Niemand halluziniert aufgrund einer Demenz – Delir oft fehlgedeutet
Patienten mit Delir begegnen Sie in vielen Situationen. Kennzeichnend ist der akute Beginn der Beschwerden. Bemerken Sie eine Bewusstseinsstörung, sollten Sie sich drei Fragen stellen, erklären Dr. Rebecca von Haken von der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Mannheim und Professor Dr. Hans-Christian Hansen von der Klinik für Neurologie im Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster: Kann ein Delir vorliegen? Sind die Diagnosekriterien erfüllt? Was könnte der Auslöser sein?
Ein Delir lässt sich nur über die klinische Beobachtung feststellen, Biomarker, die sich im Labor bestimmen ließen, gibt es nicht. Allerdings kann man die derzeitigen Screening-Instrumente einfach und direkt am Krankenbett anwenden.
Aber Vorsicht, warnen die Fachleute: Bevor Sie versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen, müssen Sie sicher sein, dass der Patient Sie versteht (Schwerhörigkeit?) und auch zur entsprechenden Reaktion körperlich in der Lage ist (z.B. Parese, Rheuma). Kurztests konzentrieren sich meist auf ein einziges Kriterium, etwas ausgefeiltere Verfahren wie der 4-A-Test prüfen mehrere Bereiche, wie Orientierung zur Person (u.a. Alter), Wachheit („Alertness“), Aufmerksamkeit und zeitliche Entwicklung der Klinik (akut).
Vorgehen bei Patienten mit akuter mentaler Veränderung
- Sicherung der Vitalfunktionen (Atmung, Atemwege, Kreislauf)
- 5-S-Check: Blutzuckermessung, Ausschluss von Schlaganfall, Sepsis, Krampfanfall und einer auffälligen Atmung (z.B. bei Vergiftungen)
- weitere Klärung mit (Fremd-)Anamnese, klinischer Untersuchung, Labor, Bildgebung und ggf. Spezialuntersuchungen, z.B. ein EEG.
Akute Beschwerden, die fluktuierend verlaufen
Fällt der erste Orientierungstest positiv aus, geht man etwas stärker ins Detail, etwa mit der Confusion Assessment Method (CAM). Sie umfasst zusätzliche Merkmale wie inhaltliches Denken, Gedächtnis und prüft auf einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Wichtig ist immer die Beobachtung des Verlaufs. Ein positives Ergebnis muss immer überprüft werden, um mögliche Differenzialdiagnosen, wie einen ischämischen Schlaganfall, eine Meningoenzephalitis, aber auch eine Psychose oder Depression, auszuschließen. Die ICD-10-Klassifikation fordert als Basiskriterien:- neu aufgetretene psychische Symptome, die sich deutlich vom Ausgangszustand des Patienten unterscheiden: Beim hypoaktiven Delir sind Mimik und Motorik sowie die Reaktion auf Ansprache vermindert, bei der hyperaktiven Form ist eine Erregung vorherrschend
- organische Auslösefaktoren, z.B. eine Infektion oder Intoxikation. Eine psychische Belastung allein reicht für die Diagnose nicht aus, trägt allerdings mitunter als Kofaktor bei. Vegetative Befunde wie Tachykardie oder Schwitzen können, müssen aber nicht dazukommen
- die Beschwerden müssen akut, innerhalb weniger Stunden bis weniger Tage, eingesetzt haben und fluktuierend verlaufen
Quelle: von Haken R, Hansen HC. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1619-1628; DOI: 10.1055/a-0767-9764