Kein Oralcephalosporin an die Pneumonie!

Manuela Arand

In 8 % der Fälle geht die ambulant behandelte Pneumonie doch stationär (links). Manchmal entdeckt man bei Herzkranken  Klebsiellen (rechts). In 8 % der Fälle geht die ambulant behandelte Pneumonie doch stationär (links). Manchmal entdeckt man bei Herzkranken Klebsiellen (rechts). © wikimeida/Hellerhoff; wikimedia/ Copacopac

Geben Sie Ihrem Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie bitte kein Oralcephalosporin – Sie könnten sein Leben gefährden! Dagegen dürfen Sie bei jungen Menschen mit atypischer Pneumonie getrost auf Makrolide setzen, wie Zahlen aus CAPNETZ zeigen.

Kein Register verfügt über so viele Daten zur ambulant erworbenen Pneumonie wie CAPNETZ, seit seiner Gründung sind darin mehr als 12 000 Patienten prospektiv eingeschlossen worden. Entstanden ist eine solide Basis für klinische und Grundlagenforschung, deren Ergebnisse unter anderem in die aktuelle Leitlinie zur ambulant erworbenen Pneumonie (CAP, community acquired pneumonia) eingeflossen sind, berichtete Privatdozent Dr. Martin Kolditz von der Medizinischen Universitätsklinik I in Dresden.

Aus einer Analyse der Daten von rund 1400 ambulant behandelten Pneumonien stammt die zunächst wenig überraschende Erkenntnis, dass in 8 % der Fälle doch noch eine stationäre Aufnahme nötig wurde. Die Mortalität lag in dieser Gruppe mit 4,2 % beträchtlich über der der rein ambulant behandelten (0,2 %).

Aus CRB-65 wird DS-CRB-65: Risikoscore um zwei weitere Kriterien ergänzt

Der CRB-65-Index hilft zu entscheiden, ob ein Patient mit ambulant erworbener Pneumonie stationär behandelt werden sollte. Folgende Kriterien gehen mit je einem Punkt in die Berechnung ein:
  • Alter (≥ 65 Jahre)
  • Atemfrequenz ≥ 30/min
  • Blutdruck diastolisch ≤ 60 mmHg, systolisch < 90 mmHg
  • Verwirrtheit
CRB-65 wurde von CAPNETZ validiert, doch nun haben die Autoren ihn noch einmal verfeinert, da es Unsicherheiten bei der Vorhersage gab, dass ein Patient mit Score = 0 risikolos ambulant geführt werden kann. „Zwei weitere Kriterien sollten Sie in der Praxis beachten, nämlich die initiale Sauerstoffsättigung unter 90 % und Komorbiditäten“, erklärte Dr. Kolditz. Beide korrelieren unabhängig mit der Mortalität und die Sättigung zudem mit der Organdysfunktion. Der neue Score heißt DS-CRB-65. Die Überprüfung anhand der CAPNETZ-Patienten ergab, dass drei von vier Fälle, die trotz CRB-65 = 0 einen ungünstigen Verlauf nahmen, von DS-CRB-65 sicher identifiziert werden.

Vor allem COPD-Patienten sterben an der Pneumonie

Grund dafür war natürlich, dass diese Patienten eine schwerere Erkrankung hatten oder ihre Pneumonie komplizierter verlief. Wichtig ist aber, welche Risikofaktoren dazu geführt hatten: Neben Begleiterkrankungen war dies die Behandlung mit Oralcephalosporinen, erklärte Dr. Kolditz. Und das sei eigentlich auch kein Wunder. „Oralcephalosporine kriegen Sie gar nicht vernünftig dosiert. Sie werden kaum enteral aufgenommen und Sie können sie auch nicht hoch dosieren, weil es dann einen Haufen Nebenwirkungen gibt. Diese Antibiotika sind für relevante Infektionen obsolet!“ Ein hohes Risiko, eine schwere CAP zu entwickeln und daran zu sterben, haben – wen wundert’s – Patienten mit COPD. Ein halbes Jahr nach der Infektion sind 20 % von ihnen tot. Das Risiko ist besonders hoch, wenn kein Erregernachweis gelingt: „Patienten ohne Erregernachweis waren hypoxischer und hyperkapnischer und hatten eine schlechtere Prognose“, so Dr. Kolditz. Bei COPD-Patienten muss man häufiger mit H. influenzae rechnen, obwohl Pneumokokken auch bei ihnen die führenden Erreger sind. Zudem scheint Haemophilus auf dem Vor-, Pneumokokken dagegen auf dem Rückmarsch. Möglicherweise ist dies einer besseren Durchimpfung gegen die Kokken geschuldet.

Herzkranke haben häufiger Klebsiellen

Bei Patienten mit kardiovaskulären oder neurologischen Begleiterkrankungen kommen häufiger mal Klebsiellen vor, „deshalb sollten Sie bei diesen Patienten in der ambulanten Therapie das Betalaktam mit einem Betalaktamase-Inhibitor kombinieren“, betonte der Pneumologe. Legionellen sind bei schweren Erkrankungen immer zu berücksichtigen. 2015 gab es einen Peak bei Pseudomonas-Nachweisen, der verwundert, da dieser Erreger eher eine Rarität bei der CAP ist.

Was nutzen Biomarker?

  • Die inflammatorischen Biomarker CRP und Procalcitonin eignen sich nicht zur initialen Risikostratifizierung, sondern als Verlaufsparameter, mit denen das Therapieansprechen gemonitort werden kann. Neu sind die Stress-Biomarker Proadrenomedullin, Copeptin und Cortisol, die tatsächlich Auskunft über die Prognose geben. „Aber um es ehrlich zu sagen: Wenn Sie eine optimale Stratifizierung nach klinischen Kriterien machen, bringen diese teuren Parameter keine zusätzlichen Informationen“, so Dr. Kolditz.
  • Alltagstauglicher als Biomarker ist der gute alte Blutzucker. Wie bei vielen akut hospitalisierten Patienten findet sich auch unter CAP-Patienten ein relevanter Prozentsatz nicht erkannter Dia­betiker. Und eine Blutglukose über 6 mmol/l (120 mg/dl) bei Aufnahme korreliert mit dem Sterberisiko.

Mykoplasmen gelten als die CAP-Erreger schlechthin bei jungen Patienten ohne relevante Komorbiditäten. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 39 Jahren. Die Pneumonie verläuft zumeist leicht, das Sterberisiko liegt bei Null. Wichtig zu wissen: Mykoplasmen zeigen in Deutschland nahezu keine Makrolidresis­tenz – die Rate in CAPNETZ liegt bei 3 % –, sodass diese Antibiotika ohne Bedenken verordnet werden können.

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In 8 % der Fälle geht die ambulant behandelte Pneumonie doch stationär In 8 % der Fälle geht die ambulant behandelte Pneumonie doch stationär © wikimeida/Hellerhoff