Corona-Schutzmaßnahmen Gesetz geht, Hausrecht bleibt
Aufgrund der sich abschwächenden Pandemiewelle hat die Bundesregierung nahezu alle verbliebenen Test- und Maskenpflichten zum 1. März 2023 ausgesetzt. Dies gilt auch für Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen. Für Patient:innen und Besucher:innen in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen gilt hingegen bundesweit noch bis zum 7. April die Maskenpflicht. Da weiterhin eine Infektionsgefahr besteht, legen manche Praxisinhabende Wert darauf, dass Beschäftigte und Patient:innen auch nach diesem Datum eine Maske tragen. Können sie das durchsetzen?
Personal hat Mitwirkungspflicht
Praxisinhabende können den Zutritt zu den Räumen weiterhin vom Tragen einer Maske abhängig und insoweit von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Denn sie haben das Recht und die Pflicht, Hygienemaßnahmen festzulegen, um vor Infektionen zu schützen. Grundsätzlich steht Inhabenden die Organisationshoheit für ihre Praxisräume zu, d.h. sie prüfen und entscheiden selbstständig, was zu den erforderlichen Hygienemaßnahmen gehört.
Maske nur bei vulnerablen Personen
Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Allgemeinmedizinerin in Pforzheim und Vorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, bittet in der Praxis nur noch bei bestimmtem Anlass um eine Maske: „Wir wissen in den meisten Fällen, ob Patient*innen, die zu uns kommen, zu vulnerablen Gruppen gehören, weil sie beispielsweise ein Immunsuppressivum einnehmen oder eine onkologische Erkrankung haben. Im Kontakt mit diesen Personen tragen wir selbstverständlich gerne weiter Masken. In Bezug auf die Masse der Patient*innen besteht für das Team keine dauerhafte Verpflichtung zum Tragen einer Maske mehr, sondern eben anlassbezogen, zum Beispiel in der Infektsprechstunde. Ansonsten setzen wir bei den Patient*innen auf eigenverantwortliches Handeln und empfehlen das Tragen der Maske in allen Situationen, in denen es zum Schutz von Infektionen sinnvoll ist.“
Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth schreibt in unserer Praxiskolumne regelmäßig über Themen, die sie und andere Mediziner:innen beschäftigen. Sie hat mehrmals über die Auswirkungen der Coronapandemie auf den Praxisalltag berichtet. So beispielsweise Ende 2021 in „Ohne ausreichend Sprit stottert der Impfturbo“.
Das Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen stellte auf eine Presseanfrage hin klar, dass die Anordnung einer Maskenpflicht dann angebracht sei, wenn Arbeitgeber bei ihrer Gefährdungsbeurteilung zu dem Ergebnis kommen, dass dies zur Gefahrenvermeidung am Arbeitsplatz notwendig ist. Die Gefahrenvermeidung wäre in diesem Fall die Verhinderung von Infektionen mit COVID-19. Jeder Arbeitgeber sei verpflichtet, die Gefährdungen für seine Beschäftigten zu ermitteln, zu reduzieren oder zu beseitigen. Wenn der Arbeitgeber danach Masken zur Verfügung stellt, habe das Praxispersonal eine arbeitsrechtliche Mitwirkungspflicht, muss diese also auch tragen.
Patient:innen an Hausrecht gebunden
Für Patient:innen sind Masken noch bis zum 7. April verpflichtend. Dies könnte zu der kuriosen Situation führen, dass Patient:innen mit Maske auf Praxisbeschäftigte treffen, die keine tragen. Diskussionen über die Sinnhaftigkeit der Maßnahme sind vorprogrammiert. Bei Konflikten können sich Praxisinhabende auch gegenüber den Patient:innen auf ihr Hausrecht berufen. Hinzuweisen ist darauf, dass nur in Notfällen Patient:innen auch ohne Maske behandelt werden müssen.
Luft wie bei der Grammy-Verleihung
Die Hausärztin Dr. Cornelia Werner bittet Personal und Patient:innen in ihrer Praxis in Erbach bei Ulm, weiterhin eine Maske zu tragen – mit bildhaften Argumenten. Ein Abschnitt aus ihrem Infoschreiben: „Liebe Patient*innen, auch wenn die Gesetzgebung seit dem 1.3.23 keine Maskenpflicht mehr für unser Personal und ab 7.4.23 für Patienten vorsieht, werden wir weiterhin den Hygienestandard bieten, den sich u.a. die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos oder der Grammys leisten: saubere Raumluft. Dies bedeutet für uns selbstverständlich, dass wir die Maske aufbehalten. SARS-CoV-2 ist endemisch, was einfach „weit verbreitet“ bedeutet. Harmlos ist es dennoch nicht. Wir möchten im Sinne des Infektionsschutzes insbesondere den Risikopersonen einen geschützten Raum bieten. Daher bitten wir sie höflichst um Verständnis, dass auch in Zukunft das Tragen einer Maske bei Betreten der Praxis verpflichtend sein wird.“
„Über kurz oder lang – Long-COVID“
In unserem Podcast O-Ton Allgemeinmedizin beschäftigt sich Dr. Cornelia Werner mit dem Thema Long-COVID. In insgesamt sieben Folgen kommt die Hausärztin mit anderen Mediziner:innen und Expert:innen zu den Langzeitfolgen von COVID-19 ins Gespräch.
Wie setzt man das Hausrecht durch?
Sobald ein Patient zum Verlassen der Praxisräume aufgefordert wurde und dem nicht nachkommt, erfüllt er den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB. Der oder die Praxisinhabende sollte in diesem Fall nicht versuchen, das Hausverbot selbst durchzusetzen, sondern die Polizei rufen. Sofern der Patient trotz des Hausverbots erneut einen Termin vereinbaren möchte, sollte der oder die Praxisinhabende vorher festlegen, ob eine Behandlung überhaupt in Betracht kommt oder ob das Hausverbot bestehen bleiben soll.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass jede:r Praxisinhabende unter Berufung auf das Hausrecht das Tragen einer Maske beim Betreten der Praxis oder für das Wartezimmer verpflichtend vorschreiben kann, aber nicht muss. Die Praxisinhabenden können nach den Begebenheiten vor Ort entscheiden, ob und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind. Zudem bleibt es allen unbenommen, weiterhin freiwillig in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eine Maske zu tragen.
Medical-Tribune-Gastbeitrag