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Umstrittener Erstlinien-ARNI: Debatte um die optimale Herzinsuffizienztherapie

Dr. Packer, der am Baylor University Medical Center in Dallas lehrt, hält PARADIGM-HF für eine der überzeugendsten Studien seines Forscherlebens. Zur Erinnerung: Darin hatte Sacubitril/Valsartan den damaligen Goldstandard der Herzinsuffizienztherapie, den ACE-Hemmer Enalapril, hinsichtlich der Gesamtmortalität und der dekompensationsbedingten Hospitalisierungen abgehängt. Der Effekt fiel mit einer zusätzlichen Risikosenkung um 20 % etwa doppelt so groß aus wie der des ACE-Hemmers in früheren placebokontrollierten Studien. „Das entspricht 1,5–2 Jahren Lebenszeitgewinn. Und vier Jahre später diskutieren wir immer noch, wie wir die Studienergebnisse umsetzen sollten“, kritisierte Dr. Packer.
Die Debatte entzündet sich an der Frage, ob der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) in die erste Therapielinie gehört bzw. ob zunächst die anderen evidenzbasierten Therapien – ACE-Hemmer/AT1-Blocker, Betablocker und Mineralokortikoidantagonisten (MRA) – ausgereizt sein müssen. Letzteres sieht die europäische Herzinsuffizienzleitlinie vor, Ersteres steht zumindest als Option in den amerikanischen Empfehlungen. Ein Argument, Patienten so früh wie möglich auf den ARNI einzustellen, liegt nach Ansicht von Dr. Packer darin, dass sich die Kurven bei den Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz sehr schnell trennen. Schon nach zehn Tagen wird der Effekt sichtbar, nach 30 Tagen signifikant.
Wer hält sich denn noch an Einschlusskriterien?
„PARADIGM-HF ist eine tolle Studie mit soliden Ergebnissen, keine Frage“, stimmte Professor Dr. Adriaan Voors von der Universität Groningen zu. Er warnte aber zugleich, die Ergebnisse auf alle Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zu extrapolieren. Schließlich habe die Studie sehr selektierte Patienten eingeschlossen. „Neu diagnostizierte Herzinsuffizienzpatienten unterscheiden sich erheblich von den chronischen, wie sie an PARADIGM-HF teilgenommen haben“, betonte der niederländische Kardiologe.
Er appellierte, sich an den Einschlusskriterien und der Patientenpopulation der Studie zu orientieren. Das waren nun einmal Patienten in den NYHA-Klassen II bis IV, mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion unter 35 % und Symptomen trotz Behandlung mit ACE-Hemmer und Betablocker. Außerdem wurde in der zweiphasigen Run-in-Phase sichergestellt, dass die Patienten Enalapril ebenso vertrugen wie Sacubitril/Valsartan.
Papperlapapp, entgegnete Dr. Packer: „Wir alle setzen routinemäßig ACE-Hemmer und Betablocker ein, aber wer kann sich schon an die Einschlusskriterien der Studien erinnern, die diese Therapien etabliert haben?“ Erst einmal auszuprobieren, ob der Patient den RAS-Hemmer verträgt, hält er für überflüssig: „Die meisten Patienten, die eine Herzinsuffizienz entwickeln, haben eine Grundkrankheit, die schon einen RAS-Hemmer erfordert.“ Außerdem sei es später einfacher, den MRA aufzudosieren, wenn der ARNI schon an Bord ist.
Folgen für die Kognition weiterhin ungeklärt
Prof. Voors hielt dagegen mit „Nil nocere“: Schließlich erzeuge auch der ARNI Nebenwirkungen, die man einem Patienten nur dann zumuten dürfe, wenn zu erwarten sei, dass er auch profitiere. Er nannte Hypotonie und Hyperkaliämie, aber auch die ungeklärte Frage nach den Folgen für die Kognition, wenn das amyloidabbauende Enzym Neprilysin ausfällt.
Amyloidbelastung in 30 Jahren interessiert nicht
Für diesen Augenblick hatte sich Dr. Packer sein stärkstes Argument aufgespart: „Wenn es um Krebs ginge – und wir wissen, die Prognose der Herzinsuffizienz ist so schlecht wie die bei aggressiven Tumoren – und wir hätten ein neues Arzneimittel, das die Responserate im Vergleich zur konventionellen Therapie verdoppelt und noch dazu besser verträglich ist, dann würde sich niemand um Amyloid im Hirn in 30 Jahren kümmern.“
Schön und gut, meinte Prof. Voors. Genauso wie beim Krebs nicht ein Medikament für alle Patienten geeignet sei, gebe es beim ARNI Non-Responder und Unsicherheiten hinsichtlich bestimmter Patientengruppen. Er plädierte daher für ein individualisiertes Herangehen. Man solle den Patienten die beste zur Verfügung stehende Therapie zukommen lassen, aber mit denjenigen beginnen, für die man evidenzbasierte Erkenntnisse habe. Erst dann könne man schauen, ob sich die Indikation durch gute Studien erweitern lasse.
Dennoch, am Ende der Debatte behielt Dr. Packer die Nase vorne: Er gewann die Schlussabstimmung mit 60 zu 40 %.
Quelle: ESC* Congress 2018
* European Society of Cardiology
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