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Sekundär progrediente Multiple Sklerose: Prüfmedikament senkt Schubrate und Behinderungsprogression

Innerhalb von 15–20 Jahren entwickelt sich in mehr als der Hälfte der Fälle aus einer RRMS eine SPMS (sekundär progrediente Multiple Sklerose), für die es bis dato keine krankheitsmodifizierende Therapieoption gibt. Das soll sich laut einer Studie von Wissenschaftlern um Professor Dr. Ludwig Kappos vom Zentrum für Multiple Sklerose und Neuroimmunologie des Universitätsspitals Basel mit Siponimod bald ändern.1 Der Sphingosin-1-Phosphat-Modulator hemmt die Ausschüttung und Zirkulation von Lymphozyten im ZNS. Außerdem schützt er vermutlich vor Neurodegeneration und fördert die Remyelinisierung.
Patienten bekamen 2 mg Siponimod oder ein Placebo
Mehr als 1600 Patienten mit sekundär progredienter MS und einem Wert auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) zwischen 3 und 6,5 nahmen an einer Phase-III-Studie teil, 56 % von ihnen benötigten bereits eine Gehhilfe. Innerhalb der vorangegangenen zwei Jahre hatte sich bei allen der EDSS verschlechtert, innerhalb der drei Monate vor Studienbeginn waren bei ihnen keine Schübe aufgetreten.
Während die eine Patientengruppe Placebo erhielt, bekam die andere täglich oral Siponimod, das bis zum sechsten Tag auf 2 mg hochtitriert wurde. Im Median lief die Behandlung 18 Monate lang. Als primärer Endpunkt galt die bestätigte Behinderungsprogression nach drei Monaten. Wiesen die Betroffenen zu Anfang einen EDSS zwischen 3–5 auf, musste der Wert um mindestens einen Punkt auf der Skala klettern, lag der Ausgangswert höher, um mindestens 0,5 Punkte. Unter dem Prüfmedikament erreichten 26 % den primären Endpunkt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (32 %) verminderte sich das Risiko einer Behinderungsprogression um 21 %, nach sechs Monaten betrug der Unterschied 26 %. Positive Wirkungen erzielte Siponimod außerdem auf Hirnatrophie- und Schubrate sowie die Krankheitsaktivität im MRT.
Im 25-Fuß-Gehtest ergaben sich hingegen keine Unterschiede. Dies könnte daran liegen, dass die meisten Patienten bereits zu Beginn auf eine Gehhilfe angewiesen waren. Prof. Kappos und Kollegen vermuten, dass die hohe Variabilität die Aussagekraft des Tests beeinflusst haben könnte.
Das Sicherheitsprofil des Modulators war vergleichbar mit dem anderer Substanzen dieser Klasse. Infektionen traten – mit Ausnahme von Herpes zoster – in beiden Therapiearmen ähnlich häufig auf. Während 8 % unter dem Verum die Therapie abbrachen, taten dies 5 % unter Placebo.
Die Kollegen stufen Siponimod als potenzielle künftige Option für die SPMS ein. Der Zulassungsantrag bei der EMA soll in diesem Jahr erfolgen.2 Es seien jedoch Langzeitstudien notwendig.
Um einiges kritischer kommentieren die Neurologen Professor Dr. Luanne M. Metz und Dr. Wei-Qiao Liu von der University of Calgary die Ergebnisse.3 Ihrer Meinung nach wirkt Siponimod ausschließlich auf die Inflammation und erzielt deshalb eine stärkere Wirkung in der SPMS-Phase, in der die Entzündung dominiert.
Mit lediglich 6 % Unterschied zwischen den Gruppen ergab sich zudem nur ein kleiner Effekt im primären Endpunkt. Für die beiden Neurologen sind dies und „die fehlende Signifikanz für die wichtigen sekundären Endpunkte“ enttäuschende Ergebnisse. Ihr Resümee fällt daher weniger positiv als das von Prof. Kappos et al. aus. Sie bezweifeln, dass Siponimod eine Option für Patienten mit SPMS darstellt. Um tatsächlich als effektive Therapie zu gelten, müssten die Ergebnisse bestätigt werden.
Quelle:
1. Kappos L et al. Lancet 2018; 391: 1263-1273
2. Pressemitteilung Novartis Pharma 2018
3. Metz LM, Liu WQ. Lancet 2018; 391: 1239-1240
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