Stolpersteine in der palliativen Analgesie umgehen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Oft leugnen die Patienten ihre Schmerzen. Oft leugnen die Patienten ihre Schmerzen. © iStock.com/IGphotography

Die Schmerztherapie ist eine, vielleicht die zentrale Komponente der Palliativmedizin. Mit Medikamenten, Physiotherapie und lokalen Maßnahmen können Sie die Leiden Ihrer Patienten gezielt lindern. Vorausgesetzt, Sie verheddern sich nicht in einem dieser Fallstricke.

Ängste und Sorgen

Mitunter können Ängste vor der Zukunft, vor einer Symptomverschlechterung, vor Nebenwirkungen oder vor dem Tod Patienten derart quälen, dass die Schmerztherapie nicht funktioniert. Manche hegen Vorbehalte gegen starke Analgetika und befürchten, durch sie müder, immobiler oder gar abhängig zu werden. Andere sparen sich die Mittel lieber auf, bis es ihnen noch schlechter geht.

Indem Sie diesen Patienten die Vorteile der Behandlung vor Augen führen, räumen Sie solche Ängs­te aus dem Weg, schreibt Bernd ­Himstedt-Kämpfer von der Klinik für Palliativmedizin der Berliner Charité. Eine suffiziente Schmerztherapie wird Betroffene aktiver und zufriedener machen und keineswegs in eine Sucht stürzen. Klären Sie sie darüber auf, dass die Dosen stetig an die aktuelle Schmerzstärke angepasst werden. Man braucht also keine Sorge zu tragen, einmal „leer“ auszugehen.

Ebenso wenig muss man sich vor einer möglichen Atemdepression fürchten, sofern Sie sich an die therapeutischen Dosen halten und die eingesetzten Präparate gut kennen.

Schmerzen nicht erkannt

Mit Ihrer Therapie stoßen Sie auch dann auf Probleme, wenn Sie die Leiden nicht (richtig) erkennen. Laut Himstedt­-Kämpfer kann das unterschiedliche Ursachen haben. Beispielsweise verbergen sie Patienten, weil sie sich selbst (oder Ihnen gegenüber) die schlimmer werdenden Beschwerden nicht eingestehen wollen. Oder sie erwähnen Schmerzen nicht mehr, da vorherige Maßnahmen bislang kaum Linderung verschaffen konnten.

Für Sie bedeutet das: Regelmäßig nach den Leiden fragen und das Ergebnis dokumentieren. Denken Sie auch daran, dass Verhaltensweisen wie Abwehr, Aggressivität oder Unzufriedenheit manchmal überhaupt erst durch Schmerzen auftreten. Äußern sich Betroffene nicht mehr verbal, muss man sie genau beobachten. Eventuell lässt sich aus Mimik, Ges­tik, Lauten oder vegetativen Symptomen etwas erfahren.

Ursache unbekannt

Eine ausführliche Schmerzanamnese – Ort, Stärke, Qualität, Dynamik, Häufigkeit – hilft dabei, den Ursachen auf die Spur zu kommen. Erst dann kann man sie mit geeigneten Maßnahmen eliminieren. Das gilt genauso für Patienten, die bereits Analgetika erhalten. Auch ihnen können neue, bislang unbekannte Schmerzen das Leben erschweren. Dann reicht es nicht, einfach die laufende Therapie hochzufahren. Vielmehr müssen Sie klären, ob

  • die bestehenden Leiden nur unzureichend kontrolliert sind oder
  • es sich um eine neue Entität handelt.

Eine erneute Ursachensuche ist auch dann notwendig, wenn eine Therapie nicht greift. Eventuell steckt etwas anderes dahinter.

Rund ums Medikament

Ist die Höchstdosis ausgeschöpft? Wurde das Opioid ohne Höchstgrenze in der vorherigen Behandlung tatsächlich so titriert, dass es schmerzadaptiert wirken kann? Da Wirksamkeit und Verträglichkeit individuell variieren, sollten Sie eine möglicherweise unzureichende Dosierung auf dem Schirm haben.

In der Praxis trifft man immer wieder auf Kollegen, die das Potenzial von Nichtopioiden und Koanalgetika unterschätzen. Dabei kann man durch eine frühzeitige Kombinationstherapie viel erreichen, schreibt Himstedt­-Kämpfer. Sogar im WHO-Stufenplan zur palliativen Schmerztherapie finden sich Koanalgetika auf Stufe 1. Cave: Opiate bedürfen einer Begleitmedikation, d.h. initial Antiemetikum und dauherhaft Laxanzien.

Komplexität ignoriert

Für Patienten bedeuten Schmerzen mehr als rein physiologisch zu leiden. Sie erleben sie stets körperlich, seelisch, sozial und spirituell, führt der Autor aus. Deshalb sollten Ärzte auch mal über den medikamentösen Tellerrand hinausschauen (siehe Kas­ten). Und wenn Sie trotzdem mal nicht weiter wissen: nicht verzagen, den Spezialisten fragen.

Schmerztherapie bedeutet mehr als Analgetika

Mit diesen Elementen können Sie eine Behandlung individuell erweitern:
  • lokale Maßnahmen wie Kühlen, Wärmen oder Lokalanästhetika
  • kompetente Pflege von Haut, Mund und Wunden, z.B. durch Auflagen, Einreiben oder Wickeln
  • Physiotherapie wie Bewegungsübungen, Massagen, Lymphdrainagen und Entspannungstechniken
  • psychologische Unterstützung
  • künstlerische Therapien können Zugang zum eigenen Körper- und Seelengefühl verschaffen
  • komplementärmedizinische Methoden

Quelle: Himstedt-Kämpfer B. klinikarzt 2018; 47: 360-364