BCL2-Hemmer überzeugt beim multiplen Myelom nur auf den ersten Blick

Friederike Klein

In vitro konnte Venetoclax die Myelomzellen zerstören. In vitro konnte Venetoclax die Myelomzellen zerstören. © David A Litman – stock.adobe.com

Das multiple Myelom ist noch immer unheilbar. Einige neue Therapien sollen die Krankheitsbiologie daher zielgerichteter als bisher beeinflussen. Mit Venetoclax ist der Ansatz aber fürs Erste schiefgegangen.

Venetoclax ist ein selektiver Inhibitor des Proteins BCL2, das den programmierten Zelltod verhindert. In vitro induzierte der Wirkstoff die Apoptose von Myelomzelllinien und -zellen von Patienten. Als Monotherapie wurde eine Effektivität des Hemmers bei Vorliegen einer t(11;14)-Translokation festgestellt. In Kombination mit Bortezomib und Dexamethason (Bd) konnte diese auch bei einer breiteren Patientenpopulation mit nicht-refraktärem multiplen Myelom nach bis zu drei Vortherapien beobachtet werden, berichtete Dr. Shaji K. Kumar von der Mayo Clinic in Rochester.

Etwa jeder fünfte Patient war MRD-negativ

In der Phase-III-Studie BELLINI verglich man daher randomisiert die Kombination von Venetoclax (800 mg einmal täglich) und Bd (n = 194) mit Placebo-Bd (n = 97) jeweils bis zum Progress. Teilnehmer mussten an einem multiplen Myelom erkrankt und nach 1–3 Vortherapien rezidiviert oder refraktär sein, wobei sie nicht gegenüber Proteasominhibitoren refraktär sein durften.

Die ersten Ergebnisse, die Dr. Kumar vorstellte, waren durchaus positiv: Die Gesamtansprechrate wie auch die Rate eines sehr guten partiellen Ansprechens oder besser waren in der Venetoclaxgruppe signifikant höher als in der Placebogruppe. Eine Freiheit von minimaler Resterkrankung (MRD-Negativität) erreichten bei einer Sensitivität von 10–4 19 % der Patienten unter der Venetoclaxkombination, im Placeboarm waren es nur 3 %.

Überlebensvorteil wird im Kontrollarm schnell deutlich

Das gute Ansprechen resultierte auch in einem fast verdoppelten progressionsfreien Überleben (PFS): Das mediane PFS lag im Verumarm bei 22,4 Monaten gegenüber 11,5 Monaten in der Kontrollgruppe. Dieser Benefit entsprach einer relativen Risikoreduktion für Progress oder Tod um 37 % (p = 0,01), so der Referent. Damit war der primäre Endpunkt erreicht.

Die Daten bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) zeigten in der Interimsanalyse aber ein gänzlich anderes Bild. Schon früh hatten die Teilnehmer in der Kontrolle einen Überlebensvorteil gegenüber Venetoclax-Bd. Das mediane OS ist zwar in beiden Gruppen nicht erreicht, aber die Wahrscheinlichkeit zu versterben war unter Venetoclax verdoppelt (HR 2,02; p = 0,03).

FDA stoppt Rekrutierung

Die Arzneimittelbehörde FDA stoppte wegen der Übersterblichkeit bereits im Frühjahr die weitere Rekrutierung für die BELLINI-Studie. Patienten, die bislang profitiert haben, können die Medikation im Rahmen der Studie aber noch weiter erhalten.1

1. FDA Warns about the risks associated with the investigational use of Venclexta in Multiple Myeloma

Die meisten Todesfälle waren auf Infektionen oder einen Krankheitsprogress zurückzuführen, insbesondere in den ersten sechs Monaten der Studie, erläuterte Dr. Kumar. Besonders betroffen waren Patienten mit Hochrisikozytogenetik, einem höheren Stadium nach dem International Scoring System (ISS), ohne t(11;14) oder mit geringer BCL-2-Expression. Der Experte sieht durchaus weiterhin eine Chance für Venetoclax beim multiplen Myelom. In dieser Indikation wird man sich jetzt auf Personen mit t(11;14) konzentrieren. In dieser kleinen Subgruppe war der PFS-Vorteil mit Venetoclax-Bd besonders ausgeprägt und es wurde keine Übersterblichkeit beobachtet. 

Quellen:
Kumar SK et al. EHA-Kongress 2019; Abstract LBA2601
24. Kongress der European Hematology Association (EHA)

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In vitro konnte Venetoclax die Myelomzellen zerstören. In vitro konnte Venetoclax die Myelomzellen zerstören. © David A Litman – stock.adobe.com