Einstieg in die Privatpraxis: „Kombinieren Sie Ikea und Antiquitäten“
Machen Sie sich darauf gefasst, dass Sie als Privatarzt unter Kassenärzten als Außenseiter gelten“, sagt Allgemeinarzt Dr. Gepp. Seiner Meinung nach hat diese Sichtweise viel mit der Haltung der Vertragsärzte zu tun, die „Sie möglicherweise für unsolidarisch halten und die Einkommenssituation massiv überschätzen“. „Möglicherweise ist es auch ein bisschen Neid gegenüber denen, die den Schritt aus der Kassenmedizin gewagt haben“, rätselt Dr. Gepp.
Er und sein Kollege Dr. Ems sind schon länger im „Privatkundengeschäft“. Sie wissen, worauf es bei der Privatpraxis ankommt. Nachfolgend einige ihrer Tipps, die sie beim „Tag der Privatmedizin“ referierten.
Die Gründung
Überlegen Sie sich, ob Sie eine bestehende Praxis übernehmen oder eine eigene gründen wollen. Das geringere Risiko haben Sie bei der Übernahme, sofern die Rahmenbedingungen passen, d.h., sofern Ihr Vorgänger das gleiche Spektrum angeboten hat, das Sie anbieten möchten. Bei der Neugründung müssen Sie gut überlegen, wo Sie Ihre Privatpraxis eröffnen wollen und ob dort z.B. genügend Parkplätze vorhanden sind. Finden Sie durch Internetrecherche heraus, wer Ihre Konkurrenz in der näheren Umgebung ist.
Die Finanzierung
Besser ist immer, wenig Fremdkapital aufzunehmen und viel Eigenkapital in die Praxis miteinzubringen. So sind Sie im Ernstfall flexibler und die Schuldenlast bleibt niedriger. Halten Sie auch die Kosten für Ihre Praxisgeräte, zumindest am Anfang, gering. Das heißt: Schaffen Sie sich lieber Geräte an, die zwei bis drei Jahre alt sind. Läuft Ihre Praxis dann gut, können Sie immer noch in neue Geräte investieren.
Der Mietvertrag
Der Praxismietvertrag sollte unbedingt die Formulierung „zum Zweck einer Praxis“ beinhalten. Andernfalls kann es weitreichende Konsequenzen geben. Sollte die Mietraumnutzung als Zweckentfremdung angesehen werden, kann dem Mieter ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro drohen.
Die Ausstattung
Achten Sie bei der Ausstattung Ihrer Praxisräume auf ein modernes Design. „Sie können aber natürlich auch Ikea- mit antiken Möbeln kombinieren“, sagt Dr. Gepp. Der Allgemeinarzt ist sich außerdem sicher, dass ein Empfangstresen auf Tischhöhe die erste Kontaktaufnahme und somit die Kommunikation zum Patienten verbessert. Grundsätzlich sollte die Praxis aufgeräumt sein. Dr. Ems hat hierfür einen einfachen Trick: „Nehmen Sie sich die Zeit und gehen Sie durch Ihre Praxisräume, so können Sie sich in die Perspektive des Patienten hineinversetzen.“
Aufs Praxisschild gehört natürlich neben dem Namen, der Berufsbezeichnung und dem Hinweis auf die Sprechzeiten der Vermerk, dass es sich um eine Privatpraxis handelt.
Die Sprechzeiten
„Passen Sie die Sprechzeiten an Ihre Patienten an, zumindest am Anfang“, sagt Dr. Gepp. Da viele Privatpatienten beruflich eingespannt sind, könnten Sie zusätzliche Sprechzeiten unter der Woche von 8 bis 9 oder von 17 bis 19 Uhr anbieten. Möglich wären auch Sprechstunden am Mittwochnachmittag oder Samstagmorgen. Achten Sie unbedingt bei Ihrem Anrufbeantworter auf Qualität. Auch eine Aufzeichnungsfunktion, mit der der Patient Termine ab- oder zusagen kann, ist für beide Seiten von Vorteil. Versuchen Sie, die technische Kommunikation mit Ihren Patienten so einfach wie möglich zu halten.
Der Internetauftritt
Lassen Sie Ihre Praxishomepage von einem Grafiker gestalten, denn der erste Eindruck im Internet zählt. Da vieles heutzutage nur noch über das Smartphone läuft, sollten Sie auch darauf achten, dass Ihre Homepage smartphonefähig gestaltet ist.
Auf Ihrer Homepage haben Sie zudem die Möglichkeit, markante Praxismerkmale, sog. Keywords, einzubauen. So können Sie Ihre Chancen steigern, bei Suchmaschinen wie Google gefunden zu werden.
In den sozialen Netzwerken wie Facebook und Google+ haben Sie die Möglichkeit, sich und Ihre Praxis für kleines Geld gut zu präsentieren. Bitten Sie Ihre Patienten, Ihre Praxis im Netz zu bewerten oder zu liken.
Das besondere Extra
Bieten Sie Ihren Patienten einen besonderen Service: Wenn möglich, besprechen Sie Notfallbefunde noch am selben Tag, an dem das Labor die Ergebnisse an Sie geschickt hat. Bringen Sie sich auf den neuesten Stand. Erkundigen Sie sich beispielsweise in Kliniken nach MRT- oder CT-Bildern, so früh es geht. Bauen Sie sich zudem mit Ärzten und Kliniken aus Ihrer Region ein Netzwerk auf. So können Sie Ihren Patienten zeitnahe Termine in Krankenhäusern oder bei Fachärzten verschaffen.
Pflegen Sie den Kontakt zu Ihren Patienten, lassen Sie auch eine persönliche Bindung zu. Diese sollte allerdings nicht so eng werden, dass man Sie dann z.B. mit dem Wunsch nach Gefälligkeitsattesten traktiert.
Bedenken Sie, dass Ihre Privatpatienten jede Rechnung von Ihnen einsehen können. Versuchen Sie deshalb unter keinen Umständen Abrechnungstricks anzuwenden, betont Dr. Gepp. Das könnte Sie Ihre Existenz kosten. Spielen Sie zudem mit offenen Karten: Klären Sie jeden Patienten vor der Behandlung über die Kosten auf.
Einen letzten Tipp gibt es von den beiden Allgemeinmedizinern noch: Überlegen Sie sich gut, ob Sie in der Region, in der Sie Ihre Privatpraxis eröffnen wollen, auch wirklich leben möchten.
Ich habe einfach mehr Freude
Dr. Ballidis: Weil ich überwiegend mit der Arbeitsweise der gesetzlichen Krankenkassen und mit der Gängelung, die wir erfahren, nicht mehr zufrieden war. Ich bin der Meinung, dass wir unsere Patienten anders behandeln sollten, sodass sowohl Arzt als auch Patient zufrieden sind. Ich sehe das im Bereich der freien privaten Medizin eher gewährleistet. Vor allem greift dieses Problem in meinen Arbeitsschwerpunkten, der Präventivmedizin und dem medizinischen Anti-Aging, wo nach wie vor vieles leider keine Kassenleistung ist. Bis dato macht es also gar keinen Sinn, in diesem Bereich vertragsärztlich tätig zu sein. Die letzten Jahre behandelten Sie in einem Angestelltenverhältnis Kassenpatienten, was hat Sie daran gestört?
Dr. Ballidis: Ich bin seit acht Jahren im niedergelassenen Bereich tätig, zuletzt in einer Gemeinschaftspraxis als angestellte Fachärztin. Auch dort habe ich eben nicht so arbeiten können, wie ich wollte. Es gab viele Patienten, die fielen einfach durchs Raster, das heißt: Es gab nicht genügend Zeit und keine adäquate Liquidationsmöglichkeit, ihre komplexen Beschwerden und Anliegen sinnvoll im Praxisalltag zu behandeln. Eben solchen Patienten wollte ich eine Auffangmöglichkeit bieten. Wie haben Sie den Wechsel empfunden? Wie war Ihr Start in der eigenen Privatpraxis? Dr. Ballidis: Vieles ist natürlich Neuland, vor allem, wenn man zuvor angestellt war und sich nicht um wirtschaftliche und verwaltungstechnische Belange kümmern musste. Insgesamt habe ich aber von vielen Seiten Unterstützung erhalten, insbesondere in der Planungs- und Aufbauphase. Kollegen, Berufsverbände und freie beratende Institutionen haben mir viele meiner Fragen beantworten können. Die Arbeitsweise im Alltag ist durch das Wegfallen vieler Reglementierungen und die größere Selbstbestimmung deutlich erleichtert, weniger druckbehaftet und macht daher einfach mehr Freude. Ich hoffe, dieses Empfinden kann ich an meine Patienten weitergeben und ihnen nun auch die Zuwendung zuteilwerden lassen, die vorher nicht möglich war.