Chronische Schmerzen pflanzlich behandeln

Dr. Dorothea Ranft

Beinwellwurzel, Brennnessel, Weidenrinde, Arnika: Wie wirksam sind Pflanzenextrakte bei chronischen Schmerzen? Beinwellwurzel, Brennnessel, Weidenrinde, Arnika: Wie wirksam sind Pflanzenextrakte bei chronischen Schmerzen? © Ruckszio, Alfonsodetomas, kalcutta, netterkerl – stock.adobe.com

Viele Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oder Arthrose sind es leid, immer wieder NSAR einzunehmen. Sie haben Angst vor Magenblutungen und fragen nach pflanzlichen Alternativen. Was können Sie diesen Schmerzkranken anbieten?

Klare Worte zur Schmerztherapie im Alter findet die American Geriatrics Society: Patienten ab 75 Jahren sollten möglichst gar nicht, auf keinen Fall aber langfris­tig mit NSAR behandelt werden. Schließlich lässt sich das erhöhte Blutungsrisiko zwar mit Protonenpumpeninhibitoren durchaus verringern, nicht aber eliminieren. Außerdem muss man gerade im Alter mit ungünstigen Effekten auf Blutdruck und Nierenfunktion rechnen, erinnerte Professor Dr. ­Karin Kraft, Inhaberin des Lehrstuhls für Naturheilkunde der Universität Ros­tock.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, Ersatz für die nicht-steroidalen Antiphlogistika zu finden. Denn der entscheidende Wirkmechanismus der NSAR, die Cyclo­oxygenasehemmung, sorgt für eine rasche Linderung akuter Schmerzen. Pflanzliche Antirheumatika dagegen haben eine vergleichsweise schwache analgetische Wirkung, räumte die Spezialistin für Phytotherapie ein. Deren Stärke ist das große Spektrum an Inhaltsstoffen, das im Vergleich zu den NSAR einen breiteren Wirkansatz ermöglicht. Neben einer gewissen, wenn auch geringfügigeren Inhibition der Cyclo­oxygenase blockieren die Phytotherapeutika z.B. auch die Lip­oxygenase und die Zytokinexpression, zudem wirken sie anti­oxidativ. Mit diesem Multitarget-Effekt erklärt sich Prof. Kraft auch das langsamere Einsetzen der Wirkung.

Weidenrindenextrakt ist wirksam und gut verträglich

Die European Medicines Agency (EMA) nennt mit Weidenrinde, Teufelskrallenwurzel und Brennnesselkrautextrakt drei schmerzlindernde Phytotherapeutika für die orale Anwendung. Eines davon wird auch in der Nationalen Versorgungsleitlinie* zum nicht-spezifischen Kreuzschmerz empfohlen: Weidenrinden­extrakt kann in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen genutzt werden. Als Kontraindikationen nennen die Leitlinienautoren unter anderem die Überempfindlichkeit gegen Salicylate und NSAR, peptische Ulzera, Asthma und Schwangerschaft. Zu den Nebenwirkungen zählen al­lergische Reaktionen und gastrointestinale Symptome. Möglicherweise wird die Wirkung von Antikoagulanzien (z.B. Cumarinen) verstärkt.

Kombiniert gegen den Rheumaschmerz

Ein Kombinationspräparat aus Pappelrinde und -blättern, Goldrutenkraut und Eschenrinde (Phytodolor®) wurde vom BfArM für die Indikationen leichte bis mittelschwere Arthrose und Weichteilrheumatismus zugelassen. In drei randomisierten Doppelblindstudien zeigte es eine mit Diclofenac vergleichbare Wirksamkeit, erklärte Prof. Kraft. In den deutschen Leitlinien ist es allerdings bisher nicht genannt.

Die S1-Leitlinie der DEGAM** zum Knieschmerz mit Arthrosezeichen führt die Anwendung von Weidenrindenextrakt ebenfalls als Kann-Indikation. Und sie betont die im Vergleich zu NSAR bessere Verträglichkeit. Kontraindikationen werden keine aufgeführt. Als zweites pflanzliches Analgetikum kann Teufelskrallenextrakt (Harpago­phytum procumbens) bei Gonarthrose angewandt werden, ebenfalls mit entsprechenden Vorteilen gegenüber NSAR bei der Sicherheit. Brennnesselkraut­extrakt wird von der EMA zwar als Mittel zur Linderung leichter Gelenkschmerzen für die Selbstmedikation genannt, wird aber in den Leitlinien nicht erwähnt, so Prof. Kraft.

Pflanzliche Topika sorgen für lokale Schmerzlinderung

Neben den oralen Optionen gibt es auch lokal wirksame pflanzliche Analgetika und Antirheumatika. Beispielhaft nannte die Referentin den aus Capsicum annuum, dem Spanischen Pfeffer, gewonnenen Extrakt sowie Arnikablüten und Beinwellwurzel. Auch diese Phytotherapeutika haben einen breiteren Wirkmechanismus als die NSAR. Die Autoren der Nationalen Versorgungsleitlinie zum nicht-spezifischen Rückenschmerz schreiben, dass Pflaster und Cremes mit dem Pfefferextrakt im Rahmen der Selbstbehandlung und zusätzlich zu aktivierenden Maßnahmen eingesetzt werden können. Laut der Knieschmerz-Leitlinie der DEGAM eignet sich Ingwerpulver zur lokalen Anwendung bei Gon­arthrose, nicht zuletzt aufgrund der geringen Rate an Nebenwirkungen. Als grundsätzlichen Vorteil pflanzlicher Analgetika und Antirheumatika nannte die Kollegin das große Spektrum an Inhaltsstoffen mit verschiedenen Angriffspunkten. Die Multitarget-Wirkung sorgt für eine niedrige Neben- und Wechselwirkungsrate und gute Verträglichkeit auch bei älteren Patienten. Falls ein Verzicht auf NSAR bzw. Steroide nicht infrage kommt, kann die Kombination mit Phytotherapeutika eine Dosisreduktion ermöglichen. Ein Nachteil ist der relativ schwache analgetische Effekt, der durch die niedrige Konzentration der Einzelwirkstoffe zustande kommt, erklärte die Naturheil-Spezialistin. Außerdem setzt das Wirkoptimum bei den oralen Phytotherapeutika frühestens nach einer Woche kontinuierlicher Einnahme ein, was man mit dem Patienten besprechen muss. Schließlich müssen die pflanzlichen Medikamente dauerhaft eingenommen werden, was angesichts der guten Verträglichkeit auch möglich ist. „Supereffekte“ sind nicht zu erwarten, wohl aber eine vernünftige Wirkung im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen des Selbstmanagements. Damit, so Prof. Kraft, kann man den Schmerz langfristig in den Griff bekommen.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

* Nationale Versorgungsleitlinie Nicht-spezi­fischer Kreuzschmerz, AWMF-Register Nr. nvl-007, www.awmf.org
** Knieschmerz bei Arthrosezeichen DEGAM S1-Handlungsempfehlung, AWMF-Register Nr. 053-050, www.awmf.org

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