Adipositas: „Prävention muss auch wehtun“
„Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Durchsetzungsproblem“, meint Dr. Dietrich Garlichs, ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Zahlreiche Initiativen sowie nationale Strategien gebe es bereits, um Präventionspolitik für Adipositas und Diabetes mellitus zu betreiben. „Viele Anstrengungen, wenig Wirkung, das ist der politische Hintergrund, vor dem wir uns derzeit bewegen“, sagt Dr. Garlichs. Er definiert das Problem so: „Alle bisherigen Präventionsangebote sind entweder freiwillige Angebote, Empfehlungen, Informationen oder Appelle. Es sind Insellösungen ohne Nachhaltigkeit.“
Wenn gekocht wird, dann oft mit Convenience-Produkten
So seien Menschen umgeben von hochkalorischen Lebensmitteln, die sie an jeder Straßenecke und zu jeder Tageszeit konsumieren können. Auch die Zubereitung von Lebensmitteln nehme ab, die Außer-Haus-Ernährung hingegen steige. Wenn noch gekocht werde, dann oft mit Convenience-Produkten.
Ginge man aber weg von den freiwilligen Angeboten hin zu Ver- und Geboten, müsse man die politischen Interventionsinstrumente vorsichtig platzieren. „Den Deutschen ist der Aspekt der Eigenautonomie und Selbstbestimmung besonders wichtig“, weiß der studierte Politikwissenschaftler. So gebe es gegen jeden Regulierungsversuch Gegenargumente, die sowohl von einzelnen Politikern als auch von der Industrie und deren Lobbyverbänden kommen.
Laut Dr. Garlichs sprechen manche konservative Politiker bereits von „Ernährungsdiktatur“. Regulierungen über den Preis, z.B. über eine Zuckersteuer, könnten hingegen auf linksliberale Abwehr treffen, weil sozial schwache Gruppen stärker davon betroffen wären als andere. Genau diese gilt es aber zu erreichen, meint Volkswirt Dr. Tobias Effertz, Privatdozent der Universität Hamburg.
Ungesunde Lebensmittel teuer und gesunde günstig machen
Sein Appell an die Politik lautet: Immer dann, wenn der Verbraucher vor der Wahl steht, welches Lebensmittel er konsumieren möchte, sollte das ungesunde Lebensmittel teurer und das gesunde günstiger sein. „Make the healthier choice, the easier, or the cheapest choice“, so Dr. Effertz. Weiter führt er aus: „Die Präventionsmaßnahmen müssen da wehtun, wo das Problem liegt, und das ist leider nun mal bei den unteren sozialen Schichten.“
Besteuern, aber wo und wie?
Problem der Zukunft: Kindermarketing übers Handy
Ein Zukunftsproblem sieht der Ökonom in der Smartphone-Nutzung. Bereits jetzt würden 17 % der Sechsjährigen und 92 % der 13-Jährigen ein Handy besitzen. Die Gefahr, dass Kinder die Zeit am Smartphone verlängern, ist hoch. Das könne zu weiteren Kontakten mit der Internetwerbung der Lebensmittelindustrie führen.Quelle: Diabetes Herbsttagung 2018 / Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft 2018