Thrombozytenreiches Plasma lindert womöglich Gonarthrose und Tennisarm

Michael Brendler

Thrombozyten enthalten diverse Signalmoleküle, die das Knorpelwachstum stimulieren und Entzündungen lindern sollen. Thrombozyten enthalten diverse Signalmoleküle, die das Knorpelwachstum stimulieren und Entzündungen lindern sollen. © iStock.com/Christoph Burgstedt

Mit dem thrombozytenreichen Plasma scheint die Orthopädie einen probaten Ansatz gefunden zu haben, degenerative und traumatische Erkrankungen anzugehen. Doch der steigenden Popularität der Methode steht die eher karge Evidenz gegenüber.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Präparate aus thrombozytenreichem Plasma auch in der Behandlung muskoloskelettaler Erkrankungen Karriere machen würden. Denn die Blutplättchen sind geradezu überladen mit den wachstumsstimulierenden Faktoren, die Orthopäden bei der Wiederherstellung von Geweben mit geringem oder gar fehlendem Regenerationspotenzial – also bei Knorpeln, Sehnen, Knochen und Muskeln – so dringend brauchen.

Allein in den USA lassen sich jedes Jahr 86 000 Sportler mit den sogenannten Platelet-Rich-Plasma-Präparaten (PRP) behandeln. Dr. Lukas Leitner von der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie in Graz und Kollegen bezweifeln aber, dass sich die Athleten damit wirklich immer etwas Gutes tun. Denn die erforderliche wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der PRP sei für viele Anwendungen und pathologische Störungen noch nicht erbracht, dämpfen die Autoren die allzu hohen Erwartungen an die Methode.

Autologe Wachstumsfaktoren

Platelet-Rich Plasma (PRP, thrombozytenreiches Plasma) wird aus venösem Vollblut hergestellt, indem nach Abtrennung der Erythrozyten der Überstand des Zentrifugats mit den angereicherten Thrombozyten entnommen wird. Sein Blutplättchengehalt ist in der Regel vier- bis fünfmal höher als der von unbehandeltem Blut. Vor der Injektion kann die Entleerung der α-Granula durch die Substitution von Kalziumchlorid oder Thrombin stimuliert werden. Achtung: Die Anwendung der Methode erfolgt gemäß Transfusionsgesetz. Sie wird in geschlossenen Einwegsystemen vollzogen. Zu den zahlreichen in den Thrombozyten enthaltenen Wachstumsfaktoren zählen zum Beispiel: platelet-derived growth factor (PDGF), vascular endothelial growth factor (VEGF), Insulin-like growth factor 1 (IGF-1), Fibroblast growth factor (FGF) und – in besonders großen Mengen – der transforming growth factor beta (TGF-β).

Effektiver als Hyaluronsäure

Am ehesten lasse sich eine solche Behandlung noch im Fall des Kniegelenksverschleißes und der lateralen Epikondylitis vertreten. Bei der Gonarthrose erhoffe man sich, so beschreiben es die Experten, von den wachstumsfördernden und entzündungshemmenden Faktoren aus den Blutplättchen die Stimulation der Knorpelgenese und eine Verbesserung der Symptome. Tatsächlich zeigen zwei Übersichtsarbeiten, dass PRP im frühen oder mittleren Stadium der Gonarthrose gegeben die Beschwerden besser als Placebo- oder Hyaluronsäureinjektionen lindern. Dessen ungeachtet erinnern die Autoren daran, dass die Leitlinie der amerikanischen Orthopäden die wissenschaftliche Evidenz für die Verwendung von PRP zur konservativen Gonarthrosetherapie derzeit als „nicht eindeutig“ einschätzt. Bei der lateralen Epikondylitis scheinen die PRP, was die Besserung von Beweglichkeit und Schmerz angeht, gespritzten Kortisonpräparaten durchaus überlegen zu sein. Anders sehe die Sachlage den Autoren zufolge bei der Rotatorenmanschetten­läsion der Schulter aus. Ein Cochrane-Review suchte hier vergeblich nach signifikanten Verbesserungen hinsichtlich Funktion, Schmerz und Rerupturrate nach der Verabreichung von PRP. Auch mehrere jüngere Meta­analysen konnten weder Funktionsverbesserungen noch eine Linderung der Schmerzsymptomatik belegen. Zurückhaltung ist laut den Autoren auch bei der Patellarsehnen- und Achillessehnentendinopathie geboten. Weder für die eine noch die andere Indikation fand sich in Studien eine Überlegenheit der PRP gegenüber vergleichbaren Behandlungen. Auch für die Verwendung des thrombozytenreichen Plasmas bei der Frakturbehandlung gebe es keine starke Evidenz. In diesem Zusammenhang geben die Autoren zu bedenken, dass im PRP auch katabole Enzyme enthalten seien, die als Antagonisten der Osteogenese fungieren dürften.

Kostengünstiger und praktikabler Ansatz

Mit dem thrombozytenreichen Plasma, so das abschließende Fazit, scheine zwar auch für die Orthopädie ein vergleichsweise praktikabler und kostengünstiger Ansatz gefunden zu sein, Wachstumsfaktoren direkt am Ort einer Schädigung zu applizieren. Jenseits der Schmerztherapie bei mittelgradiger Gon­arthrose und der lateralen Epikondylitis gebe es jedoch aktuell keine ausreichende Evidenz für die Methode.

Quelle: Leitner L et al. Orthopäde 2019; 48: 105-116

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Thrombozyten enthalten diverse Signalmoleküle, die das Knorpelwachstum stimulieren und Entzündungen lindern sollen. Thrombozyten enthalten diverse Signalmoleküle, die das Knorpelwachstum stimulieren und Entzündungen lindern sollen. © iStock.com/Christoph Burgstedt