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Screening auf Vorhofflimmern?

Unerkanntes sowie gar nicht oder unzureichend behandeltes Vorhofflimmern (VHF) ist eine häufige Ursache von Schlaganfällen. Da die VHF-Prävalenz ansteigt, wächst auch das Potenzial, das Apoplexrisiko durch eine Antikoagulation zu senken.
Durch ein ausgedehntes Screening ließen sich gefährdete Patienten identifizieren, um anschließend bei ihnen eine Antikoagulation einzuleiten, ist Dr. Mark Lown von der Universität im britischen Southampton überzeugt. Dass dies tatsächlich die Zahl VHF-bedingter Schlaganfälle reduzieren könne, gehe aus einer Kohortenstudie mit 5555 asymptomatischen Patienten hervor, bei denen zufällig ein Vorhofflimmern diagnostiziert worden war. Patienten, die daraufhin mit Antikoagulanzien behandelt wurden, wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe ein signifikant niedrigeres Schlaganfallrisiko auf (4 % versus 1 % in nur 1,5 Jahren), beschreibt der Kollege die Erfolge derartiger Maßnahmen.
Erst das Kosten-Nutzen-Verhältnis klären
Die Untersuchung sei nicht-invasiv und zugleich kostengünstig. Mit automatisierten Algorithmen detektiere das Einkanal-EKG ein Vorhofflimmern mit hoher Sensitivität und Spezifität bei geringem Arbeitsaufwand. Das Risiko für falsch positive Ergebnisse könne durch erfahrene Untersucher minimiert und falsch negative Befunde durch wiederholtes Screening vermieden werden.
Offenbar wird ein VHF-Screening (2 x tgl. über 14 Tage) sehr gut angenommen, wie der Autor anhand der Ergebnisse aus der Strokestop-Screening-Studie belegt. Nur 1 % der Teilnehmer lieferte demnach innerhalb der zwei Wochen weniger als 15 EKG-Aufzeichnungen. Bei 3 % der gescreenten Personen wurde ein Vorhofflimmern neu entdeckt. Mehr als 90 % der Betroffenen akzeptierte auch die Konsequenz einer Therapie mit Antikoagulanzien.
Die Voraussetzungen für ein Screening-Programm seien beim Vorhofflimmern zwar ohne Frage erfüllt: Bei der Erkrankung handele sich um ein wichtiges und häufiges Gesundheitsproblem, das sich mit einer einfachen Untersuchung erfassen lasse. Und es existiere eine wirksame Therapie.
Aber bisher habe man keine belastbaren Daten, die den gesundheitlichen Vorteil des Screenings belegen und ausreichende Informationen für die erfolgreiche Umsetzung liefern, gibt Dr. Patrick Moran vom Trinity College in Dublin zu bedenken. Und damit seien wichtige Fragen unbeantwortet: Welche Auswirkungen hat das Screening auf das Schlaganfall-Outcome? Welche Strategie soll man wählen? Wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis solcher Reihenuntersuchungen aus? Dabei müsse man auch die Risiken im Blick haben: drohende Überdiagnosen und -behandlungen, das Blutungsrisiko durch die Antikoagulanzien, die allgemeinen negativen Folgen der Diagnose für den Betroffenen.
Bevor die Evidenzlücken nicht geschlossen seien, solle man den Eifer, kostenintensive VHF-Screening-Programme zu starten, zügeln. Denn es liefen ja derzeit Studien, die Antworten auf offene Fragen bringen dürften. Und falls die Ergebnisse dieser Untersuchungen gegen das VHF-Screening sprechen, könnte es schwierig werden, laufende Programme wieder zu stoppen.
Quelle: Lown M, Moran P. BMJ 2019; 364: I43
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