Ist die Pneumonie für Sie ein Kinderspiel?

Dr. Dorothea Ranft

Vorgehen beim Nachwuchs hat Tücken - Zuverlässige Verlaufskontrollen sind lebenswichtig.
Vorgehen beim Nachwuchs hat Tücken - Zuverlässige Verlaufskontrollen sind lebenswichtig. © Fotolia/pololia

Wenn Kinder mit Fieber, Husten und Dyspnoe in der Praxis vorgestellt werden, fällt der Verdacht schnell auf eine Pneumonie. Dann stellt sich die Frage, ob der kleine Patient ins Krankenhaus muss oder noch zu Hause behandelt werden kann und natürlich mit welcher Therapie.

Von einer ambulant erworbenen Pneumonie spricht man, wenn die Symptome außerhalb des Krankenhauses beginnen oder innerhalb von 48 Stunden nach stationärer Aufnahme. Kinder mit pCAP (paediatric community-acquired pneumonia) präsentieren sich typischerweise mit Fieber, Tachypnoe, Dyspnoe und Husten sowie einem reduzierten Allgemeinzustand. Hinzu kommen häufig Thorax- und Bauchschmerzen sowie Erbrechen. Auch Nahrungsverweigerung, Inaktivität und veränderte Vigilanz (Apathie, Agitiertheit) können auf eine pCAP hinweisen. Die höchste Sensitivität und Spezifität haben Studien zufolge Fieber und Tachy­pnoe. Allerdings ist dabei zu beachten, dass manche Patienten nur Fieber entwickeln – ohne Tachypnoe und/oder Dyspnoe –, während andere völlig fieberfrei bleiben.

Atemgymnastik bringt nichts, Prävention sehr wohl

Physiotherapie und Atemgymnastik haben keinen Einfluss auf den Verlauf und sollten bei Patienten mit pädiatrischer ambulant erworbener Pneumonie (pCAP) ohne Grunderkrankung und Komplikation nicht zur Anwendung kommen, so die Leitlinien-Autoren. Wichtig dagegen: die Prävention. Deshalb sollten alle Kinder gegen Pneumokokken, H. influenzae Typ b, Pertussis, Masern und Varizellen geimpft werden, bei Risikofaktoren auch gegen Influenza.

Schweregrad anhand der Atemfrequenz abschätzen

Grundsätzlich ist bei jedem pCAP-Verdacht eine Ganzkörper-Untersuchung angezeigt, heißt es in der S2k-Leitlinie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für päd­iatrische Infektiologie und der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie. Der Schweregrad der Pneumonie lässt sich in der Regel anhand der Klinik einschätzen:
  • Kinder mit nicht schwerer Pneumonie haben im Alter von zwei bis elf Monaten eine Atemfrequenz > 50/min, im Alter von 12–59 Monaten liegt diese > 40/min. Ab fünf Jahren > 20/min – mit und ohne Einziehungen
  • Bei Kindern mit schwerer Pneu­monie liegen zusätzliche Warnsymptome wie ein stark reduzierter Allgemeinzustand, Nahrungsverweigerung, Dehydratation, Somnolenz oder Bewusstlosigkeit vor, ggf. auch zerebrale Krampfanfälle. Als weitere wichtige Indikatoren gelten eine O2-Sättigung < 94 %, da die Hypoxämie mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergeht, sowie eine Rekapillarisierungszeit > 2 sec (Fingernagelprobe).
Kinder und Jugendliche mit nicht schwerer Pneumonie können ambulant behandelt werden, wenn ihre medizinische Betreuung zu Hause gesichert ist und die Angehörigen die potenziellen Alarmzeichen kennen. Junge Patienten mit schwerer Pneumonie oder ungünstigen häuslichen Verhältnissen sollten stationär eingewiesen werden. Was die weitere Diagnostik anbetrifft, rät die Leitlinie bei nicht schwerer pCAP von routinemäßigen Blutentnahme ab. Die Entzündungsmarker erlauben keine Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Genese. Auch die mikrobiologische Diagnostik nennen die Autoren unnötig. Schnelltests auf Viren und PCR-Verfahren kommen nur bei stationären Patienten infrage. Auf Röntgen-Diagnostik sollte man bei der leichten Pneumonie ebenfalls verzichten. Falls man sich doch dafür entscheidet, genügt eine p.a.-Aufnahme. Kontrollaufnahmen bleiben Spezialfällen vorbehalten, denn auch nach vollständiger Genesung zeigt ein Drittel der Kinder Restbefunde. Pleuraempyem und parapneumonische Ergüsse lassen sich sonographisch ebenso gut diagnostizieren wie mit der CT.

Spätestens nach 72 Stunden ohne Besserung in die Klinik

Bei den meisten Säuglingen und Kleinkindern ist die pCAP viraler Genese – eine bronchiale Obstruktion erhöht die Wahrscheinlichkeit noch. Deshalb brauchen fieberfreie Patienten mit leichter Entzündung und vornehmlich obstruktiven Beschwerden primär keine Antibiotika. Anders gestaltet sich die Situation, wenn eine bakterielle Ursache vermutet wird: Patienten mit nicht schwerer pCAP und Fieber bekommen besser eine Antibiose, so die Experten. Die fieberhafte schwere Pneumonie stellt sogar eine klare „Soll“-Indikation für die antiinfektive Therapie dar. In der empirischen Behandlung setzt die Leitlinie primär auf orales Amoxicillin bzw. bei Zweifeln an der sicheren Einnahme auf i.v. Ampicillin (s. Tabelle). Die Therapiedauer richtet sich nach dem Schweregrad: Bei „leichter“ Pneumonie genügen fünf Tage, in schweren Fälle läuft die Behandlung über mindestens sieben Tage. Bei Komplikationen richtet sich die Dauer nach dem Verlauf. Geradezu lebenswichtig sind zuverlässige Verlaufskontrollen: Ambulant behandelte Patienten müssen umgehend in der Praxis vorgestellt werden, falls sie innerhalb von 48 Stunden nicht entfiebern oder sich ihr Zustand nicht bessert bzw. verschlechtert. In diesem Fall kann man eine stationäre Einweisung zur weiteren Diagnostik und Therapie-Anpassung erwägen. Spätestens nach 72 Stunden ausbleibender Besserung muss eine klinische und labormedizinische Reevaluation einschließlich Bildgebung und erweiterter Erregerdiagnostik erfolgen.

Empirische Antibiotikatherapie bei ambulant erworbener Pneumonie
SubstanzDosierung
1. WahlAmoxicillin p.o. 50(–90) mg/kg/Tag, 2-3 Einzeldosen (ED)
Parenterale AlternativeAmpicillin i.v.100 (–200) mg/kg/Tag in 3 ED
Penicillin-Unverträglichkeit



Cefuroximaxetil p.o.30 mg/kg/Tag in 2 ED
Cefuroxim i.v. 100 (–150) mg/kg/Tag in 3 ED
Clarithromycin p.o.15 mg/kg/Tag in 2 ED
Doxycyclin p.o. (ab 9 Jahre)am 1. Tag 4 mg/kg/d in 1 ED, ab dem 2. Tag 2 mg/kg/d in 1 ED
Therapieversagen, Komplikationen, V.a. bakterielle Begleitinfektion bei Masern und Influenza




Ampicillin-Sulbactam i.v. 100(–150) mg/kg/Tag (Ampicillin-Anteil) in 3 ED
Cefuroxim i.v.100(–150) mg/kg/Tag in 3 ED
Amoxicillin-Clavulansäure p.o.45(–60) mg/kg/Tag (Amoxicillin-Anteil) in 3 ED
Sultamicillin p.o.50 mg/kg/Tag in 2 ED
Cefuroximaxetil p.o.30 mg/kg/Tag in 2 ED
Schwere pCAP und Hinweis auf Mykoplasmen- oder Chlamydien-InfektionAmoxicillin-Clavulansäure p.o./i.v. plus Clarithromycin p.o. oder Azithromycin oder (ab 9 J.) Doxycyclin p.o.siehe oben siehe oben 10 mg/kg in 1 ED an Tag; 5 mg/kg in 1ED an Tag 2–5 siehe oben

S2k-Leitlinie „Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pädiatrische ambulant erworbene Pneumonie, pCAP)“, www.awmf.org

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