Orale Antikoagulation zur Schlaganfallprävention auch bei Tumorpatienten
Für immer mehr Menschen mit Vorhofflimmern ist die orale Antikoagulation Teil der Schlaganfallprophylaxe. Bevorzugt verordnet werden seit gut zehn Jahren die Nicht-Vitamin-K-antagonistischen Antikoagulanzien (NOAK). Eine Wissenschaftlergruppe um Adriano Atterman vom Karolinska-Institut wollte klären, ob eine zusätzliche Krebserkrankung der Patienten Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte bei der Sekundärprophylaxe eines Hirninfarkts hat.
Bei Tumorpatienten mit Vorhofflimmern stehe man vor dem Dilemma, dass sie sowohl ein erhöhtes Risiko für Blutungen und damit auch Hirnblutungen haben als auch für ischämische Schlaganfälle, schreiben die Autoren. Im Detail untersuchte das Team, welchen Einfluss die Einführung der NOAK im Jahr 2011 auf die Verschreibung einer oralen Antikoagulation bei dieser speziellen Risikogruppe hatte. Grundlage ihrer Untersuchung waren prospektive Registerdaten von 1518 Patienten mit aktiver Krebserkrankung und 50 953 Patienten ohne Tumoren. Alle hatten zwischen 2005 und 2017 einen ischämischen Schlaganfall erlitten und waren mit Vorhofflimmern aus der Klinik entlassen worden. Beide Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich des kardiovaskulären Risikoprofils und des Schlaganfallrisikos. Allerdings lag das Blutungsrisiko bei den Krebspatienten geringfügig höher.
Die Wahrscheinlichkeit, bei Entlassung aus dem Krankenhaus orale Antikoagulanzien verschrieben zu bekommen, stieg in beiden Gruppen nach Einführung der NOAK deutlich an. Bei den Krebspatienten war ab Ende 2011 eine Zunahme um 40,2 % zu verzeichnen, bei den Patienten ohne Tumoren stiegen die Verordnungen um 69,3 %. Für beide Gruppen galt: Hatte ein Patient ein erhöhtes Blutungsrisiko, bekam er auch seltener die orale Antikoagulation verordnet.
Krebskranke sind tendenziell unterversorgt
Da die gerinnungshemmenden Arzneistoffe nach einem Schlaganfall zum Teil erst später wieder angesetzt werden, wurden auch die Verordnungen nach einem Jahr berücksichtigt. Wie sich zeigte, lagen die kumulativen Verschreibungsraten bei den Patienten ohne Krebs zwölf Monate nach der Krankenhausentlassung deutlich höher als bei den Tumorkranken (74,9 % vs. 64,5 %). Zudem dauerte es länger, bis die Krebspatienten die oralen Antikoagulanzien verordnet bekamen (94 vs. 30 Tage).
Die Daten deuten darauf hin, dass Ärzte bei der Verschreibung der Medikamente bei Krebspatienten mit Vorhofflimmern trotz gleich hohen Schlaganfallrisikos besonders zurückhaltend sind. Dies, so die Autoren, könnte zu einer Unterversorgung dieser Patienten führen.
Quelle: Atterman A et al. J Intern Med 2020; 288: 457-468; DOI: 10.1111/joim.13092