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Cartoon Medizin und Markt
Welches orale Antikoagulans für wen?

Bei der oralen Antikoagulation steht man heute vor der Qual der Wahl, sagte Privatdozent Dr. Christoph Sucker vom Gerinnungszentrum Berlin. Auf der einen Seite stehen Kumarinderivate wie Phenprocoumon zur Verfügung – auf der anderen die NOAK*. Zu Letzteren zählen die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban sowie der direkte orale Thrombininhibitor Dabigatran-Etexilat.
Dass das Neue nicht automatisch das Bessere sein muss, zeigte Dr. Sucker anhand aktueller „Real-Life“-Daten aus Deutschland von mehr als 37 000 AOK-Versicherten mit Vorhofflimmern und oraler Antikoagulation. In der retrospektiven Analyse aus den Jahren 2010–2014 lag die minimale Beobachtungsdauer bei zwölf Monaten. Ausgewertet wurden die Endpunkte Tod jeglicher Ursache, Schlaganfall, Myokardinfarkt, transitorisch ischämische Attacke, arterielle Embolie und schwere Blutung. Für fast alle dieser Endpunkte wurden unter NOAK höhere relative Risiken ermittelt als unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Nur beim Endpunkt „hämorrhagische Schlaganfälle“ waren beide Substanzgruppen vergleichbar.
Altersdurchschnitt bei Zulassungsstudien niedriger
Wie lässt sich diese Diskrepanz zu den Ergebnissen der NOAK-Zulassungsstudien erklären? Vergleichssubstanz in diesen Studien war nicht das hierzulande übliche Phenprocoumon, sondern Warfarin. Zudem war die Einstellungsqualität unter VKA in den Studien mit einem TTR (Zeit im therapeutischen Bereich) von 55–65 % deutlich schlechter als z.B. in entsprechenden Registerdaten mit 70–85 %, erläuterte der Experte.
Eine weitere Erklärung könnte sein, dass in den Zulassungsstudien der Altersdurchschnitt mit 70–73 Jahren niedriger lag als bei den realistischeren AOK-Daten (Alter der Patienten im Schnitt 78 Jahre). Zudem waren in den Zulassungsstudien Hochrisikopatienten häufig ausgeschlossen.
Ein weiterer möglicher Grund für das schlechtere Abschneiden: Lässt ein Patient auch nur eine einzige Dosis z.B. von Rivaroxaban aus, ist der Schutz sofort weg – ohne dass der Arzt davon erfährt. Für Patienten mit zweifelhafter Compliance sind NOAK daher eher nicht geeignet. Bei den VKA hat man mit dem INR-Monitoring immerhin die Chance, eine mangelnde Adhärenz zu erkennen. Dr. Sucker empfahl, bei der Verordnung von NOAK auch auf den Zulassungsstatus zu achten. Nicht zugelassen sind NOAK z.B. bei valvulärem Vorhofflimmern, mechanischem Herzklappenersatz und venösen thrombotischen Ereignissen außer tiefer Venenthrombose und Lungenembolie (z.B. Thrombophlebitis, Sinusvenenthrombose, viszerale Thrombosen oder Augenvenenthrombose).
Bei tumorassoziierten Thrombosen und Thrombosen in der Schwangerschaft werden niedermolekulare Heparine (NMH) und in seltenen Fällen Fondaparinux zur Antikoagulation eingesetzt, nicht aber orale Antikoagulanzien. Auch bei Patienten mit schwerer Thrombophilie sollten aus Dr. Suckers Sicht bevorzugt VKA eingesetzt werden, da bei dieser Indikation zurzeit noch wenig Erfahrungen mit NOAK vorliegen.
* Nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien
Quelle: Vortrag „Orale Antikoagulation im Alltag: welches Präparat für wen und warum?“, Medical Tribune Forum CME, unterstützt von Roche Diagnostics Deutschland GmbH
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