Perfusion, Débridement, Kofaktoren – Voraussetzungen einer adäquaten Wundheilung

Autor: Dr. Sascha Bock

Die Ätiologie bildet die Grundlage einer erfolgreichen Wundtherapie. Die Ätiologie bildet die Grundlage einer erfolgreichen Wundtherapie. © iStock/MangTeng

Eine chronische Wunde verschließt sich nicht einfach, nur weil Sie eine Auflage draufpacken. Zunächst müssen Sie die Läsion „aktivieren“, sprich die Durchblutung fördern und Beläge abtragen. Im Heilungsprozess kommt es dann sogar auf die Ernährung des Patienten an.

„Wir müssen uns fragen, was die Wunde uns sagen will“, so Dr. Bernd Weinmann vom Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. Schließlich entscheide die Ätiologie über das weitere Vorgehen und bilde die Grundlage einer erfolgreichen Wundtherapie. Hat z.B. der diabetische Fuß eine angio­pathische Komponente oder liegt ein rein neuropathisches Problem vor? Letzteres geht laut Dr. Weinmann mit einer deutlich besseren Prognose einher und die Läsion lässt sich in erster Linie internistisch behandeln. Im Verlauf sollte der Heilungsprozess regelmäßig evaluiert werden: Tut sich trotz Therapie acht Wochen lang nichts, ist mit der Zuschreibung der Ätiologie irgendetwas faul.

Füße anfassen, Pulse tasten, Dopplersonde draufhalten

Damit sich eine chronische Wunde überhaupt wieder verschließt, müssen Sie sie zunächst in einen aktiven Zustand überführen. Wesentlich dazu bei trägt ein Débridement, also die Entfernung von allem, was nicht der Regeneration dient. Wer sich dazu entschließt, muss vorher die Durchblutung sicherstellen. Denn „nur was durchblutet ist, kann heilen“, so der Kollege. Konkret heißt das: Füße anfassen, Pulse tasten, Dopplersonde draufhalten (ABI-Messung)! Finden sich Defizite in der Perfusion, muss die Wunde durch eine Revaskularisation erst „aktiviert“ werden. Einen Chirurgen bzw. Interventionalisten sollte man daher frühzeitig miteinbeziehen.

In der inneren Medizin dominieren Wunden auf dem Boden von chronisch-venöser Insuffizienz, pAVK sowie Diabetes, weiß Dr. Weinmanns Kollegin Dr. Andrea Schindlbeck. U.a. verzögern Gewebereste, Nekrosepartikel und der Biofilm die Heilung. Derartige Beläge gilt es zu beseitigen, denn eine Auflage braucht Kontakt zur Wunde, um überhaupt zu wirken.

Geeignete Reinigungssubstanzen zeichnen sich durch die Eigenschaften steril, farblos und nicht-reizend aus. Neben Kochsalz- oder Ringerlösungen, die wegen potenzieller Kontamination der Flaschen nur einmal verwendet werden sollten, gibt es wirkstoffhaltige Lösungen mit:

  • Polyhexanid (z.B. Prontosan®, Lavasorb®) – Cave: nicht auf Knorpel/Knochen
  • Octenidin (z.B. Octenilin®, Octenisept®) – Cave: nicht in tiefe Körperhöhlen
  • Hypochlorsäure (z.B. Granudacyn®)

Dr. Schindlbeck nutzt Letzteres gern für übel riechende Wunden, da die Chlornote den Geruch gut über­deckt. Der Biofilm lässt sich aufgrund der Tenside und Betaine in Spüllösungen entfernen. Beide reduzieren dessen Oberflächenspannung und zerstören die Lipopolysaccharidschicht der Bakterien. Achten Sie beim Reinigen grundsätzlich auch darauf, nicht mit Druck zu spülen und einen Abfluss sicherzustellen.

Kein Leitungswasser, keine Fußbäder!

In den USA stehen die Kollegen einer Wundspülung mit Leitungswasser recht offen gegenüber. Dort fließt aber häufig gechlortes Wasser durch die Rohre. In Deutschland gibt es dagegen einen klaren Konsens: Nehmen Sie sterile Spülflüssigkeiten. Falls Sie doch den Hahn aufdrehen, dann nur mit sterilen Endfiltern. Denn oft ist nicht das Wasser an sich das Problem, sondern die kontaminierten Duschköpfe. Wund-/Fußbäder gelten nicht mehr als zeitgemäß. Darin lösen sich Keime, Eiter und Exsudat und sorgen quasi für eine unmittelbare Reinfektion, weil der Abfluss fehlt. Eine sinnvollere Alternative: Angefeuchtete Kompressen 20–30 min auf der Wunde einwirken lassen und dann die Beläge wegwischen.

Beim Débridement darf es ruhig bluten

Führen Pinzette und Tupfer nicht zum gewünschten Ergebnis, steht ein Débridement an. Dieses kann mechanisch, (bio)chirurgisch oder autolytisch erfolgen. Gerade in Phasen, in denen die Läsion etwas sensibler ist (Granulation, Epithelisierung), genügen oft schon Kompressen. Sie können die Wunde entweder damit auswischen oder eine angefeuchtete Kompresse mit leichtem Druck auflegen. Beim Débridement mit Skalpell und scharfem Löffel darf es dann ruhig bluten, so die Kollegin. Das gewährleistet den Übergang in einen aktiven bzw. akuten Zustand. Für den biochirurgischen Weg gibt es steril gezüchtete Maden, die man – eingeschlossen in kleinen Täschchen – auf die offene Stelle legt. Dr. Schindlbeck zufolge beeinflusst die Arbeit der Tierchen den Verlauf gleich mehrfach positiv. Die autolytische Variante erfolgt mit Hydrogelen. Dadurch verlieren die Beläge ihre Festigkeit und lösen sich vom Grund.

Die Therapie beschränkt sich keineswegs auf die Hautläsion

Im Alltag gelingt ein adäquates Abheilen aber nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit. „Wundbehandlung ist kein Alleingang“, konstatierte Sabrina Bothur, Pflegeexpertin für chronische Wunden vom Asklepios Westklinikum Hamburg. Sobald es darum geht, mehr als ein Pflaster aufzukleben, sollten Sie einen Experten bzw. eine spezialisierte Ambulanz mit ins Boot holen. Die Mitarbeiter führen u.a. Gefäßdiagnostik und Wundanamnese durch, schulen Patienten und Angehörige, legen im Team einen Therapieplan fest und unterstützen die stationäre wie ambulante Versorgung. Eine optimale Behandlung beschränkt sich keineswegs auf die Hautläsion. Schließlich sei es der Patient, der die Wunde hat, erinnerte Bothur. Sprechen Sie sich in der Praxis mit Kollegen ab und berücksichtigen Sie die Aspekte Schmerztherapie, Ernährung (z.B. Flüssigkeitsverlust bei exsudativen Ulzera kompensieren), Physiotherapie (Gangschulung, Lymphdrainage) und orthopädisches Schuhwerk.

Quelle: 124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin