Asthma: Was man von dem Anti-TSLP-Antikörper erwarten darf

Interview Manuela Arand

Es kommt eine weitere Behandlungsmöglichkeit des schweren Asthmas hinzu. Es kommt eine weitere Behandlungsmöglichkeit des schweren Asthmas hinzu. © Visual Generation – stock.adobe.com

Für die Therapie des schweren Asthma bronchiale soll noch in diesem Jahr ein Medikament mit neuem Wirkprinzip, ein Anti-TSLP-Antikörper, zur Verfügung stehen. Was dies für die Praxis bedeutet, erläutert der Mainzer Kollege Prof. Dr. Roland Buhl gegenüber Medical Tribune. 

Welchen Stellenwert wird der Anti-TSLP-Antikörper Tezepelumab in der Behandlung des schweren Asthmas bekommen?  

Wir haben bereits fünf Antikörper für die Indikation schweres Asthma, sie richten sich gegen IgE, IL-5 oder dessen Rezeptor und gegen den IL-4/13-Rezeptor. Anti-TSLP setzt weiter oben in der Entzündungskaskade, direkt am Atemwegsepithel, an. Es wirkt also breiter. Seine Effekte sind in den klinischen Studien genauso gut wie die der bereits zugelassenen Antikörper. Alle reduzieren schwere Asthmaanfälle um 40–70 %. Dieser Spielraum kommt in erster Linie durch unterschiedliche Einschlusskriterien der Studien zustande, weniger durch Wirksamkeitsunterschiede. Unter allen Antikörpern fühlen sich die Patienten besser und ihre Lungenfunktionswerte steigen an. 

Mit Anti-TSLP blockieren wir den Flusslauf ganz oben und nicht, wie mit den anderen Antikörpern, erst unten im Delta. Dadurch erübrigt sich meist die Frage, ob das Asthma allergisch, durch Eosinophile geprägt ist oder ob der Patient ein hohes FeNO hat. Der Arzt muss weniger Gedanken darauf verwenden, was das Asthma beim einzelnen Patienten antreibt.

Stichwort TSLP

TSLP, pragmatisch „Ti-Slip“ ausgesprochen, steht für Thymic Stromal Lymphopoietin. Zusammen mit IL-25 und IL-33 zählt es zu einer Gruppe von Zytokinen, die als Alarmine bezeichnet werden, weil sie in der Reaktionskette z. B. nach dem Kontakt mit Allergenen oder Mikroorganismen ganz vorne stehen. TSLP wird u.a. von Epithelzellen der Atemwege, aber auch der Haut und des Gastrointestinaltrakts sezerniert. Erhöhte Spiegel finden sich bei Asthma und anderen inflammatorischen Erkrankungen wie Neurodermitis, eosinophiler Ösophagitis und Allergien. 

Das heißt, er muss nicht mehr differenzieren, ob es sich um ein T2-high-Asthma handelt oder doch um einen der Kolibris von neutrophil bis paucigranulozytär?

Im Prinzip ja. Wobei ein T2-low- Asthma wirklich nur sehr wenige Patienten betrifft. Aber es stimmt, Anti-TSLP wirkt wahrscheinlich bei allen Formen des schweren Asthmas, wobei dennoch gilt, je eosinophiler die Entzündung und je höher das FeNO, desto besser. 

Der Gedanke drängt sich auf: Werden eventuell auch wichtige protektive Prozesse außer Kraft gesetzt, wenn man die Kaskade so früh ausbremst? 

Das ist ein wichtiger Punkt. Wir wissen noch zu wenig über seltenere Nebenwirkungen, was aber in diesem Stadium der Arzneimittelentwicklung normal ist. Bisher hat man nichts Gravierendes gesehen. Aber weil Tezepelumab sehr weit oben in die Entzündungskaskade eingreift, lässt sich nicht ausschließen, dass unten der eine oder andere Kollateralschaden entsteht. 

Gibt es weitere kritische Aspekte?

Bei Patienten, die auf orale Steroide angewiesen sind, sind die Ergebnisse in den klinischen Studien nicht überzeugend. Deshalb wäre ich hier zunächst vorsichtig. Die gängigen Antikörper etablieren sich nach und nach auch bei anderen, teils asthmaunabhängigen Krankheitsbildern – beispielsweise Anti-IgE bei Urtikaria und ABPA, Anti-IL-4/13 bei atopischer Dermatitis, Anti-IL-5 beim hypereosinophilen Syndrom. Ob dies auch bei Tezepelumab der Fall sein wird, wissen wir noch nicht. 

Wo sehen Sie die Indikationen für den Anti-TSLP-Antikörper – nur bei jenen Patienten, bei denen die anderen Antikörper nicht funktioniert haben?

Anfangs sicher, obwohl dies eigentlich der falsche Zugang mit den geringsten Erfolgs­chancen ist. Bei einem 17-Jährigen mit eindeutig allergischem Asthma werde ich zuerst Anti-IgE probieren und bei hohen Eosinophilenzahlen Anti-IL-5(R). Anti-TSLP werden am Anfang zum einen Patienten mit schwerem Asthma bekommen, bei denen ich nicht sicher bin, was der wichtigste Treiber ihrer Krankheit ist. Zum anderen werden es diejenigen erhalten, die für die anderen Antikörper nicht infrage kommen. Da füllt Tezepelumab ganz klar eine Lücke.  

Werden Sie weiter Biomarker messen, obwohl Sie sie für diesen Antikörper nicht brauchen?

Die Messungen der Biomarker liefern wichtige Erkenntnisse über die Natur des schweren Asthmas. Auf sie sollten wir nicht aus Bequemlichkeit verzichten. Zudem zeigt der Abfall dieser Marker unter der Behandlung an, dass wir richtig liegen.  

Wie hoch sind die Ansprech- bzw.  Nonresponderraten?

Das wissen wir noch nicht genau. Bisher sehen wir bei allen Antikörpern Nonresponderraten um 20 %. Damit rechne ich auch bei Tezepelumab. Das ist ein weiterer wichtiger Grund, die Biomarker bei Diagnose zu messen. Dann wissen wir, welchen Antikörper wir als nächstes versuchen sollten, wenn der Patient auf Anti-TSLP nicht anspricht. 

Anti-TSLP wird auch bei COPD erprobt. Wie beurteilen Sie die Erfolgschancen?

Ich halte sie für eher gering. Die COPD ist eine destruktive Erkrankung, Zigarettenrauch zerstört Lungengewebe. Kein Antikörper lässt beim Menschen Lunge nachwachsen. Es ist verständlich, dass man versucht, ein bei Asthma erfolgreiches Wirkprinzip auch bei COPD zu etablieren. Der medizinische Bedarf ist enorm, die Patientenzahl hoch. 

Bisher waren allerdings alle Antikörperstudien bei COPD negativ, mit einer Ausnahme: Studien, die erlaubt haben, dass auch Patienten mit Asthmakomponente teilnehmen, haben gewisse Effekte auf Exazerbationen gezeigt, aber nicht auf Lungenfunktion, Atemnot und Lebensqualität. Bei Patienten, die 40 Jahre lang geraucht, eine COPD  und nun mit Mitte 50 ein schweres eosinophiles Late-Onset-Asthma bekommen haben, helfen Antikörper. Dies gilt nicht für Patienten mit reiner COPD. Die Entzündung bei COPD ist eine andere als die beim Asthma, sie spricht weder auf inhalative Kortikosteroide noch auf die Antikörper an.

Medical-Tribune-Interview

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Es kommt eine weitere Behandlungsmöglichkeit des schweren Asthmas hinzu. Es kommt eine weitere Behandlungsmöglichkeit des schweren Asthmas hinzu. © Visual Generation – stock.adobe.com