Bei Videosprechstunden und elektronischer Gesundheitskarte tut sich etwas

e-Health , Telemedizin Autor: Michael Reischmann

Das Interesse an Videobesprechungen hat bei Ärzten wie Patienten zugenommen. Das Interesse an Videobesprechungen hat bei Ärzten wie Patienten zugenommen. © agenturfotografin – stock.adobe.com

Die Corona-Krise bringt die Digitalisierung im Gesundheitswesen zum Blühen. Das ist keine These mehr. Immer mehr Ärzte verlieren ihre Scheu vor Videosprechstunden.

Alexander Boschuk, bei Compu­Group Medical SE (CGM) als General Manager für die „Clickdoc Videosprechstunde“ zuständig, staunt nicht schlecht. Trotz Zertifizierung durch die KBV, Abrechnungsregelungen im EBM und eines Bundesgesundheitsministers auf Digitalisierungstrip war das Produkt wenig nachgefragt. Ende 2019 zählte Boschuk gerade einmal 750 Kunden. Nun hat Corona und die Maxime, von vermeidbaren direkten Arzt-Patienten-Kontakten abzusehen, das Interesse an sicheren Video­konferenzsystemen angeheizt.

Ende März freute sich Boschuk über weltweit knapp 50.000 Videosprechstunden-Accounts. Tausende Anschlüsse kommen täglich hinzu. Allein am 30. März (ein beliebiger Stichtag) fanden über 50.000 Videosprechstunden über das System statt. Eine Session dauert im Schnitt neun bis zehn Minuten. Sitzungen am Samstag und Sonntag kommen ebenfalls vor. Neben Ärzten melden sich laut Boschuk auch Hebammen, Psychotherapeuten und Zahnärzte dafür an.

Zu dem Erfolg trägt natürlich bei, dass CGM – wie andere Anbieter von zertifizierten Videosprechstundenlösungen auch – niedergelassenen Ärzten während der Corona-Krise das System kostenlos überlässt.

Bedenken zur Telemedizin sind leiser geworden

Ein – noch nicht absehbares – Ende der Gratis-Phase werde mit mindes­tens einem Monat Vorlauf angekündigt werden, so Boschuk.

Diskussionen um den Datenschutz, die Vernichtung von Arbeitsplätzen oder darüber, was die Patienten von Videosprechstunden halten, müsse er jetzt nicht mehr führen, berichtet Boschuk: „Es tut nicht mehr weh.“ Dabei betont er die Verschlüsselung der Sitzungen: „Wir wissen nicht, wer mit wem spricht.“

Der klassische Weg des Patienten in eine Videosprechstunde ist, dass ihm sein Arzt dafür per SMS oder E-Mail einen Termin samt Zugangs­code schickt. Es lassen sich Bilder hochladen, Bildschirmansichten teilen und weitere Personen hinzuschalten, z.B. Angehörige zum Konsil zwischen Arzt und Pflegeheim.

Bei einer aktuellen Umfrage für den Digitalverband Bitkom meinten zwei Drittel der über 1000 Befragten, Ärzte sollten Online-Sprechstunden anbieten, um die Ansteckungsgefahr in der Praxis zu reduzieren. Im Frühjahr 2019 interessierte sich erst ein Drittel für Videosprechstunden.

Doch nicht nur die Telemedizin per Videoschalte dringt dieses Jahr in die Praxen ein. Auch die Telematikinfrastruktur (TI) wird jetzt für Ärzte und Patienten interessant. Denn mit Notfalldatensatz und elektronischem Medikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ergänzen dann medizinische Anwendungen das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM).

Der Feldversuch von CGM zu Notfalldatensatz und Medikationsplan in Westfalen-Lippe läuft bereits. Etwa 7000 Anwendungsfälle – Datensatz anlegen, ändern, löschen – in Praxen und Apotheken sowie im Krankenhaus hatte die gematik vorgesehen. Die Folgen von SARS-Cov-2 bremsen allerdings etwas. Mirko Binaity, der bei CGM dieses TI-Projekt betreut, geht dennoch davon aus, dass der Feldversuch Anfang des zweiten Quartals erfolgreich beendet sein wird.

Konnektor wird für neue Aufgaben eingerichtet

Folgt dann die Zulassung ohne Nebenbestimmungen durch die gematik, könne ab Mitte des zweiten Quartals der flächendeckende Rollout beginnen. Das heißt: Der bisherige VSDM-Konnektor wird per Software-Update zum E-Health-Konnektor aufgerüstet. Mit diesem werden dann auch die Apotheken ausgestattet.

Techniker werden trotzdem in den Praxen vorbeischauen. Nämlich um weitere Kartenterminals zu installieren, erzählt Binaity. So wird z.B. im Sprechzimmer ein Terminal benötigt. Der Arzt muss für das Bearbeiten des Notfalldatensatzes auf der eGK seinen elektronischen Heilberufsausweis ins Terminal stecken, um die geforderte qualifizierte elektronische Signatur vorzunehmen. Und auch der Versicherte tippt darauf seine sechsstellige PIN ein, die ihm seine Krankenkasse zuschickt.

Zur Refinanzierung gibt es eine Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und KBV. Und im EBM existieren schon die Positionen für die Notfalldatensatzbearbeitung. Laut gematik befinden sich alle Konnektoren-Hersteller im Zulassungsverfahren für die nächste TI-Stufe. Sie seien „in Planung und Vorbereitung auf ihre Feldtests“.

Als dritte Anwendung kommt „KIM – Kommunikation im Medizinwesen“ hinzu. Dabei handelt es sich um ein sicheres E-Mail-Verfahren für den Austausch digitaler Informationen. Auch dazu findet laut Binaity ein Feldtest statt, an dem u.a. 50 Ärzte und ein Krankenhaus in Nord­rhein teilnehmen. KIM und der elektronische Arztbrief sollen das Faxgerät ablösen. Der Versand der elektronischen AU-Bescheinigung läuft ebenfalls über KIM. Die E-Mail-Adresse wird sich aus einem frei wählbaren Namen vor dem @ und der fixen Endung kim.telematik nach dem @ zusammensetzen.

Medical-Tribune-Bericht