So diagnostizieren Sie Nahrungsmittelallergien richtig
Bei einer Nahrungsmittelallergie treten klar umgrenzte Beschwerden auf, und zwar direkt zeitlich assoziiert mit der Exposition gegenüber dem Nahrungsmittel. Zu dauerhaften Beschwerden kommt es äußerst selten. Das muss im Rahmen der Anamnese sorgfältig erfragt werden.
Typisch für IgE-vermittelte Allergien sind Symptome wie Anaphylaxie, Hypotonie, Urtikaria, Juckreiz, periorbitales Ödem, nasale Kongestion, Rhinorrhö, Atemnot, sowie Schwellungen von Lippe, Zunge oder Gaumen und Erbrechen. Gastrointestinale nicht-IgE-vermittelte Allergien äußern sich beispielsweise in Übelkeit, Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen, Diarrhö, Apathie oder Blässe.
Wegweisend ist die Frage, welche Nahrungsmittel in den letzten zwei bis drei Stunden vor der Reaktion verzehrt wurden und ob im Monat vorher bei suspekten Nahrungsmitteln ebenfalls Reaktionen aufgetreten sind. Wenn das nicht der Fall ist, steckt vermutlich keine Allergie hinter den Beschwerden, erklären Dr. Lars Lange und Dr. Sunhild Gernert vom St. Marien-Hospital in Bonn.
Die Zahl wahrscheinlicher Auslöser kann auch nach dem Alter eingegrenzt werden. Kuhmilch, Hühnerei und Weizen stehen bei Säuglingen und Kleinkindern im Vordergrund. Bei älteren Kindern sind neue Allergien gegen Grundnahrungsmittel kaum zu erwarten. Hier dominieren Erdnuss, Schalenfrüchte, Fisch, Krustentiere, Sesam und gelegentlich Hülsenfrüchte.
Primäre Nahrungsmittelallergien entstehen überwiegend im ersten Lebensjahr, auch solche gegen Erdnuss oder Sesamsamen. Reaktionen auf Letztere werden oft erst später beobachet, wenn die Kinder erstmals exponiert sind.
Von Paneltests auf mehrere sIgE wird abgeraten
Pollenassoziierte Nahrungsmittelallgien treten meist erst ab dem Schulalter auf. Besonders häufig ist die Birkenpollenallergie. Sie ist assoziiert mit oralen Beschwerden nach Genuss von rohem Steinobst, rohen Haselnüssen, grüner Kiwi, Karotten oder Sellerie. Typischerweise werden diese Nahrungsmittel in gekochter bzw. ausreichend erhitzter Form gut vertragen und müssen daher nicht komplett gemieden werden.
Die Bestimmung des Gesamt-IgE hat in der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien keine Aussagekraft, auch nicht zu Screening-Zwecken. Denn ein niedriges Gesamt-IgE schließt eine Sensibilisierung gegen ein Nahrungsmittel nicht aus und hohe Werte sind nicht gleichbedeutend mit einer Allergie, weil Normalwerte erheblich schwanken.
Auch spezifische IgE-Antikörpertests ergeben in den meisten Fällen aufgrund der hohen Rate von serologischen Kreuzreaktionen klinisch irrelevante Befunde. So sind z.B. 10 % der Kinder in Deutschland sensibilisiert gegen Erdnuss, aber nur 0,4 % wirklich allergisch dagegen. Serologische Befunde dürfen deshalb nur in Zusammenhang mit klinischen Symptomen gewertet werden.
Generell warnen die Autoren vor Paneltests auf mehrere sIgE-Antikörper gleichzeitig. Man erhält damit nur viele positive Ergebnisse, von denen die wenigsten klinisch relevant sind und die dazu verleiten können, unspezifische Symptome als nahrungsmittelinduziert zu deuten. Insbesondere bei gastrointestinalen Symptomen bringt eine IgE-basierte Allergiediagnostik nichts, weil diese Beschwerden fast immer nicht-IgE-vermittelt sind.
Problemkind nicht-IgE-vermittelte Allergie
Unspezifische Reaktionen auf biogene Amine möglich
Ein Prick-zu-Pricktest mit frischen Nahrungsmitteln hat den Vorteil, dass anders als bei kommerziell erhältlichen Lösungen alle potenziellen Allergene enthalten sind. Aufgrund der in vielen Nahrungsmitteln enthaltenen biogenen Amine, die irritativ sein können, besteht die Gefahr, unspezifische Hautreaktionen als positives Testergebnis zu werten. Prick-Test und sIgE-Diagnostik liefern im Prinzip ähnliche Informationen, wenngleich die Ergebnisse nicht deckungsgleich sind. Lässt sich ein begründeter Verdacht mit einem der beiden Verfahren nicht bestätigen, sollte man das jeweils andere zusätzlich heranziehen. Sicher ausschließen lässt sich eine Allergie letztlich nur durch einen oralen Provokationstest. Dieser sollte unter stationären Bedingungen erfolgen.Quelle: Lange L, Gernert S. Monatsschr Kinderheilk 2020; 168: 647-657; DOI: 10.1007/s00112-020-00922-y