Asthma und COPD – das Für und Wider von SABA, OCS und ICS

Manuela Arand

In der Therapie obstruktiver Lungenerkrankungen gibt es nach wie vor Luft nach oben. In der Therapie obstruktiver Lungenerkrankungen gibt es nach wie vor Luft nach oben. © iStock/yavdat

Kurzwirksame Beta-2-Mimetika und orale Steroide beim Asthma, inhalative Steroide bei der COPD: Über diese Therapieoptionen wird gestritten. Worauf gründen die Bedenken?

Die State-of-the-Art-Sitzung „Airway Diseases“ war eine der am meisten beachteten beim Europäischen Pneumologiekongress. 4613 Kollegen nahmen an ihr teil und diskutierten rege. Beim Lesen der Kommentare fällt auf, dass nicht nur das Spielfeld, sprich das Sprecherpanel hochkarätig besetzt war, sondern auch die virtuelle Zuschauerbank. Das unterstreicht die Aktualität der Themen.

SABA-Monotherapie bei Asthma

Das GINA-Komitee hat erst vor Kurzem, nach einer mehr als 30 Jahre währenden Sicherheitsdebatte, SABA als bevorzugte Bedarfsmedikation abgewählt und durch ICS/Formoterol ersetzt. Professor Dr. David Price, Observational & Pragmatic Research Institute Singapur, sieht das Problem in der Asthmatherapie zwar eher darin, dass zu wenig ICS verordnet und verwendet werden, als dass SABA per se gefährlich sind. Er räumte aber ein, dass ein hoher Verbrauch an kurzwirksamen Betamimetika mit einem hohen Exazerbations- und sogar Sterberisiko einhergeht. Dies wurde durch die SABINA-Studie kürzlich erneut bestätigt. Die Schwelle liegt danach bei maximal zwei Packungen pro Jahr.

Der paradoxe Umgang mit SABA zeigt sich u.a. darin, dass beim leichten Asthma eine SABA-Monotherapie akzeptiert ist, obwohl der Erkrankung unabhängig vom Schweregrad immer eine chronische Inflammation zugrunde liegt. Weshalb auf Stufe 1 SABA mono geht und ab Stufe 2 zwingend ein ICS dazugehört, erschließt sich mit Logik nicht. Hinzu kommt, dass Patienten das SABA als die Medikation wahrnehmen, die ihre Beschwerden beseitigt. Sie verstehen oft nicht, dass die Entzündung mit einem ICS bekämpft werden muss, um die Krankheit zu kontrollieren.

Dass GINA jetzt die bedarfsweise Anwendung von ICS/Formoterol bereits auf Stufe 1 vorsieht, alternativ einen Hub ICS als Zugabe, wenn der Patient ein SABA braucht, wertet Prof. Price als „einen gewaltigen Schritt nach vorne“. International haben sich zwar (noch) nicht alle Leitlinien dem angeschlossen, wohl aber die kürzlich veröffentlichte deutsche NVL. Grundlage sind die beiden SYGMA-Studien und die Studie Novel START. Sie zeigen unter ICS/Formoterol bei Bedarf einen ebenso effektiven Exazerbationsschutz wie unter ICS in Dauertherapie. Zudem war die Kombi der alleinigen SABA-Therapie überlegen. Dazu brauchten die Patienten unter Bedarfstherapie aber nur knapp halb so viel ICS wie unter Dauergabe.

Eine Schwierigkeit liegt darin, dass Asthma eine so heterogene Erkrankung ist. Es kann kein Patentrezept für alle geben, erinnerte Prof. Price. In einer britischen Hausarztstudie hatten rund 60 % von 262 als asthmakrank diagnostizierten Patienten gar keine Atemwegsobs­truktion, bei fast 20 % war sie nicht-reversibel. „Wir müssen die Patienten früh phänotypisieren, um sicherzugehen, dass sie wirklich Asthma haben, und dann die richtige Strategie für jeden entwickeln.“

SABINA hat auch gezeigt, dass der übermäßige Einsatz von SABA in Europa weit verbreitet ist. Deutschland und Italien schnitten recht gut ab, aber in Großbritannien etwa verbraucht die Hälfte der Asthmapatienten mehr als zwei Kanister pro Jahr. Dem gegenüber stehen viel zu geringe Verordnungszahlen von Controllern. Um dem entgegenzuwirken, sollten Wiederverordnungen von SABA limitiert, schlechte Adhärenz mit Controllern thematisiert und verstärkt ICS/LABA oder  – sofern verfügbar – ICS/SABA als Bedarfstherapie verordnet werden, empfahl Prof. Price.

Orale Steroide bei Asthma

Unstrittig stellen orale Kortikosteroide in der Asthmabehandlung ein Problem dar. Einer kürzlich erschienenen Übersicht zufolge führen sowohl der Dauereinsatz als auch mehrfache Kurzzeittherapien zu akuten und chronischen Nebenwirkungen, höheren Kosten und mehr Ressourcenverbrauch. Es gibt kaum ein Organ, das schadlos bleibt, teilweise liegen die Odds Ratios sehr hoch. Einige der OCS-induzierten oder -aggravierten Komorbiditäten wie Adipositas, Schlafapnoe oder Muskelschwäche verschlechtern ihrerseits die Asthmakontrolle und erhöhen den OCS-Bedarf  – ein Teufelskreis.

Das Problem hat also zwei Seiten: zum einen den Dauereinsatz von OCS beim schweren Asthma, zum anderen wiederholte Steroidstöße bei Exazerbationen eines unkontrollierten Asthmas. „Aber wir können es lösen“, betonte Professor Dr. Guy Brusselle, Universität Gent. Der OCS-Dauergebrauch lässt sich durch gezielten Einsatz von Biologika, die bekanntlich von GINA eindeutig als bevorzugte Option beim schweren Asthma geführt werden, mindestens halbieren.

Die Hauptursache schlechter Asthmakontrolle ist die mangelnde Compliance mit ICS, gefolgt von schlechter Inhalationstechnik, erinnerte Prof. Brusselle. Hier liegen also Ansatzpunkte, um die Asthmakontrolle zu verbessern und die Häufigkeit von Steroidstößen zu reduzieren. Relevante Risikofaktoren für schlechte Kontrolle sind außerdem Umweltfaktoren (Allergene, Tabakrauch) und unzureichende Behandlung von Begleiterkrankungen.

Inhalative Steroide bei COPD

Gibt es ein Problem mit ICS bei der COPD? „Natürlich lautet die Antwort ja“, sagte Professor Dr. James D. Chalmers, Universität Dundee. „Wenn es keinen Übergebrauch von ICS bei COPD gäbe, hätten wir keine Leitlinie schreiben müssen, wie man sie absetzt.“

In einer Studie auf Basis eines britischen Registers hat er die Daten von fast 30 000 bei Einschluss therapienaiven COPD-Patienten analysiert, die selten exazerbieren (GOLD A oder B). Die Auswertung erfasste die Jahre 2005 bis 2015. Im ersten Jahr erhielten drei Viertel der Patienten eine ICS-haltige Therapie als Erstverordnung. Der Anteil ging über die Zeit zurück, aber nur auf etwas unter 50 %. Und dies, obwohl keinerlei Indikation für ein ICS bestand. Prof. Chalmers führt den Rückgang vor allem auf die Erkenntnis der Ärzte zurück, dass ICS bei COPD das Pneumonierisiko erhöhen.

Eine andere, ebenfalls auf britischen Daten basierende Studie zeigt, dass fünf bis sechs Jahre nach der Erstverordnung fast alle COPD-Patienten unabhängig von ihrer GOLD-Klasse eine Tripletherapie aus LABA/LAMA/ICS erhalten. „Es ist offensichtlich, dass die Verordnungen nicht dem Schweregrad folgen oder den Indikationen, die wir für ICS als korrekt ansehen“, kommentierte der schottische Kollege. Vergleichbare Daten gibt es auch aus anderen Ländern.

Was Prof. Brusselle für OCS anführte, gilt laut Prof. Chalmers auch für ICS: Es gibt viele steroidinduzierte Nebenwirkungen, beginnend bei den Pneumonien. In der IMPACT-Studie kamen beide ICS-Arme (Triple und LABA/ICS) auf Raten um 100/1000 Patientenjahre, etwa 1,5-mal so viel wie unter LABA/LAMA. Experimentelle Arbeiten legen nahe, dass dies auf einen die pulmonale antimikrobielle Abwehr herabsetzenden und dysbioseinduzierenden Effekt der ICS zurückzuführen ist.

Die Lösung sieht der Experte in den aktuellen Konzepten zur personalisierten Therapie, die sich bekanntlich vor allem auf Exazerbationsanamnese und Eosinophilenzahl stützen. Bei mehr als 300 Zellen/µl Blut liegt die number needed to treat (NNT) zur Prävention einer Exazerbation bei 9, bei niedrigeren Zellzahlen steigt sie auf 46. „46 würden die meisten für zu hoch halten, aber auch die NNT von 9 zeigt, dass das ICS keine Wunderdroge für exazerbierende Patienten darstellt“, meinte Prof. Chalmers.

Die Debatte um ICS ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz. „COPD ist viel mehr“, so der Pneumologe. Eine Übersicht zeigt ganz klar, dass Grippeimpfung, Raucherentwöhnung und Reha Patienten hohen Nutzen zu vergleichbar niedrigen Kosten bringen. Prof Chalmers appellierte an die Kollegen, alle diese Optionen zu nutzen, um die COPD besser zu managen, und sich nicht in Diskussionen um den ICS-Einsatz zu verzetteln.

Quelle: ERS* International Congress virtual

* European Respiratory Society

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In der Therapie obstruktiver Lungenerkrankungen gibt es nach wie vor Luft nach oben. In der Therapie obstruktiver Lungenerkrankungen gibt es nach wie vor Luft nach oben. © iStock/yavdat