Hessen streicht Hausbesuchsregresse
Unter der Überschrift „Freie Fahrt für Hausbesuche“ gibt die KV Hessen in ihrer Mitgliederzeitschrift bekannt, dass es bis auf Weiteres keine Regresse mehr wegen Überschreitungen bei Hausbesuchen geben wird. Dies habe man in zähen Gesprächen mit den Kassen gegen deren Bedenken erreichen können.
Für die Hausärzte bedeutet das, dass in allen nicht abgeschlossenen Verfahren, in denen es um Auffälligkeiten bei Haus- und Heimbesuchen geht, statt eines Regresses eine Beratung durch die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen erfolgt. In den Verhandlungen über eine neue Prüfvereinbarung will der KV-Vorstand das auch für die Zukunft festschreiben. Wieso haben die Hessen hier überhaupt ein Problem?
Honorarprüfungen und -regresse gibt es schon, seit es KVen gibt. Ursprünglich prüfte die KV selbst, dann wurde das Geschäft an neutrale Prüfgremien übertragen. Seither verweisen die KVen gerne darauf, dass sie auf das Zustandekommen von Honorarregressen keinen Einfluss haben. Das stimmt aber nicht wirklich, denn wie die (unabhängigen) Prüfgremien vorzugehen haben, wird in einer Prüfvereinbarung von KV und Kassenverbänden festgelegt. Gemäß dieser Vereinbarungen wird kontrolliert, wer bei den Gesamtleistungen, einer Leistungsgruppe oder Einzelleistungen den Fachgruppendurchschnitt zu sehr überschritten hat.
Auflösung der Bezirksstellen führt zu Verwerfungen
Wegen der zunehmenden Pauschalierung der EBM-Leistungen und der Einführung von Regelleistungsvolumina (RLV) gab es lange keine Grundlage mehr für solche Prüfungen, da Abweichungen kaum möglich waren. Seit der teilweisen Rückkehr zu Einzelleistungen und deren Vergütung außerhalb des RLV sind die Prüfgremien wieder aktiv.
In Hessen gilt, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreiten der Gesamtleistungen der Fachgruppe um mehr als 40 %, bei Leistungsgruppen um 60 % und bei Einzelleistungen um 100 % ausgelöst wird. Damit weicht man nicht von dem ab, was in anderen KVen geregelt ist. Das Problem entsteht erst aus der Auflösung der sieben Bezirksstellen in 2005. Die Fachgruppendurchschnitte werden seit dem nicht mehr regional, auf die Bezirksstelle bezogen, sondern landesweit ermittelt.
Das hat zu Verwerfungen, insbesondere im hausärztlichen Bereich, geführt. Auf dem Land spielen Hausbesuche eine ganz andere Rolle als in städtischen Regionen. Dort wiederum spielt die „Sprechende Medizin“ eine größere Rolle. Die Folge: Hausärzte in Nordhessen haben den „gemischten“ Fachgruppendurchschnitt bei Hausbesuchen haushoch überschritten, Hausärzte in Südhessen den bei den Leistungen nach den Nrn. 03230, 35100 und 35110 EBM. Diese Schieflage hat der KV-Vorstand nun – zwar spät und zunächst auch nur bei den Hausbesuchen – erkannt und gehandelt. Bleibt zu hoffen, dass es dabei nicht bleibt und auch die Besonderheiten der städtischen Praxen künftig berücksichtigt werden.
Das Gesetz verlangt nur eine Stichprobenprüfung!
Eine Lösung wäre einfach und könnte sogar gegen den Willen der Kassen, deren Rolle hier zunehmend undurchschaubar wird, durchgesetzt werden. §106a SGB V schreibt nämlich nur eine Stichprobenprüfung von mindestens 2 % der Ärzte je Quartal verbindlich vor (sog. Zufälligkeitsprüfung). Ferner erlaubt §106a Abs. 4 Satz 3 SGB V unter anderem Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten.
Diese Prüfung nach Durchschnittswerten ist laut Stellungnahme der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ vom 6. Juni 2018 jedoch gar nicht zwingend und obliegt in ihrer Ausgestaltung der alleinigen Verantwortung von KV und Krankenkassen. Die KVen werden sogar ermahnt, auf eine angemessene und sachgerechte Wirtschaftlichkeitsprüfung zu achten, die einen Ausgleich zwischen Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und wirtschaftlicher Leistungserbringung ermöglicht. Das heißt: KVen, die als Interessensvertretung ihrer Mitglieder auftreten, müssten in ihrer Prüfvereinbarung Prüfungen nach Durchschnittswerten überhaupt nicht vorsehen.