Aspirationspneumonie: Wenn Essen in die Lunge gelangt

Dr. Dorothea Ranft

Viele Patienten bemerken es nicht, wenn das Essen die falsche Abfahrt nimmt. Viele Patienten bemerken es nicht, wenn das Essen die falsche Abfahrt nimmt. © iStock/7activestudio; wikimedia/melvil (CC BY-SA 4.0)

Viele Senioren merken es gar nicht, wenn Essen statt in ihrem Magen in der Lunge landet. Auch deshalb ist die sich entwickelnde Aspirationspneumonie nur schwer von der „normalen“ zu unterscheiden. Wann Sie Verdacht schöpfen sollten und wie die Therapie gelingt, erklären amerikanische Experten.

Schätzungen zufolge entstehen bis zu 15 % der ambulant erworbenen Pneumonien durch eine Aspiration. Das „Einatmen“ geringer Mengen oropharyngealen Sekrets im Schlaf gilt bei Gesunden als normal, auch wenn es bei vielen Pneumonien eine pathogenetische Rolle spielt. Von einer Aspirationspneumonie im engeren Sinn spricht man erst, wenn größere Mengen von bakteriell kontaminiertem „Speisebrei“ die Lunge erreichen (Makroaspiration). Bei den bakteriellen Auslösern scheinen sich die früher dominierenden Anaerobier auf dem Rückzug zu befinden, schreiben Dr. Lionel A. Mandell von der ­McMaster University in Hamilton und Dr. Michael S. Niederman vom Weill Cornell Medical College in New York.

Ebenfalls durch eine Makroaspiration verursacht wird die chemische Pneumonitis. Allerdings stammt der Auslöser aus dem oberen Gastrointestinaltrakt. Irritativer Mageninhalt mit niedrigem pH sorgt für eine Entzündungsreaktion in der Lunge. Eine bakterielle Kontamination findet nicht statt. Gefährdet sind vor allem Patienten mit Reflux oder Sondenernährung.

Dysphagie verzehnfacht das Pneumonierisiko

Einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Aspirationspneumonie ist ein gestörter Schluckmechanismus. Bei älteren Patienten wird das Pneumonierisiko durch eine Dysphagie mehr als verzehnfacht. Auch neurologische Erkrankungen können die Speisen auf Abwege bringen (s. Kasten). Schlaftabletten und Anti­psychotika erhöhen die Aspirationsgefahr ebenfalls.

Risikofaktoren für eine Aspiration

  • Schluckstörung: Ösophaguserkrankungen (Dysphagie, Krebs, Striktur, COPD), neurologische Erkrankungen (Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, Demenz) und Beatmung
  • Bewusstseinsstörung: Schlaganfall, Herzstillstand, Medikamente, Narkose, Alkoholgenuss etc.
  • Magensaft-Aspiration: Reflux, Sondenernährung etc.
  • Geschwächter Hustenreflex: Medikamente, Alkohol, Schlaganfall, Demenz, degenerative neurologische Erkrankungen, eingeschränktes Bewusstsein

Viele Patienten bemerken die Aspiration nicht – selbst wenn es sich um größere Volumina handelt. Symptome entwickeln sich üblicherweise innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen nach dem Ereignis, bei weniger virulenten Erregern im Aspirat eventuell auch später. Die Abgrenzung von anderen bakteriellen Lungenentzündungen ist oft schwierig, wobei Patienten mit Aspirationspneumonie eine besonders hohe Krankheitslast und Mortalität aufweisen. Typisch für die chemische Pneumonitis sind plötzlich beginnende Dyspnoe, Hypoxämie und Tachykardie. Auskultatorisch fallen Rasselgeräusche oder ein diffuses Giemen auf. Das Aspirat ist in der Regel steril, es kann aber zu einer Superinfektion kommen. Die Diagnose der Aspirationspneumonie erfolgt anhand von Anamnese, Risikofaktoren und passenden radiologischen Befunden. Zu Beginn ist der Röntgen-Thorax oft noch negativ, ggf. kann man mit der Computertomographie die Diagnose bestätigen.

So gelingt die Prävention

  • 24-stündige Antibiotikatherapie für Patienten im Koma nach Notfallintubation
  • Keine Nahrungsaufnahme mindestens acht Stunden und keine klaren Flüssigkeiten mindestens zwei Stunden vor einer Vollnarkose
  • Obligatorische Untersuchung des Schluckvermögens nach einem Schlaganfall bzw. nach Extubation bei mechanischer Beatmung
  • Blutdrucksenkung nach Schlaganfall vorzugsweise mit ACE-Hemmer
  • Sorgfältige Mundhygiene und Exzision kranker Zähne
  • Schlaganfall-Patienten in halbsitzender Position füttern

Glukokortikoide haben keinen Platz

Die meisten Patienten mit ambulant erworbener Aspirationspneumonie sprechen gut auf die Behandlung mit Ampicillin-Sulbactam, einem Carb­apenem oder einem Fluorchinolon (Levofloxacin bzw. Moxifloxacin) an. Bei hohem Risiko für eine überwiegend anaerobe Infektion (schwere Parodontitis, nekrotisierende Pneumonie, Lungenabszess) empfehlen die Autoren die Kombination von Clindamycin mit einem der genannten Antibiotika. Bei Resis­tenzen raten sie zu Breitspektrum­antibiotika. Glukokortikoide haben keinen Platz in der Therapie der Aspirationspneumonie. Das Risiko einer chemischen Pneumonitis infolge von Magensaft-Aspiration lässt sich durch Anheben des Magen-pH senken. Antibiotika sollten zur Behandlung von milden und mittelschweren Verläufen nicht routinemäßig eingesetzt werden, es sei denn, der Patient nimmt säurehemmende Medikamente ein oder leidet unter einer Dünndarmob­struktion. In schweren Fällen sollte die Anti­biotikatherapie empirisch begonnen und je nach klinischem Verlauf für mehr als zwei oder drei Tage fortgeführt werden, so die Autoren. Glukokortikoide gehören auch hier nicht zum therapeutischen Arsenal.

Quelle: Mandell LA, Niederman MS. N Engl J Med 2019; 380: 651-663

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Viele Patienten bemerken es nicht, wenn das Essen die falsche Abfahrt nimmt. Viele Patienten bemerken es nicht, wenn das Essen die falsche Abfahrt nimmt. © iStock/7activestudio; wikimedia/melvil (CC BY-SA 4.0)
Dieser 83 Jahre alte Patient hat eine Aspirationspneumonie mit Infiltraten im rechten Unterlappen entwickelt. Dieser 83 Jahre alte Patient hat eine Aspirationspneumonie mit Infiltraten im rechten Unterlappen entwickelt. © wikimedia/melvil (CC BY-SA 4.0)