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Bei RRMS auf initiale Therapie achten, Stammzellen als Hoffnungsträger

Binnen 20 Jahren geht eine unbehandelte schubförmig verlaufende Multiple Sklerose bei etwa 80 % der Betroffenen in die zweite Krankheitsphase, die sekundäre progrediente MS (SPMS), über. Der Frage, ob das richtige Präparat zur richtigen Zeit das Risiko für einen progredienten Verlauf verzögert, gingen J. William L. Brown, Department of Clinical Neurosciences der University of Cambridge, und Kollegen in einer Studie nach. Sie analysierten prospektiv die Daten von 1555 RRMS-Patienten aus 68 Spezialzentren aus insgesamt 21 Ländern. Die Kranken hatten zwischen 1988 und 2012 entweder eine krankheitsmodifizierende Therapie (DMT) begonnen oder wurden nur klinisch überwacht. Die Beobachtungszeit betrug mindestens vier Jahre.
Patienten, die initial Glatirameracetat oder Interferon beta erhalten hatten, entwickelten seltener einen sekundär progredienten Verlauf als gematchte unbehandelte Patienten (Hazard Ratio, HR 0,71).
Primär schärfere Geschütze auffahren
Noch besser erging es jenen, die zunächst Fingolimod, Natalizumab oder Alemtuzumab bekommen hatten. Bei ihnen war das Konversionsrisiko um 34 % geringer als bei den Patienten unter Interferon beta bzw. Glatirameracetat.
Die Ergebnisse der Studie können helfen, im Einzelfall die geeignete MS-Therapie zu wählen, fassen die Autoren zusammen. Dabei müssten natürlich auch die Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen berücksichtigt werden.
Obwohl jedes Jahr hohe Summen für die DMT ausgegeben werden, ist der Erfolg überschaubar: Nach zweijähriger Behandlung weisen nur 30–50 % der MS-Patienten keine Krankheitsaktivität auf, schreiben Dr. Richard K. Burt, Division of Immunotherapy, Northwestern University Feinberg School of Medicine, Chicago, und Kollegen. Sie wählten daher einen ganz anderen Behandlungsansatz: die nicht-myeloablative hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT).
EDSS rutschte unter die Drei-Punkte-Marke
Als primären Endpunkt wählten die Kollegen die Krankheitsprogression, definiert als Anstieg des EDSS-Scores nach mindestens einem Jahr um ≥ 1,0 Punkt. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei zwei Jahren. Unter der HSCT verschlechterten sich drei Patienten im EDSS um mindestens 1 Punkt, im DMT-Arm waren es dagegen 34. Die mediane Zeit bis zum EDSS-Progress ließ sich in der Stammzelltherapie-Gruppe aufgrund zu weniger Ereignisse nicht berechnen. Unter den krankheitsmodifizierenden Therapeutika dauerte es 24 Monate. Während der EDSS bei den medikamentös behandelten Patienten im ersten Jahr durchschnittlich von 3,31 auf 3,98 anstieg, besserten sich die mittleren Werte durch die Transplantation von 3,38 auf 2,36. Das entsprach einem signifikanten Gruppenunterschied von 1,7 Punkten.Keine Aussage über langfristige Ergebnisse
In dieser Studie erwies sich die nicht-myeloablative hämatopoetische Stammzelltransplantation bei Patienten mit RRMS gegenüber der herkömmlichen, krankheitsmodifizierenden medikamentösen Therapie als effektiver, urteilen die Autoren. Sie räumen jedoch ein, dass man weitere Untersuchungen benötigt, um die Befunde zu bestätigen und die langfristigen Ergebnisse sowie die Sicherheit beurteilen zu können. In einem begleitenden Editorial weist ein Kollege darauf hin, dass zur Stammzelltransplantation bei Multipler Sklerose noch viele Fragen offen sind. So sei beispielsweise unklar, zu welchem Zeitpunkt der Krankheit die Behandlung durchgeführt werden sollte. Wie viele medikamentöse Behandlungsversuche müssen zuvor fehlgeschlagen sein? Ebenfalls wisse man nicht, welche Konditionierungstherapie vor der Transplantation am besten geeignet sei. Dies müsse alles noch geklärt werden.* Expanded Disability Status Scale
Quellen:
Brown JWL et al. JAMA 2019; 321: 175-187
Burt RK et al. A.a.O.: 165-174
Atkins H. A.a.O.: 153-155
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