Antiarrhythmika: Die Dinos des Vorhofflimmerns

Dr. Angelika Bischoff

Patienten mit VHF versterben mit Abstand am häufigsten aus kardialer Ursache. Patienten mit VHF versterben mit Abstand am häufigsten aus kardialer Ursache. © iStock/Svisio

Es ist noch nicht so lange her, dass man in der Therapie von Vorhofflimmern mit Digitalis und Chinidin auskommen musste. Ersteres spielt auch heute noch eine wichtige Rolle. Von den älteren Antiarrhythmika hat vor allem Amiodaron noch einen Platz.

Ein wichtiges Therapieprinzip bei Vorhofflimmern (VHF) ist und bleibt die langfristige Kontrolle der Frequenz, erklärte Professor Dr. Johann Bauersachs, von der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Womit man die Frequenz senkt, hängt von der linksventrikulären Funktion ab.

Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion können Betablocker oder Digoxin erhalten. Liegt die Ejektionsfraktion ≥ 40 %, kommen auch Diltiazem oder Verapamil in Betracht. Die Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt zudem, bei Bedarf frühzeitig zu kombinieren. Ohne Herzinsuffizienz sollte die Zielfrequenz < 110 Schläge/min betragen.

Erhöhte Mortalität durch Digoxin infrage gestellt

Für Herzschwache im Sinusrhythmus gilt ganz klar: Je schneller der Puls, desto schlechter die Prognose. Deshalb soll die Herzfrequenz bei ihnen möglichst unter 60 Schlägen/min liegen. Eine solche Beziehung gibt es bei gleichzeitigem VHF nicht. Diese Fälle profitieren daher nicht von Betablockern und es bleibt unklar, wie tief man die Frequenz bei ihnen überhaupt senken soll. Die derzeitige Empfehlung von ≤ 80 Schlägen/min steht auf schwachen Füßen, so der Experte.

Zum Einfluss von Digoxin auf die Mortalität gibt es widersprüchliche retrospektive Analysen aus großen Studien mit oralen Antikoagulanzien. Manche davon fanden eine erhöhte Mortalität und damit große Aufmerksamkeit in den Medien. Prof. Bauersachs gab zu bedenken, dass VHF-Patienten mit Digitalis-Therapie a priori kränker seien als diejenigen ohne. Für diesen Unterschied könne in retrospektiven Analysen trotz statistischer Tricks überhaupt nicht sauber kontrolliert werden. Nur mit prospektiven Studien lässt sich die Frage deshalb beantworten. Wenn man solche gut kontrollierten Studien heranzieht, bleibt von der vermeintlich erhöhten Mortalität nichts mehr übrig.

Professor Dr. Stefan Hohnloser­, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Nephrologie, Universitätsklinik Frankfurt, wies darauf hin, dass Patienten mit VHF mit Abstand am häufigsten aus kardialer Ursache versterben, und viel seltener, als häufig gedacht, an einem Schlaganfall. Dabei steht der plötzliche Herztod im Vordergrund: „Das dürfen wir in der Therapie des Vorhofflimmerns nicht ganz vergessen“.

Herzglykoside nicht zu hoch dosieren

Prof. Bauersachs warnte davor, den in der ESC-Leitlinie genannten Dosisrahmen für Digitoxin (bis 0,3 mg) auszuschöpfen. Man sollte nicht über 0,1 mg hinaus gehen, um Toxizität zu vermeiden. Bei Digoxin gilt: nicht mehr als 0,2 mg. Eine Spiegelkontrolle ist erst sinnvoll, wenn nach der Aufsättigungsphase eine stabile Dosis erreicht ist. Der empfohlene Digoxin-Spiegel liegt zwischen 0,5-0,9 ng/ml und der Digitoxin-Spiegel bei 8–18 ng/ml.

Amiodaron wird oft wegen Nebenwirkungen abgesetzt

Eine einzige bereits vor 13 Jahren publizierte prospektive Studie stellte bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern nach elektrischer Kardioversion Sotalol und Amiodaron direkt gegenüber. Tatsächlich ließ sich die Testhypothese bestätigen, dass Amiodaron das Wiederauftreten der Rhythmusstörung signifikant effektiver verhindert als Sotalol und Placebo. Auch Sotalol war signifikant wirksamer als Placebo. Die kardiovaskuläre Mortalität stand im Fokus einer weiteren Studie, die bei Herzinsuffizienten Rhythmuskontrolle mit Frequenzkontrolle verglich. Es fand sich kein Unterschied in der Mortalität. Anders sah das in einer neueren retrospektiven Untersuchung an Vorhofflimmerern ohne strukturelle Herzerkrankung aus. Das Risiko, zu versterben, lag in der Amiodaron-Gruppe höher als in der Gruppe ohne Antiarrhythmika. Möglicherweise war dies auf Nebenwirkungen zurückzuführen, so Prof. Hohnloser. Etwa 15 % der Patienten erleiden im ersten Jahr einer Amiodaron-Therapie eine Nebenwirkung, die zum Absetzen zwingt, im weiteren Verlauf steigt jeder Zweite aus. Es handelt sich meist um extrakardiale Manifestationen an allen möglichen Organsystemen. Häufig gibt es auch Sinusbradykardien, die einen permanenten Schrittmacher erfordern (5 % pro Jahr). Entscheidend für das Auftreten von Nebenwirkungen ist die kumulative Dosis. Deshalb muss die Substanz so niedrig wie möglich dosiert werden. Stabile Patienten können z.B. ein oder zwei Tage in der Woche mit der Medikation pausieren.

„Wir stellen niemanden mehr auf Sotalol ein“

Unter Sotalol sind Torsade-de-pointes-Tachykardien am meisten gefürchtet. Sie treten unvorhersehbar auf, 20 % sistieren nicht spontan und degenerieren in ein meist tödliches Kammerflimmern. „Sotalol geht klar mit einer Übersterblichkeit einher“, erklärte der Kardiologe. Die Substanz hat zwar in der Leitlinie für Patienten ohne strukturelle Herzkrankheit oder mit KHK noch eine Empfehlung. „Wir stellen keinen Patienten mehr neu darauf ein“, betonte Prof. Hohnloser. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz gibt es nur die Wahl zwischen Amiodaron und Katheter­ablation.

Quelle: 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

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Patienten mit VHF versterben mit Abstand am häufigsten aus kardialer Ursache. Patienten mit VHF versterben mit Abstand am häufigsten aus kardialer Ursache. © iStock/Svisio