Die vielen Gesichter von COVID-19: Von asymptomatisch bis Atemstillstand

Autor: Kathrin Strobel

Die Manifestationen von COVID-19 sind sehr vielseitig. Die Manifestationen von COVID-19 sind sehr vielseitig. © iStock/Bertrand Blay

Das klinische Bild von COVID-19 ist vielgestaltig: Während ein Infizierter keinerlei Symptome aufweist, muss ein anderer auf die Intensivstation. Und dann gibt es noch die Patienten, bei denen das Virus erst verschwindet – und dann wieder auftaucht.

Meist manifestiert sich eine SARS-CoV-2-Infektion mit Fieber, Fatigue und trockenem Husten. Bei einem Teil der Patienten kommt es außerdem zu weiteren Symptomen wie Myalgien, Dyspnoe, Erbrechen oder Durchfall. Die CT offenbart in der Regel das typische Bild einer viralen Pneumonie mit beidseitigen milchglasartigen Infiltraten und/oder lückenhaften Konsolidierungen. Labordiagnostisch findet sich häufig eine Lympho- und/oder Leukopenie. Gesichert wird die Diagnose über eine der folgenden Nachweisverfahren:

  • Polymerasekettenreaktion (PCR)
  • Genomsequenzierung
  • serologische Bestimmung von IgM- und IgG-Antikörpern

Obwohl man inzwischen einiges über COVID-19 weiß, ist das klinische Bild der neuen Lungenkrankheit noch lange nicht ausreichend charakterisiert, betonen Xiang­ Dong vom Department of Allergology des Zhongnan Hospital der Universität Wuhan und seine Kollegen. Wie vielfältig sich ­COVID-19 darstellt, beweist ein Auszug aus ihrer Fallsammlung:

Asymptomatische Infektion

Nach Kontakt mit einer infizierten Person wurde ein 26-jähriger Pfleger mittels PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die CT und das Labor blieben unauffällig. Der Patient wurde stationär mit Umifenovir und Darunavir/Cobicistat behandelt. Zwei weitere PCR-Tests fielen negativ aus, vier Tage nach der stationären Aufnahme erfolgte die Entlassung. Symptome hatte der Mann zu keinem Zeitpunkt.

In Fällen wie diesem sei es von besonderem Interesse, zu untersuchen, warum es nicht zu Symptomen kommt, schreiben die Autoren. Die Gründe hierfür könnten im Immunsystem der Patienten liegen. Aber auch die Viruslast und/oder die Art des Virusstamms spielen ggf. eine Rolle.

Milde Symptome ohne Zeichen einer Pneumonie

Eine 22-jährige Krankenhausmitarbeiterin klagte über Halsschmerzen und trockenen Husten. Die Beschwerden ließen sich mit klassischen Erkältungsmedikamenten lindern. Als sie sechs Tage später zusätzlich Muskelschmerzen entwickelte, ließ sie sich testen – laut PCR war sie SARS-CoV-2-positiv. Einige Tage später, nach weiteren positiven Tests, wurde sie stationär aufgenommen. CT und Labor zeigten keine auffälligen Befunde, die Symptome blieben weiterhin mild. Neben unterstützenden Maßnahmen erhielt die Frau das Virostatikum Umifenovir. Nach drei aufeinanderfolgenden negativen PCR-Tests konnte sie das Krankenhaus wieder verlassen. Insgesamt hatte sie 13 Tage dort verbracht.

Negative PCR trotz Infektion

Eine 42-jährige Frau litt unter trockenem Husten, Halsschmerzen und Fieber (38,7 °C). Eine CT in der Klinik war unauffällig, der PCR-Test auf SARS-CoV-2 negativ. Die Frau wurde nach Hause in Selbstisolation geschickt. Dort sprach sie gut auf fiebersenkende Mittel an. Lediglich der Husten blieb bestehen. Eine Woche später offenbarte die CT eine Pneumonie, die Patientin hatte erneut Fieber (39,2 °C), begleitet von Atemnot und Engegefühl in der Brust. In der dritten CT schließlich zeigten sich die für COVID-19 typischen bilateralen multiplen Milchglasinfiltrate. Die Lymphozyten waren leicht erniedrigt, das CRP erhöht.

Die stationäre Behandlung erfolgte u.a. mit Moxifloxacin, Umi­fenovir und Methylprednisolon. Vier weitere in der Klinik durchgeführte PCR-Tests auf SARS-CoV-2 und andere häufige Atemwegserreger führten nicht zu einer Diagnose. Mehr als einen Monat nach Symptombeginn schließlich fanden sich Serumantikörper gegen SARS-CoV-2. Wenige Tage später konnte die Frau entlassen werden.

Die PCR gilt als Goldstandard für den Virusnachweis, erklären die Kollegen aus Wuhan. Allerdings kann es hierbei zu falschnegativen Ergebnissen kommen, z.B. weil der Rachenabstrich falsch durchgeführt wird. Eine bedeutende Rolle spiele daher die Serodiagnostik. Die verschiedenen erhältlichen Testskits müssten hinsichtlich ihrer Qualität und Spezifität noch umfassend geprüft werden, betonen die Autoren.

Langzeitvirusträger

Ein 44-Jähriger mit positivem Virusnachweis wies die typischen Symptome von COVID-19 auf, darunter Husten, Müdigkeit, milchglasartige Infiltrate in der Lunge, Leuko- und Neutropenie. Sieben Tage nach der ersten positiven PCR fiel der Test erstmals negativ aus. Eine erneute PCR drei Tage später bestätigte: Das Virus war verschwunden. Der Patient wurde entlassen. Er blieb symptomfrei, kam aber zwei Wochen später wieder stationär: Das Virus war erneut nachgewiesen worden. Der Mann blieb auch bei den noch folgenden zwei Tests SARS-CoV-2-positiv.

Solche Fälle lassen sich eventuell durch eine nicht vollständige Virus-Clearance, eine unzureichende Immunantwort oder durch Fehler beim Sampling erklären, mutmaßen die Autoren. Eine Reinfektion halten die Autoren für unwahrscheinlich. Um Patienten wie den hier beschriebenen zu erkennen, sei ein engmaschiges Follow-up – auch nach der Genesung – wichtig.

Schwerer Verlauf mit bakterieller Superinfektion

Eine 69-jährige Patientin mit nicht näher definierter bestehender Herzkrankheit wurde mit persistierendem Fieber (> 38 °C), trockenem Husten, Kopf-, Hals und Muskelschmerzen ins Krankenhaus eingewiesen. Die CT einen Tag vor der Aufnahme hatte bereits auf eine Pneumonie hingewiesen, bei einer weiteren CT vier Tage später zeigten sich milchglasartige Infiltrate mit diffusen Konsolidierungen. In einer Sputumkultur waren grampositive Kokken und gramnegative Stäbchen nachgewiesen worden. Serologisch fand sich zunächst kein Hinweis auf andere Pathogene. Die Patientin erhielt Breitbandantibiotika i.v., Schleimlöser und Sauerstoff über eine Nasenkanüle. Am vierten Tag nach ihrer stationären Aufnahme verlegten die Kollegen die Frau auf die Intensivstation. Ihre Laborwerte hatten sich deutlich verschlechtert:

  • Neutrophile erhöht (10,67 x 109/l)
  • Leukozyten erhöht (11,73 x 109/l)
  • Lymphozyten vermindert (0,51 x 109/l)
  • Erythrozyten vermindert (2,40 x 1012/l)
  • Plättchen vermindert (73 x 109/l)
  • Entzündungsmarker deutlich erhöht (PCT, CRP, D-Dimere)

Die Patientin erlitt ein Lungen- und Herzversagen und musste mittels mechanischer Ventilation und ECMO beatmet werden. Hierbei erlitt sie einen plötzlichen Herzstillstand, konnte jedoch wiederbelebt werden. Bronchoskopie und bronchoalveoläre Lavage brachten große Mengen an gelbem viskösem Sputum hervor, das den Eingang der Bronchien sowie teilweise auch das Lumen verklebt hatte. Die trachealen und bronchialen Schleimhäute zeigten sich hyperämisch mit Blutungstendenz. Die Pneumonie verschlechterte sich weiter. Erneut wurden im Sputum gramnegative Stäbchen nachgewiesen. Die sechs während des Krankenhausaufenthalts durchgeführten PCR waren alle positiv für SARS-CoV-2.

Behandelt wurde die Patientin mit Breitbandantibiotika, Antimykotika, Methylprednisolon, wiederholten Erythrozytentransfusionen und unterstützenden Maßnahmen. Zum Zeitpunkt, an dem die Autoren ihre Patientenakte einsahen – sechs Wochen nach ihrer stationären Aufnahme – lag die Frau noch immer auf der Intensivstation, berichten die Kollegen.

Eine frühe Diagnose sekundärer Infektionen mit Bakterien oder Pilzen ist nach Ansicht der Autoren essenziell. Vor allem wenn das CRP plötzlich ansteigt, eine neutrophile Leukozytose auftritt und sich der CT-Befund verschlimmert, sei eine engmaschige Überwachung des Sputums notwendig. Die Autoren empfehlen, Patienten immer zusätzlich mit einem Breitbandantibiotikum zu behandeln.

Wie bereits in vorigen Untersuchungen gezeigt, scheinen Allergien eher kein Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19 zu sein, schreiben die Autoren. Sie berichten von drei Fällen (atopische Dermatitis, allergische Rhinitis und chronische spontane Urtikaria), die alle einen klassischen Verlauf nahmen. Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen wie COPD allerdings erleiden öfter schwere Verläufe und müssen häufiger beatmet werden.

Quelle: Dong X et al. Allergy 2020; DOI: 10.1111/all.14289