulationen
- Patienten < 50 Jahren,
- mit einer Krankheitsdauer von weniger als zehn Jahren,
- die auf hochwirksame Medikamente nicht ansprechen oder Kontraindikationen dafür aufweisen.
Quelle: Miller A et al. JAMA Neurol 2020; DOI: 10.1001/jamaneurol.2020.4025