Ösophaguskrebs-Screening: Gastroenterologe widerspricht neuer Leitlinie

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Wandelt sich das Platten- in ein Zylinderepithel, liegt ein Barrett-Ösophagus vor. Wandelt sich das Platten- in ein Zylinderepithel, liegt ein Barrett-Ösophagus vor. © Immanuel Albertinen Diakonie/ endoskopiebilder.de/endoskopie-bilder

Auf ein endoskopisches Krebs- und Barrett-Ösophagus-Screening kann man bei Patienten mit chronischer Refluxkrankheit getrost verzichten, meinen Präventivmediziner. Das kann Leben kosten, hält ein Gastroenterologe dagegen und beschreibt seine eigene Strategie.

Das Ösophaguskarzinom gehört mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 15 % nach wie vor zu den am schlechtesten behandelbaren Malignomen. Am häufigsten ist inzwischen das Adenokarzinom. Zu dessen wichtigsten Risikofaktoren zählen Barrett-Ösophagus, Alter ≥ 50 Jahre, Refluxkrankheit (GERD), männliches Geschlecht, abdominale Adipositas und Rauchen. Mehr als 90 % der Adenokarzinome werden erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt, wenn bereits Alarmsymptome wie Dysphagie und Gewichtsverlust (s. Kasten) darauf hinweisen.

Alarmsymptome

  • Dysphagie und Odynophagie
  • wiederholtes Erbrechen
  • unerklärlicher Gewichtsverlust
  • Anämie
  • Appetitverlust
  • gastrointestinale Blutung

Dennoch rät die kanadische Arbeitsgruppe für Präventivmedizin in ihrer neuen Leitlinie klar von einem allgemeinen Screening auf Adenokarzinome bzw. Vorläuferläsionen (Barrett, Dysplasie) bei chronischer GERD ab. Durchgeführt werden sollte die Endoskopie lediglich bei Patienten mit Alarmsymptomen (s. Kasten) oder bereits bekanntem Barrett-Ösophagus (mit oder ohne Dysplasie). Die Leitlinienautoren begründen ihre Empfehlung vor allem mit den Ergebnissen einer retrospektiven Kohortenstudie mit 155 Adenokarzinompatienten. Von diesen hatten sich 25 in den vorangegangenen fünf Jahren einer Ösophago-Gastroduodenoskopie (ÖGD) unterzogen und 130 nicht. Durch die endoskopische Diagnostik wurden zwar signifikant mehr Adenokarzinome schon im Frühstadium entdeckt (156 zusätzlich pro 1000). Aber die Gesamtmortalität vermochte diese Maßnahme nicht zu senken. Eine zweite retrospektive Kohortenstudie lieferte nicht genug Daten, um einen Einfluss des Screenings auf Langzeitüberleben oder Frühdiagnose zu belegen. Beide Arbeiten erlaubten keinen Rückschluss auf einen Nutzen des Screenings bei Patienten mit erhöhtem Risiko für ein Adenokarzinom (z.B. Alter ≥ 50 Jahre, männliches Geschlecht, abdominale Adipositas) – weder in Bezug auf die Gesamtgefährdung noch auf einzelne Faktoren. Der Gastroenterologe Dr. Sander­ Veldhuyzen­ van Zanten­ von der Universität Alberta in Edmonton bemängelt in seinem Editorial die unzureichende Evidenz für die Empfehlung. Eine kleine retrospektive Studie liefere dafür noch keine ausreichende Basis. Allerdings dürften Studien, die eine definitive Aussage erlauben (idealerweise randomisiert und kontrolliert) kaum durchgeführt werden, schätzt der Kollege. Dies verhindert schon der verbreitete Einsatz von Gastroskopien und die schwierige Differenzierung zwischen GERD und Dyspepsie anhand der Symptomatik. Der Kommentator plädiert dafür, auf Gastroskopien bei unter 50-jährigen Patienten mit chronischer GERD eher zu verzichten. Denn in diesem Kollektiv finden sich nur selten klinisch relevante Befunde. Durchaus sinnvoll könne ein endoskopisches Screening aber bei über 50-Jährigen sein – insbesondere bei Männern mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Rauchen oder abdominale Adipositas. Wenn man bei diesen auf Alarmsymptome wartet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man den Tumor erst im inoperablen Stadium­ entdeckt. Außer Frage steht für den kanadischen Gastroenterologen, dass eine chronische Refluxkrankheit das Risiko für Barrett-Ösophagus und Adenokarzinom erhöht. Dies gilt auch für die vielen Patienten, die ihre GERD-Symptome langjährig mit PPI kontrollieren. Für Menschen mit bereits nachgewiesenem Barrett-Ösophagus wird die endoskopische Verlaufskontrolle ohnehin empfohlen, obwohl die Datenlage für eine Reduktion der Mortalität auch in diesem Kollektiv eher dürftig ist.

PPI beim Barrett besser zweimal als einmal täglich

Außerdem eröffnet die Suche nach einem Barrett-Ösophagus bei chronischer GERD einfache Therapiemöglichkeiten, gibt der Kollege zu bedenken. In einer randomisiert-kontrollierten Studie an Patienten mit Barrett-Ösophagus war die zweimal tägliche Einnahme eines PPI der einmal täglichen überlegen. Sie vermochte schon bei einer kurzen Ausdehnung der Metaplasie (> 1 cm) die Mortalität und das Auftreten von Adenokarzinomen­ bzw. hochgradigen Dysplasien zu reduzieren.

Quellen:
1. Groulx S et al. CMAJ 2020; 192: E768-E777; DOI: 10.1503/cmaj.190814
2. Veldhuyzen van Zanten S. CMAJ 2020; 192: E781-782; DOI: 10.1503/cmaj.200697