„Es gibt keine kardiale Demenz“: Herz und Hirn beeinflussen sich gegenseitig
Neurokognitive Störungen treten u.a. bei Patienten mit Herzinsuffizienz gehäuft auf. Der kausale Zusammenhang liegt in diesem Fall nahe: Die Ejektionsfraktion sinkt, dadurch nimmt die zerebrale Perfusion ab und es entstehen chronische Ischämien, die wiederum die kognitiven Defizite bedingen. „Hinter diese monofaktorielle Betrachtung kam in den letzten Jahren ein Fragezeichen“, sagte Professor Dr. Matthias Sitzer von der Klinik für Neurologie am Klinikum Herford. Die Interaktionen sind offenbar deutlich komplexer (s. Kasten unten), weshalb man inzwischen von einer Herz-Hirn-Achse spricht.
Pathophysiologie: kreuz und quer statt geradeaus
Mindestens eine kognitive Domäne eingeschränkt
Viele Herzkranke leiden unter einem milden kognitiven Defizit. Im Gegensatz zu physiologischen Veränderungen im Alter lässt sich dieses gut definieren. Dazu muss man wissen, dass höhere Hirnleistungen in sechs Hauptdomänen eingeteilt werden: komplexe Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, Lernen und Gedächtnis, Sprache, perzeptuell-motorische Fähigkeiten sowie soziale Kognition. Ein mildes Defizit liegt vor, wenn mindestens eine dieser Domänen eingeschränkt funktioniert, der Patient im Alltag aber keine wesentlichen Einbußen spürt.Mini-Mental für Kardiologen eher ungeeignet
Neurokognitive Screenings helfen, zwischen normalem und auffälligem Befund zu unterscheiden. Der bekannte Mini-Mental-Status-Test eignet sich bei kardialen Grunderkrankungen eher weniger. Er erfasst nicht alle Domänen lückenlos, erklärte der Neurologe. Gerade die für ein mildes kognitives Defizit typischen Gedächtnisstörungen werden dadurch unzuverlässig aufgedeckt. Prof. Sitzer empfahl stattdessen den MoCA*-Test, da dieser die Hirnleistungen besser abbildet bzw. abfragt.Prävention steckt in der Therapie mit drin
- 20 % geringeres Risiko durch antihypertensive Behandlung (insbesondere für DAT), unabhängig von der eingesetzten Medikamentengruppe
- Schulungs- und Trainingsprogramme bei Herzinsuffizienz haben positive Effekte auf kognitive Funktionen, ebenso die Gabe von Renin-Angiotensin-Hemmern (CAVE: Hypotonie im hohen Alter, s.o.)
- bei Vorhofflimmern senkt die orale Antikoagulation (v.a. mit NOAK) das Risiko deutlich, zudem scheint eine Rhythmuskontrolle mittels Ablation das Gehirn zu schützen
Beim Screening zählt das Timing. Es bringt nichts, den MoCA-Test im Rahmen einer akut dekompensierten Herzinsuffizienz durchzuführen. Der Patient sollte entspannt sein. Und am besten verlässt der Arzt den Raum. Laut dem Kollegen kann eine angelernte nicht-ärztliche Person das Assessment mit hoher Retest-Wahrscheinlichkeit ebenso begleiten. Die Person sollte eine sehr ruhige Atmosphäre erzeugen können, damit der Getestete nicht das Gefühl hat, unter einem Leistungsdruck zu stehen.
Quelle: 16. DGK-Kardiologie-Update-Seminar**
* Montreal Cognitive Assessment
** Online-Veranstaltung