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ZNS-Tumoren: Mit zielgerichteten Therapien ist auch im Hirn eine Krankheitskontrolle möglich

Kraniopharyngiome sind seltene supraselläre Tumoren, die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auftreten können. Aktuell gibt es allerdings keine wirksame systemische Therapie. Der papilläre Subtyp dieser Erkrankung weist häufig eine BRAFV600E-Mutation auf. Aus diesem Grund könnten BRAF/MEK-Inhibitoren eine valide Option sein, um das Behandlungsspektrum zu erweitern, betonte Professor Dr. Priscilla K. Brastianos, Harvard Medical School, Boston.
In der Phase-2-Studie Alliance A071601 erhielten in einem ersten Arm 16 Patienten mit unbehandeltem papillärem Kraniopharyngiom und BRAFV600E-Mutation vier bis sechs Monate lang den BRAF-Hemmer Vemurafenib und den MEK-Inhibitor Cobimetinib. Anschließend wurden sie – wenn nötig und möglich – einer chirurgischen oder Strahlentherapie unterzogen.
Tumorvolumen lässt sich um gut 90 % reduzieren
Wie die Referentin berichtete, hatte sich das Tumorvolumen bei 14 der 15 auswertbaren Teilnehmer (94 %) vermindert.1 Der einzige Patient, der nicht angesprochen hatte, beendete die Therapie bereits nach zwei Tagen wegen nicht tolerabler Toxizität. Die mediane Tumorreduktion betrug -91 % (-68 % bis -99 %). Nach 24 Monaten lebten noch 93,3 % progressionsfrei.
Die Rate an unerwünschten Ereignissen des Grads 3/4 lag bei 69 %. Die häufigsten mit der Behandlung assoziierten Toxizitäten dieses Schweregrads umfassten:
- makulopapulöse Ausschläge (4 Fälle)
- QT-Zeit-Verlängerungen (2 Fälle)
- erhöhte alkalische Phosphatase (2 Fälle)
Die BRAF/MEK-Inhibition kann ein wirkungsvolles Instrument zur Behandlung bislang nicht therapierter Patienten mit papillärem Kraniopharyngiom sein, fasste Prof. Brastianos zusammen. Diese hat ihrer Ansicht nach das Potenzial, die Morbidität zu vermeiden, die mit einer chirurgischen oder radiologischen Therapie assoziiert ist. Für eine zweite Kohorte werden derzeit Teilnehmer rekrutiert, die nach Bestrahlung einen Progress erlitten haben.
ALK-mutierte Neuroblastome gezielt behandelbar
Auch das im Erwachsenenalter auftretende Neuroblastom (adult onset neuroblastoma, AON) kommt selten vor und nimmt praktisch immer einen letalen Ausgang. Bekanntermaßen sind ALK-Punktmutationen hier häufig zu finden, erklärte Dr. Jessica Stiefel, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York.2 Das führte dazu, dass in ihrem Zentrum Patienten mit AON und ALK-Mutationsnachweis ALK-Inhibitoren bekamen.
Dr. Stiefel berichtete über eine retrospektive Auswertung von Patienten mit AON, die zwischen 1979 und 2020 bei ihnen behandelt worden waren. Von 52 Erwachsenen wurden 23 auf eine somatische ALK-Mutation hin getestet. Diese lag bei 14 Personen (61 %) vor. Vier Teilnehmer wurden mit Crizotinib, einer mit Alectinib und zwei mit Lorlatinib behandelt. Diese drei ALK-Inhibitoren sind für andere ALK-mutierte Tumoren zugelassenen. Drei Patienten hatten eine lokal fortgeschrittene, vier eine metastasierte Erkrankung. Bis auf einen waren alle bereits vorbehandelt.
Die Therapie wurde laut Dr. Stiefel insgesamt gut toleriert. Je eine Person berichtete über Benommenheit, Schwindel oder Halluzinationen und sechs entwickelten Übelkeit sowie Erbrechen. Am besten schien Lorlatinib toleriert zu werden, berichtete die Referentin. Alle Nebenwirkungen verschwanden, wenn die jeweilige Therapie abgesetzt wurde.
Sechs Patienten erreichten eine stabile Erkrankung (zwei PET-negativ), ein Erkrankter wies in der Bildgebung keine Evidenz der Erkrankung mehr auf. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 15,5 Monate, das mediane Gesamtüberleben (OS) 46,5 Monate. Vier der Patienten erhielten mehr als einen ALK-Inhibitor, alle vier zu einem Zeitpunkt Lorlatinib. Dr. Stiefel betonte deshalb noch einmal, dass die Resistenz gegenüber einem ALK-Inhibitor nicht den Einsatz eines anderen Inhibitors der gleichen Klasse ausschließt.
Primäre ZNS-Tumoren immer auf NTRK-Fusionen testen
Professor Dr. Sébastien Perreault, Centre Hospitalier Universitaire Sainte-Justine, Montréal, stellte die Ergebnisse einer Larotrectinib-Therapie von 33 pädiatrischen und erwachsenen Patienten mit primären ZNS-Tumoren vor, die eine Genfusion der Tropomyosin-Rezeptorkinase (TRK) aufwiesen.3 Larotrectinib ist für die Behandlung aller Karzinome mit dieser Alteration zugelassen.
Die von Prof. Perreault vorgestellte Auswertung basierte auf einer Kohorte der Phase-2-Basket-Studie NAVIGATE (9 Patienten, im Alter von mind. 12 Jahren) und der pädiatrischen Phase-1/2-Studie SCOUT (24 Teilnehmer im Alter von unter 21 Jahren). 19 Erkrankte hatten ein High-Grade- und acht ein Low-Grade-Gliom, jeweils zwei litten unter einem glioneuronalen bzw. neuroepithelialen Tumor, einer unter einem ZNS-Neuroblastom und ein weiterer unter einem klein- und blauzelligen Hirntumor. 73 % der Betroffenen wiesen eine NTRK2-, 15 % eine NTRK1- und 12 % eine NTRK3-Fusion auf.
30 % der Teilnehmer sprachen auf Larotrectinib an – drei Patienten komplett, sieben partiell. Bei 73 % konnte eine Krankheitskontrolle über mindestens 24 Wochen erreicht werden. Für High-grade-Tumoren lag die objektive Ansprechrate (ORR) bei 26 %, bei Low-Grade-Tumoren 38 %, berichtete der Experte. Das beste Ansprechen trat im Median nach 1,9 Monaten auf und das PFS betrug median 18,3 Monate. Das mediane OS war noch nicht erreicht, die Rate nach einem Jahr betrug 85 %.
Wie der Kollege erläuterte, entwickelten drei Teilnehmer Grad-3/4-Nebenwirkungen, die auf die Therapie zurückgeführt wurden. Die Behandlung wurde jedoch in keinem Fall abgebrochen. Prof. Perreault kam zu dem Schluss, dass diese Ergebnisse klar die Testung aller Betroffenen mit primären ZNS-Tumoren auf NTRK-Genfusionen rechtfertigen.
Teamwork rückt in den Fokus
Quellen:
1. Brastianos PK et al. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Abstract 2000; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.2000
2. Stiefel J et al. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Abstract 2001; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.2001
3. Perreault S et al. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Abstract 2002; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.2002
Kongressbericht: 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell)
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