Unsichere COPD-Diagnostik: GOLD und Spirometrie können in die Irre führen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ein Tiffeneau-Grenzwert von 0,7 führt gerade bei Älteren zu Fehldiagnosen. Ein Tiffeneau-Grenzwert von 0,7 führt gerade bei Älteren zu Fehldiagnosen. © iStock/magicmine

Die neuen GOLD-Empfehlungen zur chronisch ob­struktiven Lungenerkrankung sollen die individuelle Therapie erleichtern. Tatsächlich werden aber geschlechts- und altersabhängige Unterschiede vernachlässigt, kritisieren zwei Kollegen.

Grundlage für die Diagnose einer COPD ist der Nachweis einer nicht vollständig reversiblen obstruktiven Ventilationsstörung. Gemäß den GOLD-Empfehlungen ist dann von der Erkrankung auszugehen, wenn der Tiffeneau-Index, d.h. der Quotient aus FEV1 und FVC, weniger als 0,7 beträgt.

Dieser fixe Grenzwert hat keine wissenschaftliche Grundlage und er führt gerade bei älteren Patienten leicht zu Fehldiagnosen, monieren Professor Dr. Wolfram Windisch, Lungenklinik Merheim, Köln, und Professor Dr. Carl-Peter Criée, Bovenden-Lenglern. Sie fordern, sich besser auf die Referenzwerte der European Respiratory Society bzw. deren Global Lung Function Initiative (GLI) zu stützen. Diese wurden auf der Basis von mehr als 74 000 Spirometrien von gesunden Nierauchern ermittelt, sind für die aktuelle europäische Bevölkerung repräsentativ und an Personen im Alter von 3 bis 95 Jahren angepasst. Der untere Grenzwert des Tiffeneau-Index wird dabei durch die 5. Perzentile des Frequenzspektrums der in der Referenzpopulation gemessenen Werte bestimmt. Werte darunter sind mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit < 5 % pathologisch.

Ursachen der obstruktiven Ventilationsstörung

  • Asthma bronchiale
  • COPD
  • Cystische Fibrose
  • Silikose
  • Stenose im Bereich der großen Atemwege
  • Erkrankungen des Lungenparenchyms mit Obstruktion (u.a. Sarkoidose)

Quelle: Sk2-Leitlinie Spirometrie; AWMF-Registernr. 020-017, www. awmf.org

Auch die FEV1 variiert mit dem Alter

In der zugrunde liegenden Studie der GLI hatte sich bestätigt, dass der untere Tiffeneau-Wert, der noch eine normale Lungenfunktion signalisiert, von Geschlecht und Alter abhängt. So liegt er z.B. bei 80-jährigen Männern knapp über 0,6, bei Frauen etwas höher. Benutzt man den GOLD-Grenzwert von 0,7, wird man also vielen Älteren fälschlicherweise eine COPD attestieren. Deshalb empfehlen die beiden Pneumologen, sich bei der spirometrischen Diagnostik nach den Referenzwerten der GLI zu richten. Die entsprechende Software wird von vielen Geräteherstellern mittlerweile angeboten. Auch was die Bestimmung des Schweregrads der obstruktiven Ventilationsstörung angeht, macht es sich die GOLD zu einfach, wenn sie allein anhand der FEV1 eine leichte (< 80 % vom Soll), moderate (50–80 % v.S.), schwere (30–50 % v.S.) und sehr schwere COPD definiert. Wiederum bleiben hierbei Geschlecht und Alter unberücksichtigt. Tatsächlich hat ein 30-Jähriger mit einer FEV1 von 50 % des Sollwerts eine sehr schwere Obstruktion, ein 80-Jähriger dagegen nur eine mäßige.

Bei COPD-Verdacht zur Ganzkörperplethysmographie

Eine COPD kann auch bei einem normalen Tiffeneau-Index vorliegen. Besteht der klinische Verdacht, sollte deshalb die Bodyplethysmographie mit Bestimmung von FRC, RV, TLC, Raw sowie sRaw und deren Reversibilität erfolgen. Um das Emphysemausmaß bei COPD zu erfassen, braucht man ein quantitatives CT oder die Messung der Diffusionskapazität.

Quelle: Sk2-Leitlinie Spirometrie; AWMF-Registernr. 020-017, www. awmf.org

Trotz Emphysem normale Spirometrie möglich

Zwar gelingt die Geschlechts- und Alterskorrektur, indem man die FEV1 in Prozent vom unteren Soll (lower limit of normal, LLN) angibt oder anhand des Z-Scores, der mit den Referenzwerten der GLI automatisch berechnet wird. Wie die ermittelten Werte jedoch mit dem klinischen Schweregrad korrelieren, muss noch genau geprüft werden. Prof. Windisch und Prof. Criée empfehlen daher für die Praxis, bei einer FEV1 > 60 v.S. von einer leichten und bei einem Wert < 40 % v.S. von einer schweren Einschränkung auszugehen. Eine Lungenüberblähung kann spirometrisch nicht diagnostiziert werden, man braucht dafür die Bodyplethysmographie, schreiben die beiden Kollegen. So führe etwa eine hochgradige Überblähung u.U. dazu, dass die FVC so stark reduziert, dass der Tiffeneau-Index selbst bei klinisch eindeutiger COPD normal ausfalle. Ähnliches gelte bei vorhandenem Lungenemphysem. „Es wurde gezeigt, dass immerhin 10 % der Patienten mit klinischer COPD und signifikantem Emphysem in der CT-Untersuchung eine normale Spirometrie aufwiesen.“ Die formalen Kriterien der COPD waren damit nicht erfüllt. 

* Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease

Quelle: Windisch W, Criée CP. Dtsch Med Wochenschr 2018; 143: 593-596