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PD-L1 als Pförtner zur Immuntherapie

Für die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ist der Fall klar: Alle Patienten mit Adenokarzinom im Magen oder Ösophagus bzw. mit Speiseröhrentumoren können von der Ergänzung einer Chemotherapie durch die Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab bzw. Pembrolizumab profitieren. Entsprechend sind die Substanzen in den USA zur Erstlinienbehandlung dieser Krebsarten unabhängig von etwaigen Biomarkern zugelassen. Obwohl sie sich auf dieselben Studien stützte, bewertete die europäische Behörde EMA die Daten anders – und erlaubte den Einsatz der Immuntherapien nur, wenn der Anteil der PD-L1-positiven Tumor- und Immunzellen, der sogenannte CPS, mindestens 5 %, wenn nicht sogar 10 % beträgt.
Deutscher Experte sieht gute Gründe für Differenzierung
Eine Entscheidung, die Prof. Dr. Florian Lordick vom Universitären Krebszentrum Leipzig gut nachvollziehen kann. Aus der Keynote-590-Studie gehe hervor, dass Patienten mit einem PD-L1-CPS ≥ 10 durch die Addition von Pembrolizumab zur Chemotherapie ein um 38 % verringertes Sterberisiko hätten. Personen mit niedrigerem Score erreichten dagegen kein signifikant besseres OS – bei ihnen betrug die Hazard Ratio 0,86 mit einem 95%-KI von 0,68–1,10. „Das heißt, Pembrolizumab ist nicht effektiv, wenn der PD-L1-CPS unter 10 liegt“, so Prof. Lordick.
Das sei auch in der CheckMate-648-Studie mit Nivolumab, in die Erkrankte mit Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre (ESCC) eingeschlossen waren, so gewesen. Dort erfuhren Teilnehmer mit einem PD-L1-positiven Anteil an Tumorzellen (TPS) < 1 % keinen Mehrwert durch den zusätzlich gegebenen Checkpoint-Inhibitor (HR 0,98). Die HR für Betroffene mit TPS ≥ 1 % hingegen betrug 0,54.
Der Blick in die Subgruppen hielt der Experte auch bei Tumoren im Magen und am gastroösophagealen Übergang für wichtig. In der entsprechenden Studie – CheckMate-649 – seien deutliche Effekte mit Nivolumab nur in der Personengruppe mit CPS ≥ 5 zu beobachten gewesen. Und: „Auch für Patienten mit CPS zwischen 1 und 4, die etwa ein Fünftel der Studienpopulation ausgemacht hatten, gab es keinen Vorteil hinsichtlich des allgemeinen und progressionsfreien Überlebens“, betonte Prof. Lordick.
Also kein belegter Nutzen für Betroffene mit niedrigem PD-L1-Status – dafür aber hohe Kosten. Denn über die mediane progressionsfreie Zeit von 7,5 Monaten kämen für Erkrankte mit CPS < 5 rund 100.000 US-Dollar zusammen. Auch wenn die PD-L1-Grenzwerte nicht ideal erscheinen, seien sie heutzutage das Beste, um unnütze Checkpoint-Inhibitionen zu vermeiden, so das Fazit des Referenten. Man brauche aber sicher neue Strategien, um Immuntherapien im Fall einer niedrigen PD-L1-Expression zu untersuchen.
„Kein zuverlässiges und aussagekräftiges Hilfsmittel“
Härter mit dem PD-L1 ins Gericht ging Prof. Dr. Aaron Scott vom University of Arizona Cancer Center in Tucson. Für ihn stellt der Biomarker unterm Strich kein zuverlässiges und aussagekräftiges Hilfsmittel dar, um wichtige Therapieentscheidungen treffen zu können. Der Vorhersagewert sei u.a. durch die verschiedenen PD-L1-Assays nur schwer zu beurteilen, kritisierte er. Zudem sei die PD-L1-Expression sehr dynamisch. Sie variiere räumlich und zeitlich, weshalb man auch bei ein und demselben Patienten eine gewisse Heterogenität finde. Zudem seien Krebserkrankungen komplex – und auch weitere Faktoren als der PD-L1-Status entscheidend.
Seit 2019 seien 14 große randomisierte Untersuchungen zur Sicherheit und Wirksamkeit von immunonkologischen Therapien als Erstlinie für metastasierten/fortgeschrittenen Magen- und Speiseröhrenkrebs hinzugekommen, sagte Prof. Scott. Als Beispiele mit positiven Ergebnissen für Erkrankte mit CPS < 1 nannte er die Orient-15- und Jupiter-06-Studien zum ESCC, in denen die HR bei den Betroffenen ca. 0,6 betrug – und damit im Bereich der Subgruppe von Patienten mit CPS > 10 in Keynote-590 lag.
Für Prof. Scott ist der Marker daher kein Prädiktor für das Therapieansprechen. Das verdeutlichte er auch an einem Beispiel aus seiner eigenen Praxis: Der Patient mit Adenokarzinom am gastroösophagealen Übergang war PD-L1-negativ, erhielt aber trotzdem eine FOLFOX-Chemotherapie plus Nivolumab. Schon nach drei Zyklen waren Odynophagie, Schmerzen, Gewichtsverlust und Fatigue verschwunden.
„Patienten und Ärzte wollen und brauchen Optionen“, mahnte der Referent. Verzögere sich durch den PD-L1-Status die Therapie, könne das zudem Konsequenzen für das Outcome haben.
Ein Blick in die Zukunft der Checkpoint-Inhibitoren
Quelle: 2022 ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium
Quelle: Lordick F, Scott AJ, Rha SY. ASCO-GI 2022; Session: Immunotherapy for Gastroesophageal Cancer
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