E-Zigaretten: Patienten vor der Vaping Illness warnen
Die ERS hat der Vaping Illness kurzfristig eine eigene Sitzung bei ihrem Jahreskongress gewidmet und extra einen Experten aus den USA zum Vortrag gebeten, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Am 10. Mai 2019 wurde der erste Erkrankungscluster – fünf Jugendliche mit progredienter Dyspnoe, Hypoxämie und Fatigue, von denen zwei intubiert und beatmet werden mussten – in Wisconsin bemerkt. „Danach ging es relativ schnell, bis feststand, dass wir es mit einer regelrechten Epidemie zu tun haben“, berichtete Professor Dr. David Christiani, Department of Environmental Health, Harvard Medical School, Boston.
Um es kurz zu machen: Bis Ende September stand der Zähler bei 805 Fällen mit enorm wechselhaften klinischen und radiologischen Befunden, davon waren 16 % der Betroffenen minderjährig und weitere zwei Drittel zwischen 18 und 35 Jahre alt. Mindestens 13 Patienten sind mittlerweile gestorben. Das einzige, was alle gemeinsam hatten, waren der Konsum von E-Zigaretten und der Nachweis schaumig erscheinender Makrophagen in der Bronchiallavage. 80 % hatten auch herkömmliche Zigaretten geraucht.
Tetrahydrocannabinol war nicht immer im Spiel
In vielen, aber beileibe nicht allen Fällen scheinen die Betroffenen Tetrahydrocannabinol (THC) verdampft zu haben. Das lässt sich oft schwer nachvollziehen, weil es sich dabei u.a. um Liquids Marke Eigenmischung handelte, denen häufig Vitamin-E- und andere Öle zugefügt wurden. „Leere Kartuschen können Sie über eBay bestellen“, erzählte Prof. Christiani. „Sie mit einer THC-haltigen Flüssigkeit zu befüllen, ist nicht illegal, aber problematisch und macht Untersuchungen schwierig.“ Teilweise erinnern die Befunde an eine Pneumonitisepidemie unter Arbeitern, die Popcorn zum Selbermachen herstellten und dabei größere Mengen des Butteraromas Diacetyl einatmeten. Das führte zu einer Bronchiolitis obliterans, die als „Popcorn-Lunge“ in die Medizingeschichte einging. Diacetyl befindet sich u.a. auch als Aromastoff in kommerziellen Liquids.
Übrigens ist auch bei den kommerziellen Liquids schwer feststellbar, was sie alles enthalten, kritisierte der Epidemiologe: „Drauf stehen nur Glycerol, Propylenglykol und Nikotin, aber wer sie genauer untersucht, findet Dutzende Substanzen, sogar Endotoxine und Pestizidreste. Ich bezweifle, dass es nur einen schuldigen Inhaltsstoff gibt.“ Massachusetts hat als erster US-Bundesstaat Konsequenzen gezogen, ebenso die Stadt San Francisco. Dort dürfen bis Ende Januar 2020 keine E-Zigaretten und Zubehör mehr verkauft werden. Die Vorstellung, es handle sich um ein reines US-Problem, ist aber falsch: Ein Kollege aus den Niederlanden berichtete, dort seien in der vorangegangenen Woche zehn Fälle einer Vaping-assoziierten Lungenerkrankung identifiziert worden, in keinem davon war THC im Spiel.
Die Empfehlung lautet: Lassen Sie es bleiben!
Die ERS hat eine ganz einfache Empfehlung an Verbraucher zum Thema Vaping: Lassen Sie es bleiben! „Es ist nicht unsere Aufgabe zu beweisen, dass diese Dinger schaden – was auf den Markt darf, sollte sicher sein“, betonte Professor Dr. Jørgen Vestbo, Division of Infection, Immunity & Respiratory Medicine, University of Manchester, und zitierte zentrale Argumente gegen E-Zigaretten, welche die ERS-Taskforce formuliert hat:1
- Das Aerosol aus E-Zigaretten enthält potenziell toxische Stoffe.
- Secondhand-Exposition stellt ein mögliches Risiko dar.
- Ein Nutzen in der Rauchentwöhnung ist nicht evidenzbasiert.
- Langzeiteffekte sind völlig unklar, daher lässt sich nicht beurteilen, ob E-Zigaretten langfristig sicherer sind als gewöhnliche Tabakprodukte.
„Im Kampf gegen die Tabakepidemie sind E-Zigaretten ganz sicher nicht Teil der Lösung, im Gegenteil: Sie sind Teil des Problems“, so Prof. Vestbo.
* European Respiratory Society
1. Bals R et al. Eur Respir J 2019; 53: 1801151; DOI: 10.1183/13993003.01151-2018