Künstliche Intelligenz unterstützt Krebsdiagnose – und liegt in drei Viertel aller Fälle richtig
Einige genetische Veränderungen und Signaturen sind mit bestimmten Tumortypen assoziiert: Funktionsverluste im APC-Gen treten vor allem in kolorektalen Karzinomen auf, Fusionen von TMPRSS2- und ERG-Genen bei Prostatakrebs und gewisse durch UV-Strahlung hervorgerufene molekulare Signaturen bei kutanen Melanomen. Auch Kombinationen von genetischen Alterationen wie Mutationen des TP53- und des CTNNB1-Gens im Endometriumkarzinom gelten als typisch. Umgekehrt sprechen z.B. fehlende KRAS-Mutationen gegen ein Adenokarzinom des Pankreas.
Die molekulare Bestätigung oder Widerlegung einer onkologischen (Verdachts-)Diagnose kann demnach die Therapie und damit die Prognose gravierend beeinflussen. Da dergleiche Ansätze bisher nicht in großem Maßstab erprobt wurden, haben Forscher um den Bioinformatiker Dr. Alexander Penson vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York eine große Kohortenstudie durchgeführt. Über die Jahre sammelten sie von 7791 Patienten mit 22 verschiedenen Typen von fortgeschrittenen Krebserkrankungen genomische Daten an. Das Tumormaterial charakterisierten die Autoren mithilfe von Next Generation Sequencing von bis zu 468 krebsassoziierten Genen. Sie erstellten einen Algorithmus mit maschineller Lernoption und Tumorklassifikation. Die Anwendnung sollte die prädiktive Kraft der traditionellen immunhistochemischen und klinischen Evaluierung erhöhen.
In der Trainingskohorte der genannten 7791 Patienten erkannte die Künstliche Intelligenz in 5748 Fällen (73,8 %) den korrekten Tumortyp, in einer unabhängigen Bestätigungskohorte von 11 644 Patienten waren es 8623 (74,1 %). Die Wahrscheinlichkeit der Vorhersage betrug in 43,5 % mehr als 95 %.
Hilfe bei kniffligen Fällen
- Differenzierung zwischen primären Hirntumoren und zerebralen Metastasen: Von 299 Hirnmetastasen wurde der Ausgangstumor zu 82,9 % korrekt vorhergesagt. Von den 51 falschen Diagnosen lauteten nur zwei „Gliom“.
- Neuer Tumor nach Krebshistorie: Bei einer 67-Jährigen wurde drei Jahre nach der initialen Behandlung eines Mammakarzinoms ein neuer Tumor diagnostiziert – zunächst als Rezidiv eines Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms. Deshalb stand eine endokrine Therapie an. Der Algorithmus sprach dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit (99 %) für ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, woraufhin eine Chemotherapie erfolgreich zum Einsatz kam.
- Parallele Tumoren vs. Metastasen: Eine 77-jährige Frau wies Läsionen in Brust und Blase auf, was für die Diagnose „lobuläres Mammakarzinom mit Metastase in der Blase“ sprach. Die genetische Untersuchung zeigte jedoch, dass es sich um zwei synchrone Tumoren der beiden Organe handelte, sodass eine chirurgische Intervention erwogen und der Blasentumor zulassungsgemäß mit Nivolumab behandelt wurde.
Plasmaproben eignen sich wohl genauso gut
In 60 Proben, in denen nur zellfreie DNA aus Plasma bereitstand, fiel die Treffergenauigkeit mit 75 % etwa genauso hoch aus. Sogar für die Mehrheit der 141 Patienten mit Tumoren unbekannter Herkunft wurde ein wahrscheinliches Ursprungsgewebe identifiziert (67,4 %). Der Ansatz, so die Wissenschaftler, wäre möglicherweise auch zu Screeningzwecken anwendbar.Quelle: Penson A et al. JAMA Oncol 2019; DOI: 10.1001/jamaoncol.2019.3985