Schmerzen durch Knochenmetastasen: Nicht warten, bis die Radiotherapie greift

Ulrike Viegener

Bei dieser 60-Jährigen 
haben sich die Filiae 
eines Ohrspeicheldrüsenkarzinoms in Hüfte und Wirbelsäule reingefressen. Bei dieser 60-Jährigen 
haben sich die Filiae 
eines Ohrspeicheldrüsenkarzinoms in Hüfte und Wirbelsäule reingefressen. © wikipedia.org/Mikael Häggström

Schmerzen, die durch Knochenmetastasen verursacht werden, sind leicht mit degenerativen Gelenkbeschwerden zu verwechseln. Nicht wenige Betroffene haben eine lange Leidensgeschichte hinter sich, bevor sie adäquat behandelt werden. Bei lokalisierten Schmerzen im Bewegungsapparat sollten Sie deshalb auch an ossäre Absiedelungen denken.

Beim Mammakarzinom ist es keine Seltenheit, dass noch nach vielen Jahren Knochenmetastasen auffallen. Auch andere Malignome können zu einer späten Metastasierung in das Knochenskelett führen. Deshalb sollte man auch nach weiter zurückliegenden – eventuell sogar als geheilt geltenden – Krebserkrankungen fragen.

Knochenschmerzen beginnen meist unspezifisch. Verändert sich die Intensität bei Lageveränderung nicht, kann dies auf Knochenmetastasen hinweisen – ebenso wie die fehlende Abhängigkeit vom Tagesverlauf. Oft leiden die Betroffenen unter Schlafstörungen. Auch tagsüber beeinträchtigen die progredienten Schmerzen, die nicht selten „unerträgliche“ Ausmaße annehmen, die Lebensqualität massiv.

Beschwerden in jeder Lage und den ganzen Tag über

Meist sind Schmerzen im Achsen­skelett das Leitsymptom, das zur weiteren diagnostischen Abklärung führt. Zunächst sollte eine Skelettszintigraphie erfolgen, die eine hohe Sensitivität von über 80 %, aber nur eine geringe Spezifität von unter 80 % besitzt. Werden multiple Herde entdeckt, handelt es sich in nahezu 100 % der Fälle um Knochenmetastasen. Bei einzelnen Herden ist dies nur zu rund 50 % der Fall. Vor allem bei Knochenmarkkarzinose und osteolytischen Metastasen können die Befunde falsch negativ sein.

Ein auffälliges Szintigramm verlangt immer nach einer weiteren Abklärung. Zur Diagnosesicherung werden bei Verdacht auf Knochenmetastasen auch heute noch häufig normale Röntgenaufnahmen verwendet. Allerdings besitzt diese Methode – bei hoher Spezifität von 97 % – nur eine geringe Sensitivität von rund 70 %. Deshalb sollten aussagefähigere neue Verfahren bevorzugt werden. Computertomographie und Kernspintomographie besitzen etwa denselben Stellenwert. Zur Beurteilung der Dignität ist eher das MRT geeignet, während sich im CT das Frakturrisiko besser einschätzen lässt.

Sensible Nervenfasern im gesamten Knochen

Mittels Strahlentherapie lassen sich Knochenmetastasen zur Rückbildung bringen und es wird in vielen Fällen – im Achsenskelett häufiger als im Röhrenknochen – eine Remineralisierung erreicht. Die Schmerzen gehen entsprechend zurück. Dies kann innerhalb einer Woche geschehen, aber auch einige Wochen dauern. Die Ansprechrate in puncto Knochenschmerzen liegt bei 80 bis 90 % mit Komplettremissionen in etwa der Hälfte der Fälle.

Angesichts der oft starken Beschwerden ist es aber nicht vertretbar zuzuwarten, bis sich Metastasenschmerzen durch die Strahlentherapie gebessert haben. Erster Schritt ist vielmehr eine Pharmakotherapie, die umgehend nach Entdeckung der ossären Filiae eingeleitet werden sollte. Knochenschmerzen sind komplexe Syndrome, bei denen mechanische, entzündliche und humorale Faktoren zusammenspielen.

Schmerzfrei bei ossären Metastasen

  •  frühzeitig eine Kombination aus zentral wirksamen Opioiden (Oxycodon, Hydromorhon) und NSAR (COX-1-, COX-2-Hemmer) geben
  • Antikonvulsiva als Koanalgetika bei neuropathischem Schmerz (Pregabalin, Gabapentin) 
  • Osteoprotektiva als Dauertherapie (Bisphosphonate, Denosumab)

Die ossäre Instabilität spielt ebenso eine Rolle wie die sauren Metabolite, die in großen Mengen beim Abbau der Knochenmatrix entstehen. Außerdem werden bei der Tumorabwehr proinflammatorische Mediatorsubstanzen freigesetzt. Im Vordergrund stehen nozizeptor-vermittelte Schmerzen, oft ist aber zusätzlich von neuropathischen Anteilen auszugehen. Die lange vertretene Ansicht, nur das Periost sei mit sensiblen Nervenfasern ausgestattet, ist falsch. Auch Endost, Knochenmark und mineralisierte Matrix sind von Neuronen durchzogen, die Schmerzimpulse generieren können. Der komplexen Pathogenese entsprechend werden bei der Behandlung von Knochenschmerzen in der Regel verschiedene Wirkstoffe kombiniert. Frühzeitig und konsequent sollten zentral wirksame Opioide zum Einsatz kommen. Zusätzlich werden nicht-steroidale Antirheumatika gegeben, um eine Aktivierung der Nozizeptoren zu verhindern und entzündliche Schmerzmechanismen auszuschalten. Als Koanalgetika zur Behandlung der neuropathischen Komponente stehen Pregabalin und Gabapentin zur Verfügung.

Vor der Bisphosphonat-Therapie zum Zahnarzt

Osteoprotektiva sind ein weiterer wichtiger Baustein im therapeutischen Konzept. Sie bremsen die Osteoklastenaktivität und tragen durch die Stabilisierung des Knochens maßgeblich zur Schmerzreduktion bei. Der analgetische Effekt ist sowohl für Bisphosphonate als auch für den humanen RANK-Ligand-Antikörper Denosumab gut belegt. Alle Patienten mit Knochenmetastasen sollten Osteoprotektiva deshalb als Dauertherapie erhalten, die in der Regel gut vertragen wird. Allerdings wurden sowohl unter Bisphosphonaten als auch unter Denosumab Kieferosteonekrosen beschrieben. Um diese zwar seltene, aber gravierende Komplikation zu vermeiden, sind vor Therapiebeginn in jedem Fall eine zahnärztliche Untersuchung und bei Bedarf eine Sanierung angezeigt.

Diel IJ. Schmerzmedizin 2017; 33: 20-25

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Bei dieser 60-Jährigen 
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eines Ohrspeicheldrüsenkarzinoms in Hüfte und Wirbelsäule reingefressen. Bei dieser 60-Jährigen 
haben sich die Filiae 
eines Ohrspeicheldrüsenkarzinoms in Hüfte und Wirbelsäule reingefressen. © wikipedia.org/Mikael Häggström