Epileptische Anfälle bei Alzheimer behandeln schützt die Kognition

Friederike Klein

Mit der Dauer der Alzheimer-Erkrankung steigt die Häufigkeit von epileptischen Anfällen an. Mit der Dauer der Alzheimer-Erkrankung steigt die Häufigkeit von epileptischen Anfällen an. © iStock/koto_feja

Erleiden Menschen über 65 Jahre erstmals einen epileptischen Anfall, ist zu 8 % eine Alzheimerdemenz die Ursache. Wiederholt sich das Ereignis, sollte man den Patienten antiepileptisch behandeln – auch der Kognition zuliebe.

Bei etwa 13 % der Patienten mit Alzheimerdemenz kommt es zu epileptischen Anfällen. Betroffen sind vor allem diejenigen im Alter unter 60 Jahren. Mit der Dauer der Erkrankung steigt die Anfallshäufigkeit an, berichtete Professor Dr. Soheyl Noachtar von der Neurologischen Universitätsklinik Großhadern, München.

Nach einem ersten Anfallsereignis beträgt das Rezidivrisiko 70 % in 7,5 Monaten. Dies ergab die Analyse der Daten von 20 745 Patienten, die im US-amerikanischen National Alzheimer‘s Coordinating Center erfasst waren. Die Arbeit zeigte auch, dass Anfälle in der Vorgeschichte mit schlechteren kognitiven und funktionellen Leistungen assoziiert sind. Erneute Ereignisse verschlechterten die Fähigkeiten weiter.

Anfallsgeschehen durch Langzeit-EEG sichern

Laut Prof. Noachtar entsteht ein Teufelskreis: Die Akkumulation von Aß-Peptiden bei Alzheimerdemenz triggert synaptische Degeneration, Schaltkreisumgestaltung und pathologische Desynchronisation im gleichen Netzwerk, das auch bei Temporallappenepilepsie betroffen ist. Gleichzeitig verstärkt eine neuronale Hyperexzitabilität die synaptische Freisetzung von Aß-Peptiden und der kognitive Abbau wird beschleunigt. Auch semiologisch ähnelt die Epilepsie bei Alzheimerdemenz der bei mesialer Temporallappenepilepsie: Nicht-motorische Anfälle (z.B. Spracharrest, amnestische Periode, Verwirrtheitszustand) und Anfälle ohne Bewusstseinsverlust sind häufig. Im EEG finden sich oft subklinische Ereignisse, die im Schlaf häufiger auftreten als im Wachzustand. Daher kann das Anfallsgeschehen am ehesten mittels Langzeit-EEG gesichert werden.

Identifiziert wurden bestimmte Alzheimerdemenz-Genmutationen, die mit erhöhten Aß-Peptidspiegeln und einem erhöhten Anfallsrisiko assoziiert sind. Zudem sind epileptische Anfälle ein Frühsymptom der autosomal dominanten Alzheimer-Demenz (ADAD). Erleiden Verwandte ersten Grades von ADAD-Patienten, die kognitiv völlig unauffällig sind, einen epileptischen Anfall, steigt ihr Risiko, dass auch bei ihnen die Genmutation vorliegt von 50 % auf etwa 80 %. Dies zeigt eine Studie mit 276 Teilnehmern. Von den 11, die Anfälle erlitten, wiesen neun die ADAD-Mutation auf. Der positive prädiktive Wert für eine ADAD-Mutation beträgt bei vorhandenen Anfällen 82 %, sagte Prof. Noachtar. Bei Anfallsrezidiven sei in solchen Fällen auch ohne genetischen Test die Indikation zur pharmakologischen Therapie gegeben.

Generell plädierte der Kollege bei rezidivierenden Anfällen für eine antiepileptische Therapie, um den Teufelskreis der sich gegenseitig verstärkenden pathophysiologischen Mechanismen von Alzheimerdemenz und Epilepsie zu durchbrechen. Ein Cochrane Review kommt zu dem Schluss, dass aufgrund der bei dieser Indikation insgesamt geringen Evidenzbasis am ehesten Lamotrigin oder Levetiracetam in Monotherapie eingesetzt werden sollten. Doch Prof. Noachtar warnte vor Levetiracetam, da es emotionale und kognitive Nebenwirkungen haben kann, die schwer von der Grunderkrankung zu unterscheiden sind. Er favorisierte Lamotrigin, das ihm durch seine stimmungsaufhellenden, aktivierenden Effekte bei Alzheimerdemenz vorteilhafter erscheint.

Quelle: 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Online-Veranstaltung)

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Mit der Dauer der Alzheimer-Erkrankung steigt die Häufigkeit von epileptischen Anfällen an. Mit der Dauer der Alzheimer-Erkrankung steigt die Häufigkeit von epileptischen Anfällen an. © iStock/koto_feja