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Schwangere von Schmerzen befreien

Schwangere Frauen haben oft „Rücken“, darüber sind sich Ärzte wie Betroffene sicher einig. Doch einfach ein Analgetikum einwerfen geht nicht. Wie Sie die Leiden Ihrer Patientinnen lindern können, erklärt die Hausärztin und aktuelle DEGAM-Präsidentin Professor Dr. Erika Baum aus Biebertal.
Rückenschmerzen
Hinter dumpfen und ziehenden Schmerzen im Lumbalbereich könnten Wehen oder Anzeichen von Schwangerschaftskomplikationen stecken. Bei unspezifischen Nacken- und Kreuzschmerzen sollen die Frauen die Stellen gemäß Prof. Baum wärmen, sich vorsichtig dehnen und bewegen (Walking oder Fahrradfahren). Auch der Physiotherapeut kann weiterhelfen, weshalb Sie die Maßnahmen großzügig verordnen dürfen.
Kopfschmerzen
Gerade bei Schwangeren muss auf die red flags der Kopfschmerzen geachtet werden. Mitunter handelt es sich dabei um ein Symptom einer potenziell gefährlichen Erkrankung. Deshalb Augen auf z.B. bei:
- plötzlichem Schmerzbeginn, der binnen < 1 min sein Maximum erreicht,
- neu auftretenden schweren Kopfschmerzen,
- orthostatischem Kopfschmerz,
- neuartiger Aura, z.B. Dauer > 1 h, n anhaltenden Sehstörungen.
Aufgrund der dünnen Datenlage müssen vor jeder Medikation die Risiken und der Nutzen streng gegeneinander abgewogen werden!
Allgemein verbessert sich Migräne eher im Zuge einer Schwangerschaft. Leider nicht, wenn sie mit Aura daherkommt. Zur Migräneprophylaxe verweist Prof. Baum auf einen englischen Artikel. Die Autoren empfehlen ASS 75 mg/d bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Alternativ stehen Betablocker (Propranolol 10–40 mg dreimal täglich) und Amitryptilin (abends 10–25 mg) zur Verfügung. Für akute Anfälle können Kollegen kurzzeitig auf Antiemetika wie Cyclizin, Domperidon oder Ondansetron zurückgreifen.1
Auch Paracetamol kann eingenommen werden. Allerdings fanden sich in neueren Arbeiten Zusämmenhänge zwischen der Einnahme und einem erhöhten Risiko für Asthma und Atemwegserkrankungen im Kindesalter sowie möglicher Unfruchtbarkeit bei Jungen. Auf Nachfrage betonte Prof. Baum nochmals, dass Analgetika nur bei sehr starken Schmerzen eingesetzt werden sollten. Besser seien Allgemeinmaßnahmen wie Ruhe, kalte Umschläge oder Pfefferminzöl auf die Stirn (cave Stillzeit, kann zu Atemwegsspasmen beim Kind führen).
Schmerzen in Bauch und Oberbauch
Kommt es zu akuten starken Schmerzen oder nehmen diese rasch zu, sollten Schwangere umgehend in die Klinik. Die Appendizitis zeigt sich bei ihnen oft weniger ausgeprägt bzw. atypisch. Im Falle einer Kolik rät Prof. Baum zu Sono und Labor (Leber, Niere, Blutbild, CRP). NSAR kann man bis Eintritt ins 3. Trimester problemlos geben. Gegen Obstipation hilft Macrogol und bei der Analfissur mit Spasmus kann man es mit Lidocaincreme versuchen.
Klagen die Damen über einen Reflux, empfiehlt die Referentin ein Antazidum. Bei einer Gastroenteritis kommen dann wieder bewährte Hausmittel wie Nudelsuppe, Kartoffeln mit Karotten oder ein geriebener Apfel ins Spiel. „Mein Tipp: auf ein Glas Mineralwasser einen Esslöffel O-Saft plus Salzstangen. Das schmeckt auch besser als sämtliche Elektrolytlösungen.“ Was natürlich immer gelten sollte, ist eine gute Handhygiene – in der gesamten Familie. Zudem könnte hinter Oberbauchbeschwerden ein HELLP*-Syndrom stecken. „Deshalb eher mal ein Blutbild machen“, so Prof. Baum.
Welche Medikamente sind erlaubt?
- Analgetika nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung: Paracetamol, NSAR im 1. und 2. Trimenon (danach droht Ductusverschluss)
- Supplemente: B-Vitamine, Magnesium und ggf. bei Mangel Eisen und Jod (200 µg/d)
- Antibiotika: Penicilline, ältere Cephalosporine, Makrolide
- Antihypertonika: Dihydralazin, Methyldopa und ggf. Betablocker oder Kalziumantagonisten
- Cave ACE-Hemmer und AT1-Blocker!
- Heparin, Insulin
- mit Asthmasprays (Betamimetika, Budesonid) nicht knausern, Folgen eines Anfalls wären für den Fetus fataler
- kleinflächige lokale Kortikoide inkl. nasale Applikation
- Antiemetika: Ingwer, Dimenhydrinat (nicht im 3. Trimenon), Metoclopramid
- bei Thyroxin Dosis anpassen
Beinbeschwerden
Woran denken Sie als erstes, wenn Frauen „Bein“ haben? An Wassereinlagerungen, nicht wahr? „Gegen dicke und schmerzende Beine helfen Hausmittel. Abends die Füße hochlegen, Bürstenmassage herzwärts, Abduschen“. Auch bequeme Schuhe, ggf. mit Einlagen, Pendelübungen fürs Kniegelenk oder einfaches Radfahren lindern die Beschwerden. Ebenso kann die Karte Physio gezückt und Kompressionsstrumpfhosen bzw. Unterschenkelstrümpfe Klasse 2 verordnet werden. Tipp: Schwangerschaft als Indikation aufs Rezept schreiben. Das alles ist freilich erst indiziert, wenn Sie mit Sicherheit eine Phlebothrombose ausgeschlossen haben. Also braucht es „erstmal eine genaue Diagnose“, sagt Prof. Baum. Gibt es Anzeichen einer Thrombose? Besonders im 3. Trimenon bis sechs Wochen nach der Geburt ist das Risiko vierfach erhöht. Zudem besteht eine größere Gefahr für eine Embolie oder ein postthrombotisches Syndrom. Wells-Score und D-Dimer-Test werden Ihnen bei der Spurensuche allerdings kaum helfen, da sie für Schwangere unzuverlässige Werte ausgeben. Liegt ein begründeter Thromboseverdacht vor, sollte man sofort niedermolekulares Heparin geben (bis mindestens sechs Wochen postpartal), einen Kompressionsverband anlegen und den Gefäßdoppler veranlassen. Letzterer muss ggf. nach drei Tagen wiederholt oder ein MRT angeschlossen werden. Heiß diskutiert wurden das Thema Thrombophilie und die Indikation zur Thromboembolieprophylaxe. Prof. Baum sprach sich eher dafür aus, besonders wenn Frauen noch ein weiteres Kind möchten. Ein systematisches Review kam zu dem Schluss, dass Schwangere mit Antithrombin-, Protein-C- oder Protein-S-Mangel bzw. einer homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation vor und/oder nach der Entbindung eine Prophylaxe erhalten sollten.2* Präeklampsie + Hämolyse (H) + erhöhte Leberenzyme (EL) + Thrombozytopenie (LP= low platelet count)
Quellen:
1. Jarvis S et al. BMJ 2018; 360: k80
2. Croles FN et al. BMJ 2017; 359: j4452
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