Bariatrische Chirurgie führt auch langfristig zu Erfolgen

Dr. Anja Braunwarth

Skalpell statt Laufschuhen – die bariatrische Chirurgie überzeugt schon eher als eine Lebensstiländerung. Skalpell statt Laufschuhen – die bariatrische Chirurgie überzeugt schon eher als eine Lebensstiländerung. © iStock/Halfpoint und iStock/Difydave

Und wenn Sie sich den Mund fusselig reden: Kaum einer Ihrer adipösen Patienten wird durch Lebensstil­änderung eine anständige Gewichtsreduktion erreichen. Da überzeugt die bariatrische Chirurgie schon eher – wohl auch auf lange Sicht.

Unbestritten lassen sich mit der bariatrischen Chirurgie recht schnell Erfolge in Sachen Gewichtsreduktion erzielen. Doch ob die OP auch dauerhaft überzeugen kann, wusste man bisher nicht. Jetzt erschienen gleich mehrere Studien.

Das Team um Dr. Orna Reges vom Clalit Research Institute in Tel Aviv untersuchte die Gesamtmortalität von 8385 Operierten in jeglicher Technik und 25 155 konservativ Behandelten.1 In der erste Gruppe betrug sie nach median 4,3 Jahren 1,3 %, in der zweiten nach median vier Jahren 2,3 %. Daraus errechneten sich 2,51 weniger Todesfälle pro 1000 Personenjahre im Zuge der chirurgischen Eingriffe und eine Hazard Ratio von 2,02 für das nichtoperative Vorgehen. Sekundäre Analysen ergaben zudem Vorteile durch die OP in Sachen Gewichtsreduktion, Diabetesremission und neuen Hypertonieerkrankungen.

Risiko für Depression, Angst- und Schlafstörungen erhöht

Dr. Gunn Signe Jakobsen vom Morbid Obesity Centre am Vestfolg Hospital Trust in Tønsberg und ihre Kollegen widmeten sich den Langzeitkomplikationen und -komorbiditäten.2 Dazu beobachteten sie 932 bariatrisch versorgte und 956 herkömmlich betreute Patienten über einen Medianzeitraum von 6,5 Jahren. Nach der OP standen die Chancen deutlich besser, einen Bluthochdruck oder Diabetes wieder loszuwerden.

Dafür mussten die Betroffenen damit rechnen, eher an einer Depression, Angst- bzw. Schlafstörung zu erkranken, Opioide zu benötigen oder erneut unters Messer zu kommen. Die Autoren schlussfolgern, dass die Interventionen adipositasbedingte Begleiterkrankungen reduziert, man die Risiken allerdings in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen sollte.

Was die Operationen für Diabetiker langfristig bringen, prüfte eine Gruppe unter Führung des Chir­urgen Dr. Sayeed Ikramuddin von der University of Minnesota in Minneapolis.3 120 übergewichtige Zuckerkranke nahmen an der Studie teil, die Hälfte befolgte nur ein Lebensstilmanagement, die andere unterzog sich zusätzlich einem Roux-en-Y-Magenbypass.

Der primäre Endpunkt hieß: einen HbA1c-Spiegel < 7,0 %, einen LDL-Wert < 100 mg/dl und einen systolischen Blutdruck < 130 mmHg zu erreichen. Ein Jahr später hatten das 50 % der operierten Patienten, aber nur 16 % aus der Vergleichsgruppe geschafft. Nach fünf Jahren lagen die Quoten dann bei 23 % vs. 4 %. Betrachtete man das HbA1c allein, befanden sich zu diesem Zeitpunkt 55 % mit Bypass und 14 % ohne im Zielbereich. Im chirurgischen Kollektiv gab es insgesamt mehr schwere Nebenwirkung, vor allem gastrointes­tinaler Natur und prozedurale Komplikationen wie Strikturen, Dünndarmobstruktionen oder Leckagen.

LDL fällt nach Bypass-OP stärker als mit Magenband

Der Gewichtsverlust hielt sich im Verlauf recht stabil (in Jahr 5: 21,8 % vs. 9,6 %). Insgesamt zeigte sich, dass nach dem Bypass auch langfristig signifikante Unterschiede gegenüber Lebensstilmodifikationen bestehen bleiben, allerdings schwächen sie sich durchaus ab.

Ob sich Bypass und Schlauchmagen (Sleeve Gastrectomy) hinsichtlich der Gewichtsabnahme vergleichen lassen, untersuchten Dr. Paulina Salminen­ von der Division of Digestive Surgery and Urology am Turku University Hospital und ihre Mitarbeiter. Sie wollten wissen, welche Methode nach fünf Jahren die Nase vorn hat.4 Insgesamt 240 Adipöse untersuchten die Wissenschaftler. Bei 121 Schlauchmagenpatienten fand sich ein geschätzter Gewichtsverlust von 49 %, die Bypassoperierten verloren 57 %.

Damit kam das Sleeveverfahen nicht ganz an den Konkurrenten heran, wenngleich die Autoren den Unterschied als klinisch nicht signifikant einordneten. Auch bezüglich der Parameter Remission von Diabetes oder Dyslipidämie, Spätmorbiditäten oder Lebensqualität ermittelten sie keine maßgeblichen Abweichungen. Aber die LDL-Level besserten sich deutlich stärker nach dem Bypass und es gab in dieser Gruppe mehr Patienten, die postoperativ auf ihre Antihypertensiva verzichten konnten.

Bei Dr. Ralph Peterli von der Abteilung für Chirurgie am St. Claraspital Basel und seinem Team schnitt der Schlauchmagen bei 107 Übergewichtigen nicht schlechter ab als der Bypass bei 110 Teilnehmern.5 Der BMI sank innerhalb von fünf Jahren um 61,1 % bzw. 68,3 %. Nach der Sleeve-Anlage musste man allerdings vermehrt mit einer Verschlimmerung eines bestehenden Refluxes rechnen, das betraf fast jeden Dritten. Und etwa genauso viele litten nach dem Eingriff neu unter säurebedingten Beschwerden.

Da etwa die Hälfte aller Adipösen mit OP-Indikation von Haus aus eine gastroösophageale Refluxkrankheit mitbringt, sollte man diesen Umstand präoperativ bei der Entscheidung für das eine oder andere Verfahren berücksichtigen, heißt es in einem Editorial des Internisten Professor Dr. David E. Arterburn und des Chirurgen Dr. Anirban Gupta­ vom Kaiser Permanente Washington Health Research Institute, Seattle.6 

Quellen:
1. Reges O et al. JAMA 2018; 319: 279-290
2. Jakobsen GS et al. A.a.O.: 291-301
3. Ikramuddin S et al. A.a.O.: 266-278
4. Salminen P et al. A.a.O.: 241-254
5. Peterli R et al. A.a.O.: 255-265
6. Arterburn D, Gupta A. A.a.O.: 235-237

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