Nach Prostatektomie adjuvante Radiotherapie oder Salvage-Bestrahlung?

Josef Gulden

Momentan scheint Abwarten die beste Alternative zu sein, um den Patienten eine unnötige Bestrahlung zu ersparen. Momentan scheint Abwarten die beste Alternative zu sein, um den Patienten eine unnötige Bestrahlung zu ersparen. © iStock/Mark Kostich

Sollten Männer mit Prostata­karzinom nach einer Prostatektomie sofort bestrahlt werden oder besser eine Salvage-Option erhalten? Drei aktuelle Phase-3-Studien und eine Metaanalyse widmen sich dieser Fragestellung. Das vorläufige Ergebnis: Die beiden Strategien sind zwar ähnlich wirksam, die adjuvante Radiatio führt aber zu mehr Nebenwirkungen.

Lokalisierter oder lokal fortgeschrittener Prostatakrebs wird meist radikal operiert. Bislang war unklar, ob die sofortige adjuvante oder eine Salvage-Bestrahlung – die erst durchgeführt wird, wenn sich ein Rezidiv andeutet – den Patienten mehr Vorteile bringt. Die Ergebnisse dreier randomisierter Studien schienen zunächst auf eine bessere biochemische Kontrolle nach adjuvanter Radiotherapie des Tumorbetts hinzudeuten. Allerdings waren die Langzeitdaten hinsichtlich progressionsfreiem, metastasenfreiem und Gesamtüberleben teils widersprüchlich.

PSA von 0,2 ng/ml als Grenze für Salvage-Vorgehen

Empfindlichere PSA-Tests erlauben mittlerweile, einen biochemischen Progress früher zu identifizieren und damit auch eher mit einer Salvage-Radiatio zu beginnen. Unter diesen Bedingungen stellten drei Arbeitsgruppen erneut die Frage, welche Strategie die bessere ist. Zusätzlich werteten die Autoren einer Meta­analyse die Daten der insgesamt mehr als 2000 Patienten mit operiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom aus.

In die RAVES-Studie schlossen Wissenschaftler um Professor Dr. Andrew­ Kneebone­, Royal North Shore Hospital, Sydney, 333 Personen aus 32 Zentren ein. Die Männer wurden aufgrund eines Adenokarzinoms der Prostata operiert und innerhalb von sechs Monaten zu einer adjuvanten oder einer Salvage-Strategie randomisiert. Letztere führten die Mediziner durch, wenn der PSA-Wert auf mindestens 0,2 ng/ml angestiegen war. Die Studie hatte ein Non-Inferiority-Design im Hinblick auf das abwartende Vorgehen. Primärer Enpunkt war das biochemisch progressionsfreie Überleben (PFS) nach fünf Jahren.

Die Forscher beendeten die Untersuchung nach median 6,1 Jahren Follow-up, da unerwartet wenige für den Endpunkt relevante Ereignisse aufgetreten waren. 50 % der Betroffenen im Salvage-Arm wurden nach der OP bestrahlt. Die PFS-Raten nach fünf Jahren unterschieden sich mit 86 % nach adjuvanter vs. 87 % nach Salvage-Therapie kaum. Die Hazard Ratio (HR) betrug 1,12, aber der p-Wert für Nicht-Unterlegenheit lag mit 0,15 oberhalb des Signifikanz­niveaus. Formal ist die Studie damit negativ. Dennoch lässt die offensichtlich identische Wirksamkeit beider Strategien und die geringere Rate an urogenitalen Toxizitäten vom Grad ≥ 2 im Salvage-Arm (54 % vs. 70 %) das abwartende Vorgehen vorteilhaft erscheinen, resümieren die Autoren. Außerdem könne damit etwa jedem zweiten Patienten die Radiatio erspart werden.

Ein ähnliches Design wies die globale, von Großbritannien aus gesteuerte Phase-3-Studie RADICALS-RT auf. Professor Dr. Christopher­ C. Parker­, Royal Marsden NHS Foundation Trust, Sutton, und Kollegen schlossen darin 1396 Personen ein.

Andere Studie mit niedrigerem Richtwert

Die Wissenschaftler randomisierten die Teilnehmer 22 Wochen nach einer radikalen Prostatektomie zur adjuvanten oder Salvage-Therapie. Letztere wurde durchgeführt, wenn der PSA-Wert mehr als 0,1 ng/ml betrug oder in Kontrollen dreimal hintereinander angestiegen war. Als primären Endpunkt definierten die Autoren das fernmetastasenfreie Überleben. Sie stellten die Hypothese auf, dass die Adjuvanz die Rate nach zehn Jahren von 90 % auf 95 % steigern würde. Die jetzt publizierte Analyse erfolgte nach median 4,9 Jahren und lieferte Ergebnisse zu u.a. Überleben ohne biochemische Progression und Sicherheit.

Nur jeder dritte Teilnehmer in der Salvage-Gruppe war innerhalb von acht Jahren bestrahlt worden. Das PSA-basierte PFS betrug nach fünf Jahren 85 % im Adjuvanz- und 88 % im Salvage-Arm (HR 1,10; p = 0,56). Das hormontherapiefreie Fünf-Jahres-Überleben ähnelte sich mit 93 % vs. 92 % (HR 0,88; p = 0,53). Der Score für Harninkontinenz nach einem Jahr war im Adjuvanz-Arm mit 4,8 versus 4,0 leicht, aber signifikant höher (p = 0,0023), ebenso die Rate an Strikturen der Harnröhre nach zwei Jahren (6 % vs. 4 %; p = 0,020). Die Ergebnisse sind noch nicht endgültig, so die Forscher. Sie sprächen zurzeit aber nicht für die sofortige adjuvante Therapie.

Die Forscher um Dr. Paul Sargos vom Institut Bergonié in Bordeaux, die in einer dritten Studie beide Strategien verglichen, planten ursprünglich, 718 Erkrankte aufzunehmen. Da aber die Ereignisrate wesentlich niedriger als erwartet ausfiel, beendeten sie die Studie, nach 424 eingeschlossenen Patienten. Neben der Randomisierung auf adjuvante oder Salvage-Radiatio erhielten alle Teilnehmer sechs Monate lang Triptorelin. Primärer Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS). Nach median 75 Monaten waren 54 % der Betroffenen im Salvage-Arm bestrahlt worden. Die EFS-Rate fiel nach fünf Jahren in der Adjuvanzgruppe mit 92 % vs. 90 % etwas höher aus (HR 0,81; p = 0,42). Hinischtlich akuter Toxizitäten von mindestens Grad 3 gab es keine Unterschiede – wohl aber bezüglich später Nebenwirkungen im Urogenitalbereich von mindestens Grad 2. Diese traten nach adjuvanter Radiatio mit 59 % mehr als doppelt so häufig auf wie nach Salvage-Behandlung (22 %). Obwohl es der Untersuchung an statistischer Power fehlte, stellten die Autoren keinen Nutzen für die Adjuvanz fest. Dagegen gab es eine erheblich höhere urogenitale Toxizität.

Angesichts der Bedeutung des Themas präsentierten Dr. Claire L. Vale vom University College London und Kollegen eine Metaanalyse der Daten von 2153 Patienten. Der primäre Endpunkt EFS war definiert als Zeit bis zum biochemischen (PSA mindestens 0,4 ng/ml), klinischen oder radio­logischen Progress, erneutem Therapiestart, Tod durch Prostatakrebs oder einem PSA-Wert von mindestens 2 ng/ml.

Im Salvage-Arm hatten 39,1 % der Männer eine Bestrahlung erhalten. Die Ergebnisse lieferten keinen Hinweis auf einen Nutzen der adjuvanten gegenüber der Salvage-Radiatio. Das EFS nach fünf Jahren betrug 89 % vs. 88 % (HR 0,95; p = 0,70). Solange wie keine Langzeitdaten verfügbar sind, empfehlen die Autoren, nach einer OP abzuwarten, bis ein PSA-Signal die Radiotherapie triggert. Den Betroffenen schade dies nicht, es erspare aber mehr als der Hälfte von ihnen die Radiatio und damit auch die nicht unerheblichen Nebenwirkungen.

Quellen:
Kneebone A et al. Lancet Oncol 2020; 21: 1331-1340; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30456-3
Parker CC et al. Lancet 2020; 396: 1413-1421; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31553-1
Sargos P et al. Lancet Oncol 2020; 21: 1341-1352; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30454-X
Vale CL et al. Lancet 2020; 396: 1422-1431; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31952-8

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