Clozapinvergiftung durch Coronavirus und Rauchstopp möglich

Autor: Friederike Klein

Clozapin ist ein D4-Rezeptor-Antagonist. Clozapin ist ein D4-Rezeptor-Antagonist. © iStock – ollaweila

Clozapin hat eine geringe therapeutische Breite. Ein Anstieg des Wirkstoffspiegels kann daher rasch zur Intoxikation führen. Das hat Implikationen für die Therapie – gerade in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie.

Viele Patienten, die Clozapin einnehmen, rauchen. Die polyzyklischen Kohlenwasserstoffe im Tabakrauch sind CYP1A2-Induktoren. Wenn nun wegen eines fieberhaften Infekts oder als Reaktion auf die SARS-CoV-2-Pandemie ein Rauchstopp erfolgt, kommt es zu einer CYP1A2-Deinduktion und zu einem deutlichen Anstieg des Clozapinspiegels, erläuterte Dr. Monika Singer, Neurologin an der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied. Im Fall von COVID-19 führt gleichzeitig noch die starke Zytokinfreisetzung zu einer CYP-Enzym-Hemmung und damit zu einem verringerten Abbau des Neuroleptikums. CYP-hemmende Medikamente wie Ciprofloxacin können die Konzentration zusätzlich erhöhen.

Bei COVID-19 Dosis dritteln oder Clozapin absetzen

Die beobachteten Anstiege liegen laut Dr. Singer zwischen 20 % und 70 % und treten innerhalb kurzer Zeit auf. Deshalb dürfen die Ergebnisse von Spiegelbestimmungen nicht abgewartet werden. Die Kollegin empfahl, bei fieberhaften Infekten und CRP-Erhöhung die Clozapindosis von vornherein zu halbieren, bei COVID-19 sogar auf ein Drittel zu reduzieren oder die Therapie ganz zu pausieren. Sehr wichtig im Verlauf: das therapeutische Drug-Monitoring.

Bei vielen Antipsychotika treten initial gehäuft Pneumonien auf. Unter Clozapin bleibt das Risiko auch im Verlauf erhöht.1 Inzwischen gibt es laut Dr. Singer erste Hinweise, dass Patienten unter Clozapin eher an COVID-19 erkranken als unter anderen Neuroleptika.2 In der betreffenden Studie trugen dazu auch Übergewicht, männliches Geschlecht und Rauchen bei. Erklären lässt sich die erhöhte Gefahr unter anderem durch eine therapiebedingt auftretende Hypogammaglobulinämie. Sie ist auch Ursache einer schwächer ausfallenden Impfreaktion durch geringere Antikörperbildung. Dies dürfte im Hinblick auf die Corona­impfung relevant sein.

Mit Clozapin behandelte Patienten haben im Fall einer Pneumonie ein 3,8-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung. Neben den parallel oft vorliegenden Risiken wie Rauchen, schlechte Ernährung, Diabetes oder ungesunder Lebensstil spielen einige therapieassoziierte Faktoren eine Rolle (s. Kasten). 

Achtung, Pneumoniegefahr!

Diese Faktoren erhöhen die Pneumoniegefahr unter Clozapin:
  • dosisabhängige Sialorrhö (30 % der Patienten)
  • Dysphagie
  • Aspiration
  • Sedierung
  • reduzierter Hustenreflex

Diskutiert wird ein infektionsprotektiver Effekt von Vitamin D – Psychosepatienten haben häufig einen Vitamin-D-Mangel, erklärte Dr. Singer. Die Entwicklung einer Myokarditis unter der Behandlung geht mit grippeähnlichen Symptomen einher und gilt als wichtige Differen­zialdiagnose zu COVID-19. Eine weitere potenzielle Nebenwirkung des Neuroleptikums ist die Agranulozytose. Besonders fürchtet man sie, wenn der Patient noch andere potenziell hämatotoxische Medikamente wie Metamizol oder Mirtazapin erhält. Dagegen steigert die SARS-CoV-2-Infektion das Agranulozytose-Risiko nicht, sie führt meist zur Lymphopenie. Dr. Singer riet daher, ein Differenzialblutbild zu veranlassen, um bei vorhandener Leukopenie nicht fälschlicherweise von einer Neutropenie auszugehen, was zum Absetzen führen würde. In einem Konsensuspapier wird vorgeschlagen, die mit dem Anti­psychotikum behandelten Patienten in der Coronapandemie nur noch quartalsweise zu kontrollieren.3 Das lehnte die Neurologin kategorisch ab. Risiken durch nicht erkannte Komplikationen überwiegen ihrer Ansicht nach die potenzielle Ansteckungsgefahr mit SARS-CoV-2 in Praxis und Klinik.

Lange Kontrollintervalle mindern Adhärenz

Schließlich können unerwünschte Wirkungen wie Tachykardie, vermehrte Sedierung oder schwere Obstipation nur im persönlichen Kontakt festgestellt werden. Vor allem sollten Patienten, die weitere hämatotoxische Medikamente erhalten, unbedingt in kurzen Intervallen gesehen werden, um eine hohe Behandlungssicherheit zu gewährleis­ten. Außerdem steigt mit Verlängerung der Intervalle die Gefahr der Non-Adhärenz. 

* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

Quellen:
1. Kuo CJ et al. Schizophr Bull 2013; 39: 648-657; DOI: 10.1093/schbul/sbr202
2. Govind R et al. Br J Psychiatry 2020; DOI: 10.1192/bjp.2020.151
3. Siskind D et al. J Psychiatry Neurosci 2020; 45: 222-223; DOI: 10.1503/jpn.200061