Mimikry und Hyperstimulation So löst COVID-19 Autoimmunerkrankungen aus
Erreger wie das Epstein-Barr-Virus können über molekulares Mimikry die Bildung von Autoantikörpern auslösen. Das gilt auch für SARS-CoV-2, denn das Virus teilt eine große Anzahl verschiedener Peptidsequenzen mit dem Menschen. Gegen das Virus gebildete Antikörper greifen dann als Autoantikörper eigenes Gewebe an und fördern damit die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen, erklärte der israelische Immunologe. Gleichzeitig führt SARS-CoV-2 durch einen Zytokinsturm zur Hyperstimulation des Immunsystems. Die Kombination aus beidem – ein überstimuliertes Immunsystem plus molekulares Mimikry – bildet den Mechanismus, über den das neue Coronavirus seiner Meinung nach Autoimmunerkrankungen auslöst.
Dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 tatsächlich zur Bildung von Autoantikörpern führt, ist für Dr. Shoenfeld evident. In zahlreichen Studien wurden bei Patienten nach der Infektion Autoantikörper nachgewiesen. Einige davon sind eindeutig mit klinischen Manifestationen verbunden. Dazu gehören u.a. Anticardiolipin, Lupusantikoagulans und Anti-Beta-2-Glykoprotein. In einer Kohorte von 104 COVID-19-Patienten wiesen beispielsweise 33,7 % Anti-Cardiolipin-AK auf, berichtete der Experte. Diese waren signifikant mit thrombotischen Ereignissen assoziiert. Insgesamt ließ sich in dieser Kohorte bei 47 % der Patienten wenigstens ein Antiphospholipid-Antikörper nachweisen. Weitere durch SARS-CoV-2 ausgelöste Auto-AK sind Anti-Ro52, Anti-Ro60 und ANA.
Es gibt auch Evidenz dafür, dass SARS-CoV-2 Autoimmunerkrankungen auslöst. Viele verschiedene Publikationen haben die Assoziation von COVID-19 mit einer Reihe von Autoimmunerkrankungen beschrieben. Im Mittelpunkt steht dabei der durch das Virus getriggerte systemische Lupus erythematodes. Aber auch Fälle von ITP, Multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes und Kawasaki-Syndrom werden der Infektion zugeschrieben.
Eine deutsche Kohortenstudie mit über 38 Mio. PCR-bestätigten COVID-19-Fällen unterstreicht die Hypothese. Die Wahrscheinlichkeit, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, war bei ehemaligen COVID-19-Patienten 42 % höher als bei Menschen ohne die Infektion. „Ob Rheumatologen, Nephrologen oder Allgemeinärzte: Wir alle werden uns aufgrund von COVID-19 in Zukunft einer riesigen Lawine von Autoimmunerkrankungen gegenübersehen“, schloss Dr. Shoenfeld seinen Vortrag.
Quelle: EULAR 2023 – Annual European Congress of Rheumatology