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Lokale Therapie individuell optimieren

Das metastasierte NSCLC ist eine heterogene Erkrankung. So gibt es, neben weiteren Unterschieden, Patient:innen mit begrenzter Metastasierung (oligometastasiert) und solche mit begrenzter Progression (Oligoprogression). Es existieren durchaus Fälle, in denen Entwicklung und Prognose der Krankheit vergleichsweise günstig sind: Vor allem können lokale Therapieansätze hier manchmal zu einer klinisch relevanten Krankheitskontrolle und/oder sogar zur Heilung führen. In einem neuen Review stellten die beiden Radioonkologen Prof. Dr. Dr. Joe Y. Chang und Dr. Vivek Verma vom MD Anderson Cancer Center in Houston den derzeitigen Wissensstand dar.
Die Autoren diskutierten in erster Linie prospektive Daten. Da das Thema erst seit Kurzem systematisch bearbeitet wird, schlossen sie auch Kontroversen und ungeklärte Fragen bzgl. lokaler Therapien für die oligometastasierte und oligoprogrediente Erkrankungen ein.
Rolle der lokalen Therapie
Grundsätzlich müsse die Rolle der lokalen Behandlung neu betrachtet werden, weil die bisher existierenden Daten überwiegend aus einer Zeit stammen, in der die Chemotherapie den Standard in der metastasierten Situation darstellte. In den vergangenen Jahren hingegen kamen zielgerichtete Substanzen, vor allem TKI (überwiegend bereits der dritten Generation) und Immuntherapien hinzu. Konsequenterweise passen Forschende vielfach das Design von Studien zum oligometastasierten NSCLC an, indem sie zum Beispiel jetzt eine Immuntherapie in der Erstlinie erlauben und als Stratifizierungsmerkmal nutzen.
In der noch nicht publizierten randomisierten SINDAS-Studie beim EGFR-mutierten NSCLC haben EGFR-Hemmer der ersten Generation, zusätzlich zu einer stereotaktischen Bestrahlung gegeben, PFS und OS verbessert; diesen Ansatz führen Wissenschaftler:innen nun in der NORTHSTAR-Studie mit Drittgenerations-Inhibitoren fort. Obwohl es bisher keinen Konsens über das Ausmaß des Vorteils gibt, den die lokale Therapie im Setting der neuen systemischen Substanzen bringt, empfehlen die Autoren, Betroffene nach Möglichkeit in solche Studien einzuschließen.
Design zukünftiger Studien
Die sinnvolle Planung randomisierter Studien zur lokalen Therapie ist essenziell für die Weiterentwicklung dieses vielversprechenden Felds; dazu ist es auch wichtig, Nutzen und Nachteile spezifischer Endpunkte zu berücksichtigen, deren Testung sich in dieser einzigartigen Population lohnt.
Patient:innenselektion
Definiert sind oligometastasierte oder oligoprogrediente NSCLC als intermediäres Stadium zwischen lokal fortgeschrittener/mikrometastatischer und disseminierter Erkrankung. Dennoch ist das Stadium sehr heterogen, sodass nicht alle Patient:innen gleichermaßen von einer lokalen Behandlung profitieren. Zur Selektion geeigneter Personen sind Kriterien erforderlich, die derzeit nur sehr eingeschränkt verfügbar bzw. konsensfähig sind. Das betrifft einerseits klinische Faktoren wie etwa Zahl und Ausdehnung primärer und regionärer Lymphknotenabsiedelungen oder die Wertung von Hirnmetastasen, die in Studien bisher nur sehr beschränkt repräsentiert sind.
Andererseits werden pathologische oder molekulare Biomarker künftig essenziell sein, um Patient:innen zu stratifizieren: So gibt es Hinweise darauf, dass gerade Tumoren mit niedriger PD-L1-Expression, die normalerweise auf Checkpoint-Inhibitoren schlecht ansprechen, durch eine lokale Bestrahlung diese Resistenz verlieren könnten. Daneben eignen sich in Zukunft möglicherweise Tumorbiomarker aus dem Plasma, um die Entscheidung für die Anwendung von Lokaltherapien zu erleichtern.
Therapiemodalität
Obwohl in den meisten Studien zur lokalen Behandlung von Oligometastasen bzw. Oligoprogression beim NSCLC die stereotaktische ablative Bestrahlung genutzt wurde, ist noch immer unklar, welche Therapiemodalität in welcher Situation die optimale darstellt.
Die chirurgische Entfernung einer begrenzten Anzahl von Metastasen wurde in der Vergangenheit vielfach angewendet, aber es gibt dazu keine randomisierten Studien. Ein Nachteil der Methode ist zweifellos die Invasivität und das Risiko für Komplikationen, das aber in spezialisierten Zentren mit den heutigen ausgefeilten Methoden sicher reduziert wird.
Die stereotaktische Bestrahlung kann Läsionen in kritischer Lage weniger gut kontrollieren und hat ebenfalls spezifische Nebenwirkungen, andererseits aber den Vorteil der fehlenden Invasivität. Darüber hinaus führt sie zur Abgabe von Tumorantigenen ins Blut, die wiederum Ansätze wie CPI unterstützen und verstärken können.
Techniken wie Radiofrequenz- oder thermische Ablationsverfahren kamen bislang in erster Linie bei Lebermetastasen des kolorektalen Karzinoms zum Einsatz. In der einarmigen RAPTURE-Studie mit 106 Erkrankten mit primären Lungentumoren oder Lungenmetastasen, die aber nicht für eine oligometastasierte Erkrankung selektiert waren, sprachen 88 % komplett an. Allerdings gab es eine hohe Komplikationsrate (v.a. Pneumothorax).
Die Wahl der Modalität müsse individuell erfolgen, so die Autoren, und vor allem Größe und Lage der Metastasen berücksichtigen. Insbesondere müsse der Nutzen der modernen systemischen Therapien gegen ihre potenziellen Nebenwirkungen abgewogen werden.
Bestrahlungsoptimierung
Bis heute gibt es keine Dosis und kein Fraktionierungsregime für Oligometastasen, das am meisten akzeptiert bzw. verwendet wird. Vorläufigen prospektiven Untersuchungen zufolge kann die Applikation sehr niedriger Dosen einer Radiotherapie zusammen mit einer ablativen Bestrahlung die Ansprechraten erhöhen – mutmaßlich, weil die Infiltration der Tumormikroumgebung mit Immunzellen stimuliert wird. Möglicherweise hängt das Ansprechen aber auch vom Organ ab, in dem sich die Metastasen befinden.
Polymetastasiertes NSCLC
Randomisierte Daten gibt es bislang vor allem für Patient:innen mit bis zu drei Metastasen eines NSCLC, sodass über die sinnvolle Anwendung bei höheren Zahlen bislang wenig bekannt ist. Wahrscheinlich reicht es nicht aus, eine einzelne von mehreren Absiedelungen zu bestrahlen, um eine optimale Immunreaktion auf die restlichen Krankheitsherde zu erreichen. Obwohl dazu keine belastbaren Daten existieren, könnte es sinnvoll sein, während einer Immuntherapie multiple Zyklen einer Bestrahlung auf verschiedene Läsionen, die sogenannte gepulste Radiotherapie, zu geben.
Zusammenfassung
Die lokale Behandlung von Oligometastasen und Oligoprogression entwickelt sich rasch fort und hat sich in einzelnen randomisierten Studien bereits als vielversprechend erwiesen – einschließlich eines verlängerten OS. Entscheidend für die Nutzenmaximierung wird es sein, die richtigen Patient:innen für die richtige Modalität der Lokaltherapie auszuwählen. Außerdem ist der Zuschnitt des stereotaktischen Bestrahlungsprotokolls – z.B. Timing und Sequenz – von Bedeutung. Da jeder Tumor einen individuellen biologischen Charakter aufweist, werden unterschiedliche Kombinationen aus systemischen und lokalen Strategien erforderlich sein.
Eine ablative Dosierung ist im Hinblick auf die zu behandelnden Metastasen wahrscheinlich vorzuziehen, sofern sie möglich ist und toleriert werden kann. Dadurch lässt sich eine maximale Aktivierung bzw. ein maximales Priming des Immunsystems erreichen. Die Nützlichkeit zusätzlich gegebener sehr niedriger Dosen wird noch untersucht.
In Einzelfällen könnte ein polymetastasiertes NSCLC durch eine systemische Behandlung und/oder multiple Zyklen einer gepulsten lokalen Therapie in einen oligometastasierten Status übergeführt werden, und alle Läsionen zu eliminieren, um eine Heilung zu erreichen.
Grundsätzlich sollten biologische und/oder molekulare Marker entwickelt werden, die die eindeutige Definition eines oligometastasierten Status gestatten. Dieser Status könnte überdies dynamisch sein: Zum Beispiel könnte er von der Interaktion zwischen individueller Tumorbiologie einerseits und systemischer wie auch lokaler Therapie andererseits abhängen.
Quelle: Chang JY et al. J Natl Compr Cancer Netw 2022; 20: 531-9; DOI: 10.6004/jnccn.2021.7117
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