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Blick auf die Nieren

Zwischen 20 % und 40 % der Patient:innen mit Multiplem Myelom weisen zum Zeitpunkt der Diagnose eine Nierenfunktionsstörung auf. Gemäß den IMWG-Kriterien wird sie in dieser Situation definiert als erhöhtes Serumkreatinin (> 2 mg/dl) oder eine verringerte Kreatinin-Clearance (< 40 ml/min), die als Resultate der hämatologischen Erkrankung auftreten. Eine akute Nierenbeteiligung ist ein unabhängiger negativer prognostischer Faktor, konstatierte Dr. Dr. Claudio Cerchione, Istituto Scientifico Romagnolo per lo Studio e la Cura dei Tumori (IRST) IRCCS, Meldola FC. Ältere Personen mit Multiplem Myelom und chronischer Nierenerkrankung (CKD) seien in klinischen Studien unterrepräsentiert; laut einer großen Beobachtungsstudie weisen sie eine erhöhte Mortalität auf und leiden häufiger unter Anämie, Hyperkalzämie und Progression der CKD. Die Ätiologie einer „Myelom-Niere“ wurde ausführlich beschrieben als sekundäres Ereignis aufgrund multipler klinisch-pathologischer Mechanismen, darunter monoklonale freie Leichtketten (FLC), die renale Strukturen schädigen, so der Referent.
Die richtige Behandlung
Wichtig für die Betroffenen sei die supportive Behandlung. An erster Stelle stehe hierbei eine ausreichende Hydratation und die Kontrolle der Hyperkalzämie. Die Gabe von Flüssigkeit (ca. 2 l/m2/d) sei essenziell, um die Konzentration der klonalen Leichtketten temporär in den Nierentubuli zu verdünnen. Vermeiden sollte man, den Patient:innen potenzielle nephrotoxische Substanzen wie nicht-steroidale Antirheumatika oder Aminoglykoside zu geben.
Welche Medikamente erfordern eine Dosisanpassung?
- Thalidomid: Eine eingeschränkte Nierenfunktion hat keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik; Clearance-Parameter von Patient:innen mit Nierenversagen ähneln denen von Personen mit normaler renaler Funktion; eine Dosisanpassung während der Dialyse ist nicht notwendig.
- Lenalidomid: Wird in relevantem Ausmaß über die Nieren ausgeschieden, was eine Dosisanpassung je nach renaler Funktion erforderlich macht; kommen lenalidomidbasierte Regime zum Einsatz, sollte man die Kreatinin-Clearance sorgfältig überwachen.
- Pomalidomid: Wird nur schlecht über die Nieren ausgeschieden; empfohlen wird eine Start-/Standarddosis von 4 mg.
- Iberdomid: Zurzeit nicht zugelassen; ob die Aktivität und Sicherheit der Substanz durch eine eingeschränkte Nierenfunktion beeinflusst wird, untersuchen Forschende aktuell in Studien.
- Bortezomib: Wird hauptsächlich über die Leber metabolisiert; im Zuge der Therapie ist ein schnelles Nierenansprechen wahrscheinlich, und das sogar in der Gruppe der dialysepflichtigen Patient:innen.
- Carfilzomib: Wird nicht durch die Nierenfunktion beeinflusst, eine Dosisanpassung ist nicht erforderlich; eine Warnung liegt aber zu seltenen und nicht vorhersehbaren, nicht myelombedingten Nierenschäden vor.
- Ixazomib: Eine reduzierte Dosis von 3 mg anstatt 4 mg wird für dialysepflichtige Personen und solche mit schwer eingeschränkter Nierenfunktion empfohlen, da es zu erhöhten Inzidenzen von Grad-3/4-Nebenwirkungen kam.
- Daratumumab und Isatuximab: Eine eingeschränkte renale Funktion hat keinen Einfluss auf Ansprechraten und PFS.
- Belantamab-Mafodotin: Die Aktivität wird nicht durch eine leichte bis moderate Nierenfunktionsstörung beeinträchtigt; Daten zu einer schweren Nierenfunktionsstörung liegen bisher nicht vor.
- Teclistamab: Zurzeit ist eine Dosisverringerung entsprechend der renalen Funktion nicht angezeigt, prospektive Studienergebnisse hierzu müssen jedoch Klarheit schaffen.
- Anti-BCMA-CAR-T-Zellen: Es liegen keine Daten zur Sicherheit und Effektivität bei Personen mit Nierenfunktionsstörung vor; bisher wurden aber keine negativen Effekte in dieser Patient:innenpopulation beobachtet.
Myelomerkrankte erhalten häufig supportive Bisphosphonate, die allerdings potenziell toxisch auf die Nieren wirken. Dementsprechend sollten Zoledronsäure und Pamidronsäure bei eingeschränkter renaler Funktion vorsichtig eingesetzt werden und auch nur dann, wenn die Kreatinin-Clearance > 30 ml/min beträgt. Clodrinsäure sei erst ab > 12 ml/min anzuwenden. Für Patient:innen mit einer Nierenerkrankung im Endstadium könne man alternativ auf Denosumab zurückgreifen, hob Dr. Cerchione hervor.
Eine High-Cut-off-Dialyse mit einem proteindurchlässigen Dialysator kann die Clearancerate der FLC verbessern, so der Experte; danach verringere sich aber die Wirksamkeit aufgrund eines FLC-Rebounds graduell. In einer randomisierten Studie hatten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der konventionellen und der High-Cut-off-Dialyse ergeben. Die Frage nach der optimalen Strategie und der Effektivität der Methode für die Nierenerholung bleibe daher bisher unbeantwortet, betonte der Experte. „Wir brauchen mehr Daten“, sagte er. Darüber hinaus gebe es keine Leitlinien für das Vorgehen im Zuge einer Nierenersatztherapie bei Myelomerkrankten. Expert:innen empfehlen aber, diese so früh wie möglich zu initiieren.
Quelle:
Cerchione C. 2023 ASCO Annual Meeting; Vortrag „Treatment Options for Patients With Myeloma and Renal Failure“
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