Männer als MFA „Nein, ich bin nicht der Doktor“

Praxismanagement , Team Autor: Isabel Aulehla

Die wenigen Männer im Beruf als Role Models nach vorne holen, um das Geschlechterklischee
aufzubrechen. (Agenturfoto) Die wenigen Männer im Beruf als Role Models nach vorne holen, um das Geschlechterklischee aufzubrechen. (Agenturfoto) © iStock/sturti

Medizinischer Fachangestellter – für viele Menschen klingt das ungewohnt. Das Image des Berufs ist tief von tradierten Geschlechterrollen geprägt. Doch mit den richtigen Kampagnen könnte man mehr Männer für die Ausbildung begeistern.

Hat sich in Ihrer Praxis mal ein Mann als MFA beworben? Wahrscheinlich nicht. Im März 2021 lag der Anteil der Männer unter den MFA nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bei gerade mal 1,6 % (414.000 weibliche MFA, 6.500 männliche).

Dieses Ungleichgewicht ist mit Blick auf den ohnehin schon herrschenden Fachkräftemangel fatal, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken könnte. Es zeigt zudem, wie stark die Wahl und die Wahrnehmung des Fachberufs in der Öffentlichkeit immer noch von tradierten Rollenvorstellungen geprägt ist. „Wir dichten Berufen ein Geschlecht an“, erklärt Miguel Diaz, Leiter der Servicestelle der Initiative „Klischeefrei“, die sich für eine klischeefreie Berufs- und Studienwahl einsetzt.

Männliche MFA werden oft für Ärzte gehalten

So ist es für viele Patientinnen und Patienten schier nicht vorstellbar, dass es sich bei einem Mann am Empfangstresen „nur“ um eine Fachkraft handeln könnte. „Anfangs musste ich einigen Patienten wirklich einige Male sagen, dass ich nicht der Arzt bin“, berichtet ­Andreas Wildt, der seit über 25 Jahren in einer Hautarztpraxis arbeitet. Andere männliche MFA kennt er nicht, auch in der Berufsschule sei er immer der einzige gewesen. „Ich hatte dadurch aber keine Vor- oder Nachteile. Ich habe mich ernst genommen gefühlt.“

Auch Adrian Klein, Auszubildender in einer Wiesbadener Hausarztpraxis, wird ab und an für einen Arzt gehalten. „Es ist schade, dass nur so wenige Männer MFA werden“, meint er. Er vermutet, dass einige sich davon abschrecken lassen, fast ausschließlich mit Frauen zusammenzuarbeiten. Anderen würde vielleicht auch der Nervenkitzel fehlen. Das Rote Kreuz oder die Klinik seien dann interessanter. Er hingegen fühlt sich in der Praxis wohl. „Ich mag das Miteinander und ich finde es toll, jemandem zu helfen und zu sehen, wie das Krankheitsbild sich bessert“, erzählt er. Er will sich nach der Ausbildung noch weiter qualifizieren.

In der Öffentlichkeit geht oft unter, dass der komplexe Beruf vielfältige Kompetenzen erfordert: „Die Palette reicht vom kommunikativen über das medizinische bis hin zum technischen und organisatorischen Wissen und Können“, betont ­Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe. Stattdessen wird der Beruf auf „Care“-Arbeit reduziert.Diese würde gesellschaftlich eher weiblich konnotiert, erklärt Diaz. Insbesondere Mädchen würden lernen, dass es wünschenswert sei, sich mitfühlend um andere zu sorgen – auch wenn die Bezahlung niedrig ist.

Das Berufsbild an sich scheint für Männer nicht unbedingt unattraktiv zu sein. So sei das Geschlechterverhältnis im Studiengang „Physician Assistance“ mit 60:40 fast ausgeglichen, berichtet Dr. Nicola ­Buhlinger-Göpfarth, Professorin für das Fach an der Hochschule für Gesundheit, Soziales und Pädagogik sowie Haus­ärztin in Pforzheim. Die Absolventen können einfache Behandlungen selbstständig durchführen und Ärzten unter anderem bei Operationen assistieren. Anders als der Ausbildungsberuf MFA hat der recht neue Studiengang nicht das Image eines „Frauenfachs“.

Berufsbild wird enorm unterschätzt

Der Beruf MFA ist hingegen historisch vorbelastet. Er entstand als Anlernberuf, den Frauen quasi nebenbei erlernen und ausüben können, erklärt Hannelore ­König. Doch es entstehe der Eindruck, dass der Beruf teilweise gar nicht als Beruf wahrgenommen werde. So sei es erstaunlich, dass, wenn über „Frauenberufe“ gesprochen werde, kaum jemand an MFA oder Arzthelferin denke. Erwähnt würden Krankenschwestern und Lehrerinnen, obwohl der Frauenanteil in diesen Berufen um einiges geringer sei.

Von den Kampagnen der Handwerkskammern lernen

Um künftig mehr Männer für die Ausbildung zum MFA zu gewinnen, könnten sich die zuständigen Institutionen etwa an den Kampagnen des Handwerks orientieren, schlägt Diaz vor. In diesen geht es umgekehrt oft darum, Frauen für „Männerberufe“ zu begeistern. Dies gelinge, indem man Role Models schaffe. „Die wenigen männlichen MFA sollten nach vorne geholt werden, damit Jungs überhaupt sehen, dass es den Beruf gibt.“ So könnte man beispielsweise bildstarke Storys mit einigen von ihnen machen. Dass die Notwendigkeit besteht, zeigt unter anderem ein Eintrag eines Users in einem Jobportal. Er fragt, ob Männer überhaupt MFA werden dürfen, oder ob nur Frauen Zugang zum Beruf haben. Zudem sei es wichtig, für Jugendliche gegengeschlechtliche berufliche Erfahrungswelten zu öffnen, etwa durch den „Boys‘ Day“, so Diaz. An diesem können Schüler für einen Tag Berufe kennenlernen, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Für Schülerinnen gibt es als Pendant den „Girls‘ Day“. Um festgefahrene Vorstellungen über die vermeintliche „Hilfstätigkeit“ in den Praxen aufzulösen, müsse man Schüler darüber informieren, was MFA überhaupt machen und was den Beruf auszeichnet. Klassische Mythen über Care-Berufe müsse man aushebeln: In der Altenpflege werde beispielsweise teilweise schwerer gehoben als im Handwerk. Trotzdem halte sich die Unwahrheit, dass das Handwerk eher nichts für Frauen sei, weil man dort schwer heben müsse. Die Landesärztekammer Bayern setzt darauf, Kampagnen wie den Boys‘ Day zu unterstützen und bei Ausbildungsmessen bei weiblichen und männlichen Interessenten für das Berufsbild zu werben. Die Kammer verzeichnet in den letzten Jahren eine stetig steigende Zahl von männlichen Auszubildenden: Von 2013 bis 2020 stieg der Anteil immerhin von rund 0,8 % auf 3 %. Der Verband medizinischer Fachberufe meint, es sei zentral, die Wertschätzung der Leistungen von MFA zu erhöhen, sowohl gesellschaftlich als auch finanziell. „Die Finanzierung des Gesundheitswesens muss so umgestaltet werden, dass die von uns erzielten Tarifsteigerungen direkt – gern über die Honorare – an die MFA weitergegeben werden. Im stationären Bereich funktioniert das auch“, betont Hannelore König. Erst wenn die Gehälter der MFA stimmten, würden sich auch mehr Männer für den Beruf interessieren. Natürlich ist eine umfassende Veränderung nur durch ein langfristiges gesellschaftliches Umdenken hinsichtlich der Geschlechterrollen möglich. Die Initiative „Klischeefrei“ versucht, verinnerlichten Rollenvorstellungen schon ab der frühen Bildung etwas entgegenzusetzen. „Es gibt eine wahnsinnig große Bandbreite von Verhaltensdispositionen von Mädchen und Jungen. Es geht darum, diese Vielfalt zu sehen und zu fördern“, betont Diaz. „Mädchen können Raketen bauen, Jungs können sich um verletzte Tiere kümmern.“ Die Initiative hat beispielsweise ein Wimmelbuch geschaffen, in dem Berufe auch vom jeweils anderen Geschlecht ausgeübt werden. Zu sehen sind etwa eine Dachdeckerin, eine Zimmerin oder ein Pfleger. Es kann kostenlos bei der Initiative bestellt und etwa im Wartezimmer ausgelegt werden, regt Diaz an. Bis ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis unter den MFA erreicht ist, entgeht den meisten Praxen die Erfahrung, in gemischten Teams zu arbeiten. „Wir haben die Arbeit mit einem Mann als sehr bereichernd empfunden“, berichtet Prof. Buhlinger-Göpfarth von einem männlichen Auszubildenden. „Umgekehrt wäre das natürlich genauso gewesen, bei einem Männerteam, das durch eine Frau ergänzt wird.“ Organisatorisch seien einige Kleinigkeiten zu beachten gewesen. Etwa, ob eine gemeinsame Personaltoilette in Ordnung ist und wie das Umziehen abläuft. Doch diese Fragen seien schnell geklärt gewesen.

Medical-Tribune-Bericht

Miguel Diaz, Leiter der Servicestelle der Initiative „Klischeefrei“ Miguel Diaz, Leiter der Servicestelle der Initiative „Klischeefrei“ © kompetenzz.de, Dimitrie Harder
Andreas Wildt, MFA in einer Hautarztpraxis Andreas Wildt, MFA in einer Hautarztpraxis © zVg
Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe © VmF