
Operables NSCLC: wie vorgehen?

Gleich zu Beginn seines Vortrags bedauerte Dr. Claas Wesseler vom Asklepios Klinikum Harburg, dass zum Zeitpunkt des DGP-Kongresses noch keine neoadjuvante Therapie für das NSCLC zugelassen war.1 Ein echtes Streitgespräch zu adjuvanten oder neoadjuvanten Konzepten sei daher nicht möglich.
Pro Neoadjuvanz
Das chirurgische Ergebnis müsse man durch (neo)adjuvante Strategien grundsätzlich verbessern, denn: „Die Daten sind im operablen Bereich extrem übersichtlich und schlecht.“ So betragen die Fünf-Jahres-Überlebensraten im Stadium IIIb weniger als 40 %. Während eine alleinige neoadjuvante Chemotherapie pathologische Komplettremissionen (pCR) von nur rund 4 % hervorrief, sehen die Daten zum Einsatz von CPI besser aus: Einarmige Phase-2-Studien mit alleiniger Checkpoint-Inhibition oder in Kombination mit Zytostatika legen nahe, dass sich pCR, ereignisfreies Überleben (EFS) und OS deutlich verbessern lassen, betonte Dr. Wesseler.
Die Neoadjuvanz habe mehrere Aufgaben. Sie
- müsse die Operabilität verbessern,
- dürfe die kurative Operation nicht verzögern und
- dürfe nur zu möglichst wenig therapiebedingten Ausfällen führen.
In der Indexstudie CheckMate 816 wurden die 358 Teilnehmenden mit fortgeschrittenem, nicht-metastasiertem NSCLC nach drei Zyklen einer Neoadjuvanz, bestehend aus Chemo mit oder ohne Nivolumab, operiert. Im Anschluss folgte eine optionale Adjuvanz aus Chemotherapie mit oder ohne Bestrahlung. Die Operationszeiten verkürzten sich durch den zusätzlich gegebenen CPI deutlich: Und zwar bei Patient:innen im Stadium IB/II auf median 169 Minuten vs. 210 Minuten mit alleiniger Chemo. Gleiches galt für Personen im Stadium IIIA (186 Minuten vs. 218 Minuten), die auch mit 83 % vs. 72 % im Prüfarm deutlich häufiger operiert werden konnten. „Das ist wichtig, um das Vorgehen den Chirurgen schmackhaft zu machen“, so Dr. Wesseler.
Darüber gab es unter zusätzlichem Nivolumab weniger Pneumonektomien und geringere Raten an Thorakotomien, die Rate minimalinvasiver Eingriffe erhöhte sich und die Konversion zu einem offenen Eingriff sank. Die Nebenwirkungsrate in den beiden Gruppen fiel ähnlich aus. „Die Immuntherapie vor der Operation ist sicher“, konstatierte Dr. Wesseler.
Gleichzeitig verbesserte sich mit dem CPI die pCR-Rate signifikant auf 24 % vs. 2,2 %. Eine pCR ging mit einem besseren EFS einher – allerdings galt das auch für den Kontrollarm. Das EFS der Gesamtpopulation belief sich nach 24 Monaten auf 64 % vs. 45 %. Mit 85 % vs. 49 % waren die Unterschiede bei Tumoren mit PD-L1-Expression ≥ 50 % noch ausgeprägter. Die Ergebnisse spiegelten sich in einem verbesserten OS mit 24-Monats-Raten von 83 % vs. 71 % wider.
Argumente, die eher für die Neoadjuvanz als für die Adjuvanz sprächen, sei neben den geringeren Kosten, dem verbesserten EFS/OS und kürzeren/kleineren Operationen die höhere Therapieadhärenz. Das belegen bereits ältere Daten aus dem Jahr 2012: Hier erhielten 90,4 % der Patient:innen ein neoadjuvantes Regime mit drei Zyklen Paclitaxel und Carboplatin, während nur 60,9 % adjuvant mit drei Zyklen der geplanten Therapie behandelt wurden. „Sie werden den Betroffenen nach der Operation schlechter überzeugen können, eine Chemotherapie durchzumachen, als vor dem Eingriff“, so Dr. Wesseler.
Zudem spräche für die Neoadjuvanz, dass sich der Tumor noch an Ort und Stelle befindet, sodass die Immuntherapie vielmehr Zielareale angreifen kann als im Falle einer Adjuvanz, wenn der Krebs bereits entfernt wurde. In naher Zukunft werden die Ergebnisse weiterer Studien erwartet, in denen Neoadjuvanz und Adjuvanz kombiniert zum Einsatz kommen. Als Beispiel nannte der Kollege KEYNOTE-671 mit Pembrolizumab.
Fallbeispiel aus der Praxis
Dr. Wesseler präsentierte den Fall eines 73-Jährigen mit nicht-metastasiertem NSCLC im Stadium IIIb und einem gesicherten N2-Lymphknoten. Histologisch handelte es sich um ein Adenokarzinom mit PD-L1-Status (TPS 100 %). Der Tumor, der sich im rechten Unterlappen befand, wies darüber hinaus eine nicht-therapierbare KRASG12V-Mutation auf. Nach einem Sonderantrag bei der Krankenkasse, die diesem aufgrund des Arguments der geringeren Kosten von drei Zyklen neoadjuvantem Nivolumab gegenüber zwölf Zyklen adjuvantem Atezolizumab zustimmte, führten die Kolleg:innen eine neoadjuvante Immuntherapie durch – und zwar als Monotherapie. Die Chemo entfiel, da der Patient eine Blasen-Darm-Fistel aufwies. Das Stadium IIIb des Tumors verringerte sich nach 3 Zyklen Nivolumab auf das Stadium IB (ypT2a ypN0 L0 V0 R0).
Pro Adjuvanz
PD Dr. Florian Fuchs vom Uniklinikum Erlangen entgegnete in seinem Vortrag, dass eine technische Operabilität nicht gleichzusetzen sei mit einer onkologisch sinnvollen Operabilität.2 Zu dem von Dr. Wesseler präsentierten Fallbeispiel (s. Kasten) sagte er, dass der Patient sich aufgrund der Komorbidität nicht für die CheckMate-816-Studie eigne, und dass hier die Idee der neoadjuvanten Chemoimmuntherapie nicht realisierbar sei. Der Switch auf die alleinige Immuntherapie wäre zwar elegant, allerdings gebe es bessere Daten zu adjuvantem Atezolizumab im Setting eines PD-L1-Status von 100 %.
Wie der Referent hervorhob, handele es sich bei CheckMate 816 um eine „Stadium-IIIA-Studie“, denn zwei Drittel der Teilnehmenden fielen in diese Kategorie. Subgruppenanalysen legten nahe, dass neoadjuvantes Nivolumab in den frühen Stadien keinen Vorteil bringt. Und: Nur 85 %, die den CPI + Chemotherapie vor dem Eingriff erhalten hatten, wurden letztendlich operiert. Eigentlich sollte die Rate 100 % betragen, da alle Betroffenen als primär operabel eingestuft worden waren. „Im Stadium IIIA lasse ich mir das ja noch gefallen, dass irgendetwas passiert, aber die 85 % beziehen sich auf Stadium IB/II, das wir auf alle Fälle operieren wollen würden“, so Dr. Fuchs. Das Konzept aus CheckMate 816 dürfe man daher nicht nach dem Gießkannenprinzip anwenden.
Darüber hinaus erzielten nur 19 der 65 Erkrankten im Stadium Ib/II eine pCR. „46 Patient:innen haben also nicht profitiert“, konstatierte Dr. Fuchs. Die Daten zum OS seien noch nicht reif und es stelle sich die Frage, ob frühe Stadien tatsächlich einen Vorteil aus der Neoadjuvanz ziehen.
Der Referent präsentierte als Argument für eine Adjuvanz die IMpower010-Studie, in der Atezolizumab vs. best supportive care nach bis zu vier Zyklen Chemotherapie geprüft wurde. In der Gruppe mit PD-L1 ≥ 50 % lebten nach fünf Jahren noch 84,8 % vs. 67,5 % der Teilnehmenden in Prüfarm vs. Kontrolle. Für Personen mit EGFR-Mutation kommt wiederum adjuvantes Osimertinib – ohne obligate adjuvante Chemotherapie – infrage. Aktuelle Daten von ADAURA belegen einen starken OS-Vorteil durch diese Strategie.
Für Erkrankte ohne EGFR-Alteration und niedrigem PD-L1-Status sind die Ergebnisse der Keynote-091-Studie mit adjuvantem Pembrolizumab vs. Placebo relevant. Zwar hätten manche Subgruppen nicht so profitiert wie erwartet, insgesamt fallen die Daten aber positiv aus, erläuterte Dr. Fuchs. Und: Personen mit Tumoren in frühen Stadien zogen einen größeren Vorteil aus der Adjuvanz als diejenigen im Stadium IIIA.
Nach Ansicht des Referenten eignen sich adjuvante Konzepte besser, wenn präoperativ keine pN2-Situation bekannt ist oder wenn sich eine innovative adjuvante Option abzeichnet – beispielsweise EGFR+, PD-L1 ≥ 50 %. Denn: Der Eingriff werde nicht verzögert, es drohe keine Toxizität einer neoadjuvanten Behandlung und es sei eine exakte Tumorcharakterisierung im therapienaiven Resektat möglich. Kritisch diskutieren müsse man in Zukunft den Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie, forderte Dr. Fuchs.
Quellen:
1. Wesseler C. 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.; „Operables NSCLC – Vorteile der neoadjuvanten Therapie“
2. Fuchs F. 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.; „Operables NSCLC – adjuvantes Therapiekonzepte besser“
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